Tipps zur Berufswahl auf Augenhöhe

Ausbildungsbotschafter informieren Jugendliche an den Schulen über Möglichkeiten und Chancen der dualen Ausbildung

Berufsorientierung wird an den Schulen heute großgeschrieben. Hilfe leisten dabei die Ausbildungsbotschafter der Industrie- und Handelskammer (IHK). Rund 120 gibt es im Rems-Murr-Kreis. Die jungen Leute gehen in die Klassen und geben den Jugendlichen, die den für sie richtigen Weg erst noch finden müssen, Tipps auf Augenhöhe.

Tipps zur Berufswahl auf Augenhöhe

Arbeiten bei der Sulzbacher Firma HES Erkert an einer computergesteuerten Fräsmaschine: Immanuel Ehm (links) und Manuel Schick. Als Ausbildungsbotschafter vertreten sie den Beruf des Industriemechanikers und repräsentieren gleichzeitig das Unternehmen. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

SULZBACH AN DER MURR. „Kann man da auch mit einem Herzschrittmacher arbeiten?“ Die besorgte Frage eines Schülers gehörte zu den ungewöhnlichsten Äußerungen, mit denen es Manuel Schick und Immanuel Ehm bei ihren insgesamt vier Einsätzen als Ausbildungsbotschafter zu tun hatten. Sie bringen Schülern ab der 8. Klasse ihren Beruf näher, stellen die Firma vor, in der sie arbeiten, gehen auf Weiterbildungsmöglichkeiten ein und beantworten Fragen. Meist geht es dabei um Verdienst und Karrierechancen oder um die Frage, welche Fächer in der Berufsschule unterrichtet werden und welche Noten man braucht, um diesen Beruf überhaupt erlernen zu können.

Beim Thema Noten hakt Eleonora Martian, die seitens der IHK das Projekt Ausbildungsbotschafter betreut, sogleich ein: Die persönlichen Kompetenzen seien mindestens ebenso wichtig wie die Noten in den einzelnen Schulfächern. Da geht es um Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Ordnungssinn, Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit, wie der Ausbildungsleiter Albert Stahl bekräftigt. Er begleitet in der Ausbildungswerkstatt bei HES Erkert rund 130 junge Leute auf ihrem Weg in den Beruf. In puncto Noten macht er klar, dass eine Drei in Religion mehr über die Persönlichkeit eines Bewerbers aussagt als eine Drei in Mathe, ganz zu schweigen von den Kopfnoten, die Mitarbeit und soziales Verhalten widerspiegeln.

„Das ist etwas Besonderes, wir sehen es als Belohnung“

Manuel Schick und Immanuel Ehm lernen bei Erkert den Beruf des Industriemechanikers und befinden sich mittlerweile im dritten Lehrjahr. Dass ihnen darüber hinaus die Chance gegeben wurde, in Schulklassen für die duale Ausbildung zu werben, verdanken sie Albert Stahl. Er hat sie seinerzeit für das Programm nominiert, und darin sieht er durchaus eine Auszeichnung für die beiden, die als Team in Aktion treten. „Das ist was Besonderes“, sagt er, „wir sehen es als Belohnung.“ Deshalb sollen es Leistungsträger sein, die mit dieser Nachwuchsarbeit betraut werden, junge Leute, die sich artikulieren können und ein ordentliches Erscheinungsbild abgeben. Und schließlich legt Stahl auch charakterliche Maßstäbe an die Personen an, die immerhin nicht weniger tun, als das Unternehmen zu repräsentieren.

Für die IHK wiederum geht es darum, Jugendlichen am Übergang ins Berufsleben Orientierungshilfen zu geben – und zwar auch vor dem Hintergrund, dass die demografische Entwicklung zunehmend einen Mangel an Fachkräften befürchten lässt. Darauf zielt eine Informationskampagne der Landesregierung, zu der die Initiative Ausbildungsbotschafter gehört: „Gerade beruflich Qualifizierte werden dringend benötigt, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen“, erklärt Eleonora Martian. „Wir wollen gezielt Berufsinformationen für Jugendliche, Eltern und Lehrer über Karrierewege und Vorteile einer dualen Ausbildung aufzeigen.“ Von dem Programm profitieren alle Seiten, wie sie deutlich macht: Die Azubis, die für ihren Einsatz am Ende eine Urkunde vom Ministerium erhalten, gewinnen an persönlicher Reife; die Unternehmen schicken ihre Visitenkarte hinaus; und die Schulen erhalten unmittelbare Ansprechpartner.

Die Ausbildungsbotschafter sind dabei nah an den Jugendlichen dran, die sich für einen Berufsweg entscheiden sollen. Denn sie mussten sich selbst nur wenige Jahre davor auch mit diesem Problem beschäftigen und können sich deshalb leicht in die Lage der Schüler versetzen, von denen die meisten gerade mal 14 oder 15 Jahre alt sind, manche sogar erst 13. Die Jugendlichen stehen vor einem Berg an Fragen und haben oft gar keinen rechten Überblick über die Bandbreite an Ausbildungsberufen, die ihnen offenstehen. Zudem können sie sich kaum vorstellen, wie sie vorgehen sollen, wenn sie ein Unternehmen kontaktieren und ihre Bewerbung anbringen wollen. „Um Jugendlichen dabei zu helfen, diese Hürden abzubauen, setzen wir als IHK-Bezirkskammer Rems-Murr seit Jahren auf Ausbildungsbotschafter,“ fasst IHK-Geschäftsführer Markus Beier die Zielsetzung des Programms zusammen.

Seit dem Jahr 2011 läuft die Initiative im Kreis. Fast 12000 Schüler wurden in dieser Zeit erreicht. Allein im vergangenen Jahr kamen über 2500 Jugendliche bei 97 Schuleinsätzen mit den Ausbildungsbotschaftern in Kontakt. Manuel Schick und Immanuel Ehm haben – ebenso wie die anderen Ausbildungsbotschafter im Kreis – einen eintägigen Kurs bei Eleonora Martian absolviert, in dem sie auf ihre Aufgabe vorbereitet wurden. Sie hatten dabei auch Gelegenheit, eine Präsentation auszuarbeiten, mit der sie in den Schulen auftreten können. So gerüstet stellt es für die Gastreferenten, wie sie versichern, keinen großen Stress dar, vor die Klasse zu treten: Der Austausch mit den Jüngeren sei sogar ganz angenehm. Und man fühlt sich aus der anderen Position heraus auch ein wenig an die eigene Schulzeit erinnert: „Man denkt nach, wie es sich verändert hat.“

Die IHK-Bezirkskammer koordiniert und organisiert die Einsätze der Ausbildungsbotschafter an den Schulen. „Wir bedienen alle Schularten“, unterstreicht Projektleiterin Martian – Gemeinschafts- und Realschulen ebenso wie Gymnasien. Und es werden die unterschiedlichsten Berufe abgedeckt, von der Altenpflege über die Gastronomie bis zum Optiker.

Das Engagement bereitet nicht nur Mühe, sondern macht auch Spaß

Martian ist überzeugt von dem Programm: „Die Ausbildungsbotschafter ergänzen die allgemein verfügbaren Informationen über Chancen und Möglichkeiten der dualen Ausbildung, sie können Vorteile aufzeigen und Unsicherheiten ausräumen, indem sie von ihrem eigenen Weg und ihren eigenen Erfahrungen erzählen.“ Und sie weisen die Jugendlichen darauf hin, wie wichtig Praktika sind und wie sie sich richtig bewerben – dass größere Unternehmen wie HES Erkert heute Online-Bewerbungen haben wollen und nicht mehr die üblichen Mappen.

Für die beiden Botschafter bedeutet dieses Engagement nicht nur Mühe und Arbeit: „Es macht ja auch Spaß.“ Und es stellt einen Kontrast zum Alltag dar. Und was den Jungen mit den Herzproblemen angeht: Weil Immanuel Ehm und Manuel Schick entsprechende Warnhinweise an den Maschinen wegen Magnetfeldern kennen, empfahlen sie, zum einen den Arzt zu fragen und zum anderen die Sache mit der Firma zu besprechen.

Kontakt: Eleonora Martian, Telefon 07151/95969-8747, E-Mail eleonora.martian@stuttgart.ihk.de

Info
HES Erkert in Sulzbach

Die HES Erkert Präzisionstechnik GmbH in Sulzbach hat rund 1500 Beschäftigte.

Das Unternehmen ist mit derzeit rund 130 Azubis der größte Ausbildungsbetrieb im ganzen Umkreis. Pro Jahr werden etwa 40 Azubis eingestellt.

Ausgebildet wird in den Berufen Industriemechaniker, Fachkraft für Metalltechnik und Elektroniker. Die frühere Ausbildung zum Industrieelektriker läuft aus.

Pro Jahr stehen rund 100 Praktikumsplätze zur Verfügung. Das Unternehmen hat vier Bildungspartner: die Gemeinschaftsschule und die Realschule in Sulzbach, die Conrad-Weiser-Schule in Aspach und die Gewerbliche Schule Backnang.

Erkert produziert Präzisionsbauteile aus Stahl und Aluminium. Größte Abnehmer sind Bosch und Mercedes.