Trauriger Anblick statt teurem Gedenken

Gedenkturm an Gertrud Reusch beim Schloss Katharinenhof hat schon bessere Zeiten gesehen – Nachfahrin beklagt sich bitterlich

Barbara Reusch ist verärgert. Vor über zehn Jahren hat Peter Seydelmann, der Besitzer des Schlosses Katharinenhof, das Grundstück mit dem Gedenkturm für Gertrud Reusch von der Stadt gekauft und sich dazu verpflichtet, das Bauwerk bis Ende 2009 zu sanieren. Diese Sanierung ist bis heute nicht vollendet, dafür allerdings das Areal mit einer hohen Mauer umgeben und die Gedenkstätte somit der Öffentlichkeit entzogen.

Trauriger Anblick statt teurem Gedenken

Hinter dieser Mauer verborgen und der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist der Turm, den Paul Reusch für seine Gattin errichten ließ. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Es muss den Unternehmer Paul Reusch bis ins Mark erschüttert haben, als seine geliebte Frau Gertrud am 7. Januar 1944 in Stuttgart verstarb. Er drohte in eine tiefe Depression zu verfallen. Begraben wurde die Unternehmergattin auf dem Strümpfelbacher Friedhof. Als Andenken an seine Frau spendete Paul Reusch der Gemeinde Strümpfelbach 5000 Reichsmark zur Verwendung für gemeinnützige Zwecke. So unter anderem nachzulesen im 25. Band des Backnanger Jahrbuchs aus dem Jahr 2017. Um seiner Frau ein angemessenes sichtbares Andenken zu setzen, ließ Reusch außerhalb der Ummauerung des Schlosses Katharinenhof einen acht Meter hohen Glockenturm errichten. Schriftlich wurde vereinbart, dass die Anlage in den Besitz der Gemeinde übergehen soll. Diese sollte dafür Grundstücke in der Größenordnung von vier bis sechs Morgen geschenkt erhalten. Im Gegenzug übernahm die Gemeinde die Verpflichtung, aus dem Ertrag der Grundstücke für das Läuten der Glocke jedes Jahr am Todestag und für die Instandhaltung der Anlage zu sorgen.

Als Strümpfelbach 1972 nach Backnang eingemeindet wurde, wurden diese Pflichten von der Stadt übernommen und 2008, beim Verkauf des Geländes an Seydelmann, auch auf diesen übertragen. Im Kaufvertrag heißt es unter anderem, der Käufer verpflichte sich, die Anlage „bis spätestens 31.12.2009 zeitgemäß zu sanieren, neu zu bepflanzen und (...) instand zu halten“.

Barbara Reusch ist die Witwe von Paul-Jürgen Reusch, dem Enkel des erfolgreichen Unternehmers. Sie bewohnte den Katharinenhof von 1976 bis 1994. Erst danach zog sie mit ihrem Mann nach Backnang. Die 68-Jährige ist über mehrere Dinge sehr verärgert. Zum einen beklagt sie die hohe Mauer, die vor sieben Jahren um den Gedenkturm gezogen wurde. Zum einen ist die Mauer ihres Erachtens viel zu hoch, sie verwehrt jedem den Blick auf den Turm. Zum zweiten hat sie keinen Durchgang, sodass kein Besucher Zugang zum Turm hat. Und zum dritten gefällt der früheren Katharinenhofbesitzerin die Steinart nicht, die für den Bau verwendet worden ist. Sie spricht von einem „hellen chinesischen Billiggranit, der zur eigentlichen Katharinenhofmauer nicht passt“. Reusch moniert: „Man hätte dafür ein heimisches, dem anderen ähnlicheres Material verwenden können“. Ihr ist unerklärlich, dass das Denkmalamt „diese hohe und hässliche Ummauerung“ genehmigt hat.

Denkmalschutz hatte Höhe und Material der Mauer abgesegnet

Bei der Stadt Backnang hat man dazu eine andere Auffassung. Siegfried Janocha, Erster Bürgermeister der Stadt, bestätigt, dass es eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung des Regierungspräsidiums für diese Mauer gibt. Zudem attestiert Janocha, dass Peter Seydelmann stets den Denkmalschutz im Auge habe. Janocha erklärt weiter, dass die einstige Mauer um den Gedenkturm in den späten 1990er-Jahren sehr zerfallen war, obwohl die Stadt das Gelände immer gepflegt habe. Als dann die Stadt die Mauer richten wollte, kam von Seydelmann die Anfrage, ob er das Grundstück nicht erwerben könne, schließlich sei es Teil der Anlage des Schlosses Katharinenhof. Und so wechselte das Gelände 2008 den Besitzer, laut Janocha in enger Abstimmung mit den Reusch-Erben und dem Ortschaftsrat Strümpfelbach. Alle Pflichten wurden damals von Seydelmann übernommen.

Und das ist der zweite Aufreger für Barbara Reusch. Denn sie vermisst die vertraglich zugesicherte Instandhaltung des Turms. So heißt es in dem Vertrag, es sei alles zu tun, „was erforderlich und geeignet ist, um dem in der Gedächtnisanlage verwirklichten Gedanken der Pietät und Dankbarkeit seine dauernde und würdige Gestaltung zu sichern.“ Als Barbara Reusch aber im November letzten Jahres letztmals vor Ort war, gab die Gedenkanlage ein trauriges Bild ab. Doch Janocha beschwichtigt auch hier. „Es fehlen nur noch ein paar Restarbeiten am Bodenbelag vor dem Turm und den Treppenstufen zum Denkmal selbst.“ Begründet wurde dies laut Janocha vonseiten des Bauherrn mit der Schwierigkeit, derzeit Handwerker zu bekommen. Eine Aussage, die bei Barbara Reusch die Adern schwellen lässt, „bald zehn Jahre nach der vertraglich festgesetzten Sanierung.“ Sie setzt dem Schlossbesitzer eine Frist, nämlich den 150. Geburtstag von Gertrud Reusch. Der ist am 28. Oktober 2019. Ob die Zeit bis dahin reicht?

Trauriger Anblick statt teurem Gedenken

Ende des vergangenen Jahres bot sich dieser trostlose Anblick. Inzwischen soll die Sanierung des Gedenkturms samt des Umfelds fast fertig sein, heißt es vonseiten der Stadtverwaltung. Foto: privat

Kommentar
Des Sinns beraubt

Von Matthias Nothstein

Wenn man bedenkt, was Paul Reusch mit dem Gedenkturm erreichen wollte, dann war es vermutlich der Kardinalfehler, das Gelände vor zehn Jahren überhaupt an Peter Seydelmann zu verkaufen und die Baugenehmigung für eine Mauer zu erteilen. Denn der trauernde Gatte wollte ursprünglich, dass auch die Öffentlichkeit das Andenken an seine Frau bewahrt, sonst hätte er vermutlich den Gedenkturm gleich hinter den Mauern im Schlosspark errichten lassen. Eine kleine Mauer hat zwar früher schon den Bereich außerhalb des eigentlichen Anwesens geschützt, aber sie hatte einen Durchgang, sodass jeder nähertreten konnte. Auch die direkte Ansprache an die Wanderer, wie sie an einer Seite des Gedenkturms zu lesen ist, macht hinter einer Mauer keinen Sinn. Sie lautet: „Wanderer in Felder Weiten, hörst Du diese Glocke läuten, bleibe still am Wege stehn. Vor einer Mutter heilgem Walten, sollst Du Deine Hände falten, und dann magst Du weitergehn.“

Insofern ist es schade, dass die Bürger nun weggesperrt sind. Ein Denkmal, das niemand sehen kann, ist seines Sinns beraubt.

m.nothstein@bkz.de