Trepp auf, Trepp ab!

Von Stäffele, Treppen und Himmelsleitern: Der 211. Altstadtstammtisch widmete sich der Backnanger Stäffeleskultur

Von Uta Rohrmann

Baudezernent Stefan Setzer sprach beim 211. Altstadtstammtisch über die Bedeutung von Treppen in der Kulturgeschichte, in der Welt und vor allem über die Stäffele in Backnang. Erstaunlich  viele gibt es dort – bekannte und eher versteckte, solche, die es früher einmal gab, praktische und liebenswerte und auch solche, auf die man gut verzichten könnte.

Trepp auf, Trepp ab

Diese Treppe verbindet die Uhlandstraße mit der Grabenstraße. Foto: A. Becher

Von Uta Rohrmann

BACKNANG. Gerade die süddeutschen Städte mit ihrer typischen Lage am Hang benötigten traditionell Staffeln, wobei sich zumeist unten ein Fluss befindet, wie in Backnang die Murr, während an der Spitze zuerst eine Burg stand, die später durch einen Kirchenbau beziehungsweise in Backnang durch das Chorherrenstift ersetzt wurde.

Anhand imposanter Bilder zeigte Setzer die kulturgeschichtliche Relevanz von Treppen – in der Mythologie als Himmelsleiter, als Verlängerung in die Unendlichkeit, in der bildenden Kunst und Musik, beispielsweise bei Stairway to Heaven von Led Zeppelin. Auf Stäffele werden Gruppenfotos gemacht, die eine Erinnerung fürs Leben darstellten. Auch der Backnanger Stäffeleslauf gehört zur Stäffeleskultur.

Stuttgart sei mit seiner Kessellage prädestiniert für den Einsatz von Stäffele. Mit der Spanischen Treppe in Rom werde der öffentliche Raum inszeniert, während die Potemkinsche Treppe in Odessa auch Ausdruck von Repräsentation und Macht sei. Sie werde nach oben schmaler und sehe von oben betrachtet wie eine Rampe aus. Sehr eindrucksvoll sind auch die Treppen an Bergen in China, die oft bei einem Kloster endeten. Die 4 000 Stufen nach Hua Shan müssen wie eine Leiter erklommen werden. Zu Pferde konnten die hohen Herren die Reitertreppe zum Schloss Klippenstein in Sachsen begehen, parallel dazu gibt es Treppen fürs einfache Volk. Die Treppe Albertina in Wien werde passend zur jeweiligen Ausstellung bemalt. „Es geht auch anders“, erklärte Setzer und zeigte bauliche Ideen in Städten, in denen Höhenunterschiede treppenlos gestaltet wurden: der Aufzug in Annonay, der Ober- und Unterstadt verbinde, die Zahnradbahn Pilatus in Luzern oder die Seilbahn in Koblenz.

Persönlich seien ihm drei Stäffele besonders wichtig, verriet der Baudezernent. Neben der Treppe St. Michael in Schwäbisch Hall sei dies das Treppenhaus im Rathaus Eppingen als gelungene Komposition: eine zweiläufige Treppe, die oben zusammengeführt wird. Und in Backnang gefällt ihm die Freitreppe an der Murr, weil sie nicht nur oben und unten verbindet, sondern auch ein schöner Aufenthaltsort sei, was ja für die Schwaben nicht selbstverständlich sei.

Wer kennt noch das Backnanger Hexenstäffele? Das sei früher die kurze Direktverbindung zwischen Kaltem Wasser und Bahnhof gewesen, zeigte der Referent anhand historischer Fotos. Heute befänden sich dort die Ericsson-Gebäude. Ein Verlust sei die Staffel am Gasthaus Krone: sehr schöne Balustradensituation mit wunderbarem Blick. Nicht mehr da sind auch die Rolltreppen im Zentralkaufhaus und im Max Mayer – zu ihrer Zeit etwas Besonderes.

Backnang ist eine Stadt mit Höhen und Tiefen. Der tiefste Punkt im Innenstadtgebiet liege in der Gerberstraße (240,70 Meter über NN), der höchste mit 303,97 Meter im Dresdner Ring beim Wasserturm. Ergibt eine Differenz von 63,27 Metern oder 372 Stufen.

Fast jeder hier kennt sie: Treppen mit klangvollen Namen Backnanger Persönlichkeiten wie die Felicitas-Zeller-Staffel oder die Christian-Schmückle-Staffel. Die Kirchstaffel, die sich schon mehrmals verändert hat und die man nochmals verändern könnte: Podeste einkürzen, flacher gestalten, das Treppenkonglomerat vereinheitlichen. Sehr schön sei die Situation am Stiftshof; der Markgrafenhof sei ein Platz, der sich zur Stadt hin öffne und trotzdem sehr intim sei. Gerne genutzt werde auch die Rossbergstaffel, die idyllisch in der Natur gelegene Burgbergstaffel sei leider ein Beispiel fürs Müllproblem, das auch vor Stäffele nicht haltmacht. An dem durch Stäffele erhöhten Eingang am Murruferweg könne man erkennen, dass Hochwasser auch schon früher ein Problem gewesen sei. Gelungen sei die Treppengestaltung am Bandhaus: skulptural und schön zu begehen. Funktional und bequem ist die weite Treppe, die mit Graben- und Uhlandstraße zwei wichtige Handelsstraßen verbinde, viel begangen werden aber auch die Stäffele, die die Verbindung von der Murr hoch zur Eugen-Adolff-Straße zu einem überaus lauschigen Wegle machen. Mehrere Stäffele gibt es in der Gartenstraße zu bewundern – mitten in der Stadt und doch idyllisch, man meine manchmal fast, im Garten oder am Wohnzimmer von jemandem anzukommen. Eine wichtige Verbindung zum Bahnhof seien die Stufen am Backnanger Bürgerhaus, das es verdient habe, dass man auf Dauer mehr draus mache.

Planung für eine neue, schön inszenierte Treppe am Obstmarkt

Auch auf schlechte Beispiele von Stäffele in Backnang ging Setzer ein. Eine schlechte Lösung sei beispielsweise die Unterführung Friedrichstraße oder das Empfangsgebäude am Bahnhof, das die Barrierefreiheit ignoriert, das ohne Treppen zu gestalten aber sehr anspruchsvoll sei. Besser könnte auch die Lage am Obstmarkt sein. Der Platz solle sich öffnen. „Die Nutzbarkeit wäre ohne Stäffele besser“, findet Setzer. Hier ist einiges in Planung. Eine neue, schön inszenierte Treppe, kombiniert als begehbar und zum Sitzen, könnte Obstmarkt und  Eduard-Breuninger-Straße verbinden. Toll wäre auch eine „Himmelsleiter“ an der Murr, mit der man ohne Eingriffe in den Wald eine Brücke auf Stahlstiften über den Hang setzen könnte.

Im Anschluss an die Präsentation bot sich dem interessierten Publikum noch Raum für eine ausführliche Diskussion.