Trinkwasser noch immer nicht genießbar

Das seit fast zehn Wochen verunreinigte Trinkwasser im unteren Teil von Burgstall geht Anwohnern auf die Nerven. Sie klagen über höhere Kosten und zusätzlichen Aufwand. Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz lehnt Entschädigungen zunächst ab, bietet aber Unterstützung an.

Trinkwasser noch immer nicht genießbar

Rainer Duhnsen aus Burgstall hat die Nase voll, zum Supermarkt zu fahren, um Wasser für die Kaffeemaschine zu kaufen. Foto: A. Becher

Von Florian Muhl

Burgstetten. Das Wasser aus ihrer Leitung zu Hause stinkt nach Chlor. Zum Wasserholen auf den Friedhof fahren? Für die einen pietätlos, für die anderen lästig. Sie kaufen Wasser in Unmengen im Supermarkt, so es denn noch vorrätig ist. Beim Rewe in Burgstall und beim Netto in Kirchberg an der Murr war es offensichtlich zeitweise ausverkauft. Das alles kostet Zeit, Geld und reichlich Nerven. Und das schon seit zwei Monaten. Zwölf Familien mit zusammen 37 Personen haben sich jetzt zusammengetan, um ihren Unmut über das verunreinigte Trinkwasser in Worte zu fassen. Zudem stellten sie infrage, dass sie jederzeit unmittelbar, umfassend und direkt von der Gemeinde informiert worden sind.

Wortführer der verärgerten Anwohner in der Pestalozzistraße, der Marbacher Straße und der Straße „Hinter den Gärten“ ist Rainer Duhnsen. Er selbst war in dieser Sache bereits zweimal im Rathaus vorstellig. „Da wirst du angeschaut, als kämst du von einem anderen Stern“, berichtet er. Nun hat Duhnsen zusammen mit den anderen Familien ein halbes Dutzend Fragen formuliert, die er am Donnerstagabend in der Gemeinderatssitzung im Rahmen der Bürgerfragestunde vortrug. Grob zusammengefasst wollte er von der Verwaltung wissen: Warum ist das Wassernetz so marode, wann gibt es endlich wieder frisches Trinkwasser und wie sieht die Entschädigung für die betroffenen Bürger aus?

„Solange wir nicht wissen, wie lang wir diesen Zustand noch haben, kann ich dazu keine Aussage treffen“, sagte Irmtraud Wiedersatz zur Frage der Entschädigung. Im Übrigen müsse es dann letztlich der Gemeinderat entscheiden, so die Bürgermeisterin weiter. Die Verwaltung habe sich aber auch schon informiert. „Wir haben keinen Fall gefunden in Deutschland, wo das schon entschädigt worden wäre“, sagte die Rathauschefin. Sie wies im Folgenden darauf hin, dass die ganzen Maßnahmen mit dem Gesundheitsamt abgestimmt sind. „Das Wasser riecht nach Chlor, das ist richtig. Es hat einen gültigen Chlorwert zwischen 0,3 und 0,6. Von dem her gesehen: Das Wasser ist nutzbar. Ich tät’s auch nicht trinken, ich bin ja selber betroffen.“ Man könne das Wasser vollumfänglich nutzen, zum Duschen und zu allem. „Es ist auch nach der Trinkwasserverordnung so zulässig“, so die Bürgermeisterin.

Auf den Trinkwassergebührenbescheid angesprochen sagte die Vorsitzende, dass es eine Befreiung von der Zahlungsverpflichtung sicher nicht gebe. Es könne nur darum gehen, ob man den Betroffenen eine gewisse Entschädigung zukommen lasse. Aber das müsse man dann beraten, wenn man überhaupt wisse, um was es gehe.

„Wie stellen Sie sich das vor?“, fragte Wiedersatz Duhnsen, als der seine nächste Frage gestellt hatte. „Was spricht gegen den Einsatz der örtlichen Feuerwehr und des Bauhofs im akuten Fall der behelfsmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit genießbarem Trinkwasser – insbesondere für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie Familien mit kleineren Kindern – beziehungsweise auch bei der Einspeisung sauberen Trinkwassers in das Netz der Unteren Zone Burgstall?“ Eine Bürgerin ergänzte, dass besonders ältere Leute doch gar nicht die Kraft hätten, die ganzen Wasserkanister nach Hause zu schleppen. „Also bis jetzt hat sich noch niemand bei uns gemeldet, der da Schwierigkeiten hätte“, erklärte Wiedersatz. Wenn das der Fall wäre, würde die Gemeinde auf jeden Fall Unterstützung anbieten – und verwies auf die Alltagshelfer.

Vehement wehrte sich die Bürgermeisterin gegen Vorwürfe, dass die Gemeinde nicht dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen im Wassernetz in der Unteren Zone Burgstall getätigt hätte. „Unser Wassernetz ist nicht marode, das ist völlig in Ordnung.“ Es könne immer mal wieder vorkommen, dass es einen Wasserrohrbruch gebe. Seit der Umstellung auf die Wasserkonzeption der NOW habe die Gemeinde bereits dreimal einen Förderantrag zum Bau eines neuen Wasserhochbehälters oben in Burgstall gestellt und sei noch nie zum Zug gekommen, weil die Mittel, die vorhanden gewesen seien, die NOW für die Umsetzung ihrer Konzeption erhalten habe. Jetzt laufe bereits der vierte Antrag.

Wiedersatz wehrte sich auch gegen die Zweifel, dass die Gemeinde nicht genügend aufgeklärt hätte. „Wir haben immer sofort informiert, wenn wir Bescheid gewusst haben.“ In den Informationsschreiben habe die Verwaltung erläutert, wie die Gemeinde vorgeht, was gemacht wird und wann. „Ich täte Ihnen gern sagen, wann wir so weit sind, aber ich kann’s nicht, weil wir die Ursache leider immer noch nicht eingegrenzt haben“, sagte die Bürgermeisterin, die wiederholt darauf hinwies, wie schwierig und zeitaufwendig die Untersuchungen sind.

Abschließend sagte Wiedersatz, dass die Gemeinde nie Wasser abgegeben hätte, das nicht in Ordnung gewesen wäre. „Aber man ist in Deutschland nicht gewohnt, Trinkwasser zu haben und zu trinken mit Chlor. Im Ausland haben wir das oft.“ Auf die Frage eines weiteren Bürgers, ob die Gemeinde auf dem Friedhof Burgstall ein kleines Wägelchen bereitstellen könne, um das Wasserholen dort zu erleichtern, sagte die Bürgermeisterin zu, sich darum zu kümmern.

Ein Dutzend betroffener Bürger, die nach der Fragestunde die Sitzung verließen, äußerten sich weiterhin unzufrieden. Ihrer Meinung nach gehe die Gemeinde zu wenig auf ihre Sorgen und Belange ein.

Zwei Monate verunreinigtes Wasser in Teilen von Burgstall

Beginn Nach dem Feststellen der Erreger (Enterokokken) im Trinkwasser der Unteren Zone Burgstall am 8. September wird das Wasser dort im Netz gechlort. Betroffene Anwohner wurden aufgefordert, das Wasser abzukochen.

Zwischenstand Am 8. Oktober teilt die Gemeinde mit, dass eine Verdachtsstelle als wahrscheinliche Ursache für die Verunreinigung des Trinkwassers gefunden werden konnte. Man müsse aber den Chlorgehalt nochmals deutlich erhöhen und dann die Leitungen spülen. „Das Leitungswasser sollte nicht für Nahrung oder Getränke benutzt werden“, hieß es. Die Gemeinde bietet an, dass sich die Bürger auf dem Friedhof Burgstall oder bei der Verbandszentrale in Erbstetten frisches Trinkwasser holen können. Am 22. Oktober teilt die Gemeinde mit, dass „eine erneute, aber geringere Keimbelastung festgestellt wurde“. Bis auf Weiteres werde das Wasser sicherheitshalber gechlort.

Aktueller Stand In der Gemeinderatssitzung am Donnerstag sagte die Bürgermeisterin, dass derzeit der Schacht des oberen Hochbehälters umgebaut wird. Dort könne es eine Undichtigkeit geben. Bei der letzten Probenahme sei dort auch eine geringe Verkeimung festgestellt worden.