Triste Stille statt lautstarkem Trubel

Die Murrhardter Eugen-Nägele-Jugendherberge ist geschlossen, doch Hausleiter Thomas Märkle hat trotzdem viel zu tun

Mit den Osterferien startet die Tourismussaison, und in der idyllisch am Rande der Walterichstadt gelegenen Eugen-Nägele-Jugendherberge wimmelt es von meist jungen Besuchern. Doch heuer ist alles leer: Wie alle anderen Jugendherbergen im Land ist auch eine der wichtigsten touristischen Institutionen Murrhardts seit 19. März geschlossen.

Triste Stille statt lautstarkem Trubel

Für Gäste hat die Jugendherberge nicht geöffnet, Thomas Märkle ist aber bemüht, das Haus in einem betriebsfähigen Zustand zu halten. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. „Uns trifft die Schließung besonders, da Grundschulklassen bei Schullandheimaufenthalten den Löwenanteil unserer Gäste ausmachen“, erklärt Thomas Märkle, der die Eugen-Nägele-Jugendherberge seit 2004 leitet. Hinzu kommen Jugendliche auf Freizeiten, Musikstudenten aus aller Welt, die an der Internationalen Klavierakademie teilnehmen, aber auch Jakobsweg-Pilger. Infolge der Krise „wurden alle Klassenfahrten bis zur Sommerpause abgesagt, und auch darüber hinaus ist die Nachfrage massiv eingebrochen. So befindet sich die Murrhardter Jugendherberge in einer existenzbedrohenden Lage, denn wir verzeichnen Umsatzeinbrüche im sechsstelligen Bereich“, bedauert Jörg Hoppenkamps, Geschäftsführer des Landesverbands Baden-Württemberg des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH BW).

„Das Leben in der Bude fehlt mir wirklich, und ich empfinde die aktuelle Situation stressiger und belastender, als wenn das Haus voll belegt ist“, gibt Märkle zu. Trotzdem gibt’s viel Arbeit für den aus Tübingen stammenden Herbergsvater, der seit 32 Jahren im Deutschen Jugendherbergswerk tätig ist. Er ist 60, somit genauso alt wie die Jugendherberge, die nach dem Murrhardter Ehrenbürger Eugen Nägele benannt ist, der 1888 Mitbegründer des Schwäbischen Albvereins und des Jugendherbergswerks vor 111 Jahren war. Obwohl keine Gäste da sind, legt sich der Hausleiter voll ins Zeug, damit überall im Gebäude und auf dem Gelände alles in Ordnung ist.

Das Mitarbeiterteam ist in Kurzarbeit

„Anhand einer Aufgabenliste müssen ständige Kontrollgänge im und um das Haus abgearbeitet werden. So müssen unter anderem beispielsweise alle Wasserzuläufe regelmäßig gespült werden, um das Auftreten von Legionellen zu verhindern und um die Abflüsse frei zu halten“, erklärt Märkle. Weiter sei es erforderlich, ständig zu kontrollieren, dass die Rauchmelder und automatischen Schließanlagen einwandfrei funktionieren. Dasselbe gilt für die zahlreichen technischen Anlagen wie Heizung, Wasserversorgung, Lüftung, Wasseraufbereitung und Kühlung.

„Auch eingelagerte Lebensmittel im Trockenlager und in den Kühleinrichtungen müssen täglich überprüft werden. Dazu kommt dann noch die Pflege der großen Außenanlage mit Rasen mähen, Hecken, Büsche und Bäume schneiden.“ Überdies falle jede Menge Büroarbeit an, auch wenn die Jugendherberge zurzeit während der Hausschließung nicht telefonisch, aber per E-Mail erreichbar ist. „Da ich zu den wenigen Hausleitern gehöre, die noch als klassische Herbergsväter direkt in der Jugendherberge wohnen, bin ich hier quasi ständig im Homeoffice-Modus“, erzählt Thomas Märkle.

Überdies erledige er kleinere Reparatur-, Instandhaltungs- und Verschönerungsarbeiten im Haus, soweit diese nicht mit Kosten für Arbeitsmaterialien und anderes verbunden sind. So streiche er Zimmer, repariere Schrankscharniere oder Kleiderhaken. Momentan mache er alles alleine, sein Mitarbeiterteam sei in Kurzarbeit. Normalerweise kümmern sich ums Wohl der Gäste zwei Vollzeitkräfte, der Hausleiter und Emilie Milke, Leiterin für den Bereich Küchen und Hauswirtschaft, sowie vier Teilzeitkräfte für die Bereiche Hauswirtschaft, Küche und Rezeption. Größere Reparatur- oder Renovierungsarbeiten sind laut Geschäftsführer Hoppenkamps nicht möglich, da die aktuelle Situation zu massiven finanziellen Problemen führe. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, bringt es Thomas Märkle auf den Punkt. Immerhin habe man in den ruhigen Wintermonaten vor der Krise in der Küche und im Lebensmittellager noch die Beleuchtung auf LED-Lampen umgestellt sowie Decken und Wände saniert.

Die Murrhardter Jugendherberge verfügt über 112 Betten in 31 Zimmern. Darunter sind neun Zweibettzimmer, 19 Vierbettzimmer und drei Sechsbettzimmer. Pro Jahr zählt der Herbergsvater rund 10000 Übernachtungen von rund 5000 Gästen. „Wir legen bei unseren Angeboten großen Wert auf die Einbindung der regionalen Anbieter im Bereich Natur, Umwelt und Kultur. Hierzu zählen das Carl-Schweizer-Museum, die Naturparkführer und die Limes-Cicerones, das Naturparkzentrum sowie Anbieter von Planwagenfahrten. Bei der Verpflegung haben wir Vorbildcharakter, darum ist es mir schon seit Langem ein großes Anliegen, regionale und saisonale Bioprodukte zu verwenden.“

Die gemeinnützige Organisation verfügt nicht über Gewinnrücklagen

Während Unternehmen und Selbstständige Soforthilfen und Kredite aus Förderprogrammen beantragen können, ist das DJH BW eine gemeinnützige Organisation. Insofern „verfügt es über keine Gewinnrücklagen und wird bei Soforthilfen nicht berücksichtigt. Daher sind wir in dieser wirtschaftlichen Notlage auf politische Unterstützung angewiesen. Das Kultusministerium hat kurzfristig Investitionsmittel als Betriebskostenzuschuss umgewidmet. Darüber hinaus ist eine Landesbürgschaft zugesagt, um eine zusätzliche Kreditaufnahme zu ermöglichen“, erklärt Hoppenkamps. Dem DJH BW, das landesweit rund 900 Mitarbeiter beschäftigt, liege die Sicherung der Arbeitsplätze besonders am Herzen. „Daher haben wir für die Mitarbeiter in allen unseren Jugendherbergen und der Geschäftsstelle Kurzarbeit beantragt.“ Zwar sind bisher noch keine Maßnahmen für eine Wiedereröffnung festgelegt, da noch nicht klar ist, wie lange die Eugen-Nägele-Jugendherberge geschlossen bleibt. Doch müsse das Haus vor der Wiederöffnung möglicherweise zum Schutz vor Infektionen zunächst mit zusätzlichen Hygieneeinrichtungen wie Desinfektionsspendern ausgestattet werden. Denkbar ist auch, dass Schutzmasken ausgegeben und Mindestabstände eingehalten werden müssen. Insofern könnte anfangs wohl nur eine gewisse Anzahl von Gästen gleichzeitig übernachten. Auch Änderungen der Hausordnung werden wohl erforderlich.

Dazu macht Thomas Märkle deutlich: „Wir warten aktuell auf Entscheidungen und Anweisungen unserer Geschäftsführung in Stuttgart. Ich gehe davon aus, dass wir gut koordiniert und innerhalb weniger Tage vom Offline- in den Online-Modus wechseln können. Wir sind bemüht, unser Haus laufend in einem betriebsfähigen Zustand zu halten, und natürlich auch jederzeit bereit, unsere Jugendherberge für eventuell notwendige Sondernutzungen zur Verfügung zu stellen“, zum Beispiel als Aushilfskrankenhaus für Coronapatienten in der Genesungsphase, betont der Herbergsvater. Und fürs kommende Jahr hat er schon eine gute Idee, wie Kinder und Senioren die aktuell erforderliche lange erzwungene Trennungszeit überwinden könnten: „Ich möchte gerne Freizeiten für Großeltern und deren Enkel anbieten.“