Trockenheit und Schadinsekten setzen Wäldern zu

Zwiegespaltene Zwischenbilanz – Starke Regenfälle im Mai beleben den Obst- und Gemüsebau

Trockenheit und Schadinsekten setzen Wäldern zu

Murrhardt - Fornsbach - Büchelberger StraßeTannensterben, Hitze und Borkenkäfer - Mit Förster Dieter Seitz und Tobias Horwath vomn Kreisforstamt nördlich von Fornsbach im (Privat-)wald - Foto: Jörg Fiedler - © Copyright Jörg Fiedler, Veröffentlichung nur gegen Honorar zzgl. Mehrwertsteuer, Urhebernachweis und Belegexemplar

Von Heidrun Gehrke

WAIBLINGEN/BACKNANG. Auch wenn es vor wenigen Wochen noch ordentlich geregnet hat, gilt laut Kreisforstamtsleiter Martin Röhrs der Staatswald zu 100 Prozent als gestresst. Die Hitze der vergangenen Jahre habe allen Baumarten zugesetzt. Insbesondere für die Südhänge in der Backnanger Bucht oder im Remstal gibt er keine Entwarnung. „Dort werden die Absterbe-Erscheinungen für alle Bäume weitergehen.“

2018 war aus Sicht der Förster in zweierlei Hinsicht problematisch. „Dieses Jahr trifft eine erstarkte Schadkäferpopulation auf geschwächte Bäume“, fasst Röhrs zusammen. Trockenheit und der milde Winter boten den Käferpopulationen optimale Bedingungen. Viele konnten überwintern, die Käfer seien insgesamt mit einer hohen Ausgangspopulation ins Jahr 2019 gestartet. Die Bäume hingegen kamen mit dem Wassermangel nicht klar und zeigen deutliche Zeichen von Stress.

Vier Sorten an Schadinsekten setzen den Bäumen im Staatswald zu. Der Krummzähnige und der Kleine Tannenborkenkäfer gehen auf Tannen los, die Fichte wird von Buchdrucker und Kupferstecher heimgesucht. Sehr aktiv sind zudem der Lärchenborkenkäfer, bei den Buchen der Buchenprachtkäfer und der zweifarbige Buchenborkenkäfer. Die Förster beobachten Fichten, die eine satte grüne Krone vermissen lassen, sehr durchsichtig sind und sich gelblich oder rötlich verfärben. Auch eindeutige Befallsmerkmale wie Bohrmehlspuren lassen darauf schließen, dass sich die Käfer in vielen Bäumen eingebohrt und bereits Bruten angelegt haben. Wie die Bäume reagieren, wissen die Förster nicht. Bis in zwei Wochen könnte das Ausmaß sichtbar werden, sagt Tobias Horwath, stellvertretender Forstamtsleiter. Während der kühlen Tage Ende Mai habe sich die Brut leicht verzögert. „Doch dies schiebt die Vermehrung letztlich nur auf“, so Horwath, der die Bruthäufigkeit verdeutlicht. „2018 haben die Borkenkäfer drei Bruten statt einer angesetzt. Dieses Jahr könnte es bestenfalls zurückgehen auf zwei Bruten.“

Um der Ausbreitung Herr zu werden, stehe nur ein effektives Mittel zur Verfügung: „Die Bäume schnell finden, umlegen und ins Sägewerk bringen, um den Stamm mit Käfer aus dem Wald zu schaffen“, so Horwath. Hinter die Realisierbarkeit der Maßnahme setzt er angesichts hoher Schadholzmengen des Vorjahrs allerdings ein Fragezeichen. „Die Sägewerke sind überversorgt mit Holz“, so Horwath. „Wir haben jetzt schon so viel Schadholz wie 2018 gesamt“, ergänzt Martin Röhrs. Im Staatswald verzeichnet das Kreisforstamt 8000 Festmeter Schadholz durch Insekten, im Kommunalwald 5000 Festmeter, im Privatwald 7000 Festmeter. Für den Staatswald gilt Röhrs zufolge als „entlastende und marktsteuernde Ausgleichsmaßnahme“ seitens des Landesforstbetriebs ForstBW ein Einschlagstopp für frischen Nadelwald, um den Holzmarkt nicht zu überstrapazieren. Reguläre Hiebmaßnahmen seien im Staatswald teilweise zurückgestellt worden, weil zuerst einmal das Schadholz aus dem Wald geschafft werden musste. Europaweit herrsche Holzüberschuss infolge der Trockenheit, eine Nachfrage aus dem Ausland sei nicht zu erwarten. Im Rems-Murr-Kreis sei die Lage noch entspannt durch Verträge des Kreisforstamts mit lokalen Sägeunternehmen. Röhrs befürchtet: „Wenn es ähnlich trocken und heiß wird wie 2018, schießt es durch die Decke. Dann wird der Holzmarkt nichts mehr aufnehmen können.“ Entscheidend sei die Witterung, insbesondere im Juli und August. „Nass und kalt wäre uns recht.“ Die Käfer würden zwar auch dann nicht einfach verschwinden, aber die Bäume könnten mehr Widerstandskraft entwickeln, wenn ihnen nicht noch einmal das Wasser abgegraben wird.

Gute Ausgangslage für Obst und Gemüse

Beim Obst- und Gemüseanbau zeigt sich nach Auskunft von Michael Stuber, dem Leiter des Landwirtschaftsamts, eine deutlich bessere Ausgangslage als im selben Zeitraum 2018. „Die Vorteile der ausreichenden Niederschläge sind größer als die Nachteile der kühlen Temperatur“, bringt er die Situation auf den Punkt. Den Obst- und Gemüsebauern hätten die Niederschläge dazu verholfen, die trockene Phase in der Folge des Hitzesommers 2018 nahezu auszugleichen.

Die Kernobstblüte sehe gut aus. „Keine Spätfrostschäden und eine durchschnittliche Befruchtungsrate“, vermeldet Stuber. Weil Obstbäume ausreichend Blüten am Baum hätten, seien Kälte und Nässe nicht so ins Gewicht gefallen. Den Erdbeeren hingegen war es zu kalt, der Befruchtungsgrad sei geringer als in durchschnittlichen Jahren. Grund: Die Honigbiene stellt ihre Bestäubungstätigkeit bei Kälte ein. Die hohe Regenmenge habe sich zudem auf die Qualität in der Reife später Erdbeersorten ausgewirkt – Stichwort Fruchtfäule. Betroffen davon seien derzeit auch frühe Kirschensorten. „Bei anhaltendem Regen nehmen die Früchte mehr Wasser auf, zerplatzen und sind nicht mehr vermarktungsfähig“, erläutert Adrian Klose, Obstbauberater im Landwirtschaftsamt. Zu kämpfen haben viele Obstbauern zudem mit der Alternanz: Sehr ertragreiche Jahre und geringere Ernten im Folgejahr wechseln sich in Obstkulturen ab. 2018 war ein Rekordjahr. Um den zu erwartenden Ertragsrückgang abzubiegen, griffen Landwirte vermehrt zu Schnittmaßnahmen und Ausdünnungen. Keine Ausfälle und Auffälligkeiten verzeichne der Weinbau. Stuber berichtet von geringen, sorten- und lagespezifischen Schäden durch Spätfröste Ende April, der Gesamtertrag habe darunter nicht gelitten. Unauffällig sei die Spargelsaison verlaufen, lediglich kurze Engpässe wurden verzeichnet: „Es gab kurze Phasen, als der Spargel langsamer gewachsen ist und die Nachfrage der Verbraucher angestiegen ist.“

Abzuwarten bleibe, inwieweit Pilzbefall und der Aufmarsch der Kirschessigfliege zum Problem werden. Obstbauberater Adrian Klose berichtet von Fallenfunden im Rahmen von Monitorings, die eine Vermehrung der Kirschessigfliege andeuten. Feuchtes, warmes Wetter wäre ideal und könnte zu einer Masseneiablage führen.