Biden wehrt sich gegen Missbrauchsvorwürfe: Nie passiert

Von Von Christiane Jacke, dpa

dpa Washington. Joe Biden ist der große Hoffnungsträger von Donald Trumps Kritikern - er soll den US-Präsidenten aus dem Weißen Haus vertreiben. Doch mitten im Wahlkampf ist Biden mit brisanten Anschuldigungen konfrontiert. Kann er das abschütteln?

Biden wehrt sich gegen Missbrauchsvorwürfe: Nie passiert

Joe Biden im März bei einer Wahlkampfveranstaltung in Detroit. Foto: Paul Sancya/AP/dpa

Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden wehrt sich vehement gegen Vorwürfe eines sexuellen Übergriffs in den 1990er Jahren. „Sie sind nicht wahr. Das ist nie passiert“, erklärte der frühere US-Vizepräsident.

Biden äußerte sich damit erstmals selbst zu den Anschuldigungen gegen ihn, die seinen Wahlkampf gegen Präsident Donald Trump überschatten.

Die Vorwürfe reichen lange zurück: Eine frühere Mitarbeiterin aus Bidens Zeit als US-Senator, Tara Reade, beschuldigt den heute 77-Jährigen, er habe sie 1993 in einem Senatsgebäude gegen eine Wand gedrückt, unter ihren Rock gegriffen und sei mit seinen Fingern in sie eingedrungen. Bidens Wahlkampagne hatte die Anschuldigungen bereits deutlich zurückgewiesen, der Demokrat selbst hatte dazu bislang jedoch geschwiegen.

Nun äußerte er sich gleich doppelt: erst in einer schriftlichen Stellungnahme, dann in einem Interview des Senders MSNBC. Wenn Frauen solche Anschuldigungen äußerten, sollten diese gehört und genau untersucht werden, sagte Biden dort. „Aber nur die Wahrheit zählt.“ Und in diesem Fall seien die Behauptungen schlicht unwahr. Es gebe darin viele Ungereimtheiten - dem müsse man nachgehen.

Reade hatte ihre Vorwürfe vor mehreren Wochen in einem Podcast publik gemacht. US-Medien, darunter die „Washington Post“ und die „New York Times“, starteten daraufhin Recherchen, sprachen mit Reade, damaligen Weggefährten der Frau und früheren Mitarbeitern von Biden. Eindeutige Belege für ihre Darstellung fanden sie nicht. Die Schilderungen der Frau werfen einige Fragen auf. Es kamen zuletzt allerdings nach und nach weitere Informationsschnipsel dazu an die Öffentlichkeit - was den Druck auf Biden steigerte, sein Schweigen zu brechen.

Reade hatte sich mehreren Personen anvertraut, unter anderem ihrer Mutter, die inzwischen gestorben ist. Ihr Bruder, dem die heute 56-Jährige nach eigenen Angaben damals von dem Vorfall erzählt hatte, bestätigte die Schilderung der „Washington Post“ zufolge nicht auf Anhieb. Eine andere Person aus ihrem Umfeld habe erklärt, Reade habe damals von dem Zwischenfall berichtet - diese Person wollte jedoch anonym bleiben. Angestellte aus Bidens Senatsbüro wiederum, denen sich die Frau ebenfalls anvertraut haben will, wiesen ihre Schilderung ausdrücklich zurück.

Biden verwies auf die Aussagen seiner Ex-Mitarbeiter: Dutzende seien befragt worden und nicht einer habe die Angaben bestätigt.

Reade hatte nach eigenen Angaben damals auch eine Beschwerde wegen des Vorfalls eingereicht. Sie verlangt nun von Biden, archivierte Unterlagen aus seiner Senatszeit offenzulegen. Biden hielt dagegen, die archivierten Dokumente aus seinen Senatsjahren enthielten keine Personalakten. „Ich bin sicher, dass da nichts ist“, sagte er. „Ich habe nichts zu verbergen.“ Falls die Frau tatsächlich eine offizielle Beschwerde bei einer Senatsstelle eingereicht habe, könne diese nur im Nationalarchiv zu finden sein. Er wisse aber nichts davon, dass jemals eine solche Beschwerde gegen ihn eingegangen sei.

Biden sagte, er wisse nicht, warum Reade die Vorwürfe vorbringe. „Ich verstehe es nicht“, sagte er, betonte aber: „Ich werde sie nicht angreifen.“

Am Montag hatten sich in einem Bericht des Portals „Business Insider“ noch eine damalige Nachbarin Reades und eine frühere Kollegin aus einem anderen Senatsbüro geäußert, denen Reade in den 1990er Jahren ebenfalls von dem Vorfall erzählt haben will. In früheren Interviews hatte Reade diese beiden Frauen als mögliche Stützen für ihre Darstellung nicht erwähnt.

Sie hatte außerdem zwar schon vor einem Jahr - wie auch eine Reihe von anderen Frauen - öffentlich beklagt, Biden habe sich ihr in der Vergangenheit auf unangemessene Weise genähert. Zu dem nun vorgebrachten sexuellen Übergriff äußerte sich zu der Zeit jedoch nicht. Zur Begründung sagte sie, sie habe vor einem Jahr noch nicht den Mut gehabt, öffentlich über die Attacke zu sprechen.

Im vergangenen Frühling, kurz vor der Verkündung seiner Präsidentschaftsbewerbung, hatten mehrere Frauen öffentlich beklagt, Biden sei ihnen in der Vergangenheit gegen ihren Willen zu nah gekommen - etwa durch ungebetene Liebkosungen wie ein Tätscheln des Oberschenkels oder einen Kuss auf den Hinterkopf. Der Demokrat erklärte damals zunächst stoisch, er glaube nicht, dass er sich unangemessen verhalten habe. Erst später - angesichts wachsenden öffentlichen Drucks - gelobte er Besserung und versprach: „Ich werde künftig aufmerksamer und respektvoller sein mit dem persönlichen Raum von Menschen.“ Die Zeiten hätten sich geändert.

Die neuen Anschuldigungen kommen für ihn zur Unzeit. Nach dem Rückzug des linken Senators Bernie Sanders steht Biden bereits als designierter demokratischer Herausforderer von Trump bei der Wahl Anfang November fest. Seine offizielle Kür als Kandidat soll bei einem Parteitag im Sommer folgen. Trumps Wahlkampagne nutzt Reades Vorwürfe längst, um Biden anzugreifen. Am Donnerstag hatte sich erstmals auch Trump zu Wort gemeldet und Biden aufgerufen, sich zu den Vorwürfen zu äußern. „Es könnten falsche Anschuldigungen sein“, sagte Trump. So etwas habe er selbst bereits erlebt.

Diverse Frauen haben Trump sexuelle Belästigung bis hin zu Vergewaltigung vorgeworfen, was er allesamt zurückwies. Während des Wahlkampfes 2016 war außerdem eine alte Tonaufnahme publik geworden, in der sich Trump anzüglich und herabwürdigend über Frauen äußerte - und darüber, dass er sie überall anfassen könne. Gewählt wurde er trotzdem. Wie schädlich Reades Vorwürfe für Bidens Wahlkampf sind, muss sich zeigen.