Ein Fernsehmoderator hat für den Sender Eurostar gearbeitet, aber parallel dazu Hartz IV-Leistungen bekommen – zu Unrecht, wie das Amtsgericht feststellt.
Ein Moderator wird vom Stuttgarter Amtsgericht verurteilt.
Von Erdem Gökalp
Stuttgart - Adil P. genoss über lange Zeit Ansehen unter den in Deutschland lebenden Türken. Regelmäßig berichtete er von Deutschland aus für den türkischen Sender Eurostar. Er besuchte eine von Türken ausgerichtete Buchmesse in Frankfurt, einen Schönheitssalon in Esslingen oder er ging auf das Popkonzert der Sängerin Demet Akalın nach Dortmund und interviewte sie anschließend.
Das Bild des glanzvollen Boulevard-Moderators, der für Türken in der Diaspora Nachrichten produziert, wurde nun jedoch erheblich getrübt. Denn der braun gebrannte Mann mit den schulterlangen Haaren und dem weißen Anzug war während der ganzen Zeit, in denen er Sendungen moderierte, als Hartz-IV-Empfänger registriert.
Ein Teil der Straftaten ist bereits verjährt
Dafür wurde der 59-Jährige jetzt am Amtsgericht Stuttgart wegen Sozialbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Seit Ende Februar saß er laut Auskunft des Amtsgerichts Stuttgart bereits in Untersuchungshaft. Während der Verhandlung wurde der Haftbefehl aufgehoben. Er befindet sich daher inzwischen auf freiem Fuß. In mehr als zwei Jahrzehnten soll der in Stuttgart lebende türkische Staatsangehörige vom deutschen Staat fast 300 000 Euro zu Unrecht erhalten haben. Es wurde festgestellt, dass er nicht leistungsberechtigt gewesen war, da er ein Einkommen über dem zulässigen Limit hatte. Das hat er auch selbst eingestanden.
Die allgemeine Verjährungsfrist für Betrug und ähnliche Straftaten liegt in Deutschland bei fünf Jahren. Adil P. konnte daher nur noch für einen Betrag von 80 703,35 Euro belangt werden. Zu seinen Auflagen zählt unter anderem, dass er einen Einmalbetrag von 10 000 Euro und darüber hinaus weitere Zahlungen im monatlichen Rhythmus zahlen muss. Zudem muss er an psychologischen Beratungen teilnehmen.
Unklar blieben zudem die wahren Vermögensverhältnisse des Angeklagten. Es habe keine Übersicht über sein wahres Vermögen in der Türkei gegeben, heißt es seitens des Gerichts. Da eine Zusammenarbeit mit dem türkischen Behörden nicht möglich gewesen sei, konnte man beispielsweise nicht nachvollziehen, ob er Immobilien, Erspartes oder weitere Konten besitze. Es habe jedoch Rechnungen gegeben, sowie Überweisungen an seine Tochter, die auf ein bestimmtes Vermögen schließen ließen.
Tochter des Angeklagten freigesprochen
Seine Tochter wurde wegen Beihilfe angeklagt und freigesprochen. Sie hat behauptet, nichts von den illegalen Aktivitäten ihres Vaters gewusst zu haben. Sie habe von seiner Arbeit gewusst, aber nicht, dass er illegal Sozialleistungen bezog.
Die Behörden wurden erst durch einen anonymen Hinweis auf die Machenschaften von Adil P. aufmerksam. Eine Kundin hatte ihn angezeigt: Neben seiner Arbeit als Moderator habe er auch verschiedene Aufträge im Bereich Werbung und Marketing gehabt, heißt es.
Die Reaktionen in der türkischen Community sind vor allem geprägt durch Enttäuschung darüber, dass das Ansehen aller Türken unter dem Urteil leide. „Das Bild der Türken als ehrliche Menschen verliert immer mehr an Bedeutung“, schreibt ein Nutzer auf Facebook.
Einigen anderen geht das Urteil nicht weit genug „Wer waren seine Kollaborateure?“, fragt eine andere Nutzerin. Ein weiterer Nutzer verteidigt Adil P., mit dem er zusammengearbeitet habe: Er habe ihn als ehrlichen Mann kennengelernt.