Im Sommer fiel auf, dass 1.440 Lehrerstellen im Südwesten nicht besetzt waren. Nun hat eine Arbeitsgruppe erste Untersuchungsergebnisse zu dem Skandal vorgelegt.
Die Landesregierung hatte im Juni mitgeteilt, dass wegen einer schweren IT-Panne 1.440 Lehrerstellen im Südwesten versehentlich nicht besetzt worden seien. (Symbolbild)
Von red/dpa
Die IT-Panne um unbesetzte Lehrerstellen hatte in der Vergangenheit deutlich größere Ausmaße als bislang bekannt. Demnach waren wegen des Fehlers im Jahr 2015 rund 2.500 Lehrerstellen nicht besetzt, obwohl man geglaubt hatte, sie seien besetzt gewesen, teilte ein Sprecher des Finanzministeriums auf Nachfrage mit. Danach habe sich der Fehlerkorridor bis 2023 zwischen 2.200 und 1.800 Stellen bewegt. Das geht aus den Ergebnissen einer Arbeitsgruppe hervor, die den Skandal im Auftrag von Finanz- und Kultusministerium untersucht hatte. Zuvor hatte die „Schwäbische Zeitung“ darüber berichtet.
Die Landesregierung hatte im Juni mitgeteilt, dass wegen einer schweren IT-Panne 1.440 Lehrerstellen im Südwesten versehentlich nicht besetzt worden seien. Als Grund hatte man einen Softwarefehler vermutet. In einem Personalverwaltungsprogramm waren die Stellen offenbar als belegt ausgewiesen worden, obwohl sie eigentlich frei waren.
Arbeitsgruppe geht von jahrelangem Fehler aus
Die Arbeitsgruppe kam dem Sprecher zufolge ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die fälschlicherweise als besetzt gekennzeichneten Lehrerstellen seit Jahren im System gewesen seien. Eine wesentliche Ursache dafür liege vermutlich in einer IT-Umstellung in den Jahren 2005 und 2006. Auswertbare Daten lagen der Arbeitsgruppe allerdings nur bis 2015 vor, weil elektronische Daten nur zehn Jahre aufbewahrt werden müssen.
Inzwischen seien die Fehler korrigiert und die Personalprogramme liefen fehlerfrei. Zudem sei die Arbeitsgruppe zum Ergebnis gekommen, dass keine Gehälter an nicht existierende Personen gezahlt worden seien.
Offizielle Ergebnisse am Montag
Offiziell vorgelegt werden sollen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe dem Sprecher zufolge am Montag. Noch liege der Bericht nicht final vor. Dann werde die Arbeitsgruppe auch Empfehlungen vorlegen, wie die IT-Verfahren, Kontrollen und Transparenz künftig verbessert werden könnten, so der Sprecher.
Die im Juni bekanntgewordenen 1.440 unbesetzten Stellen hatte das Kultusministerium zum Beginn des neuen Schuljahres ausgeschrieben. Der größte Teil wurde mit 485 Stellen den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) zugewiesen. Die Grundschulen bekommen 350 Stellen. Die Gemeinschaftsschulen und die Realschulen bekommen je 50 Stellen - die Gymnasien ebenfalls.
Berufliche Schulen und Gymnasien besonders stark betroffen
Weil mit dem Umstieg auf das neunjährige Gymnasium an der Schulart in einigen Jahren zusätzliche Lehrkräfte gebraucht werden, will Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) eine Vorsorge aus 300 Stellen bilden. Diese sollen an Gymnasiallehrer gehen, die aber zunächst an anderen Schularten eingesetzt werden sollen: 100 an beruflichen Schulen, 50 an den Gemeinschaftsschulen und 150 an den Real- und Werkrealschulen. Die restlichen 155 Stellen will Schopper für den Ausbau der Krankheitsreserve nutzen.
Besonders betroffen von den fälschlicherweise nicht besetzten Stellen waren der Auswertung der Arbeitsgruppe zufolge im Schnitt mehrerer Jahre vor allem Berufliche Schulen, Gymnasien, sowie Grund-, Haupt- und Werkrealschulen. Regional fehlten vor allem Schulen im Regierungsbezirk Stuttgart Lehrkräfte, die auf dem Papier vorhanden waren.
GEW will massive Investitionen in Bildung
Die Bildungsgewerkschaft GEW forderte als Reaktion auf den Skandal massive Investitionen ins Bildungssystem. Jeder Cent, der auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler gesparte worden seien, müsse in den nächsten Jahren durch Investitionen in gute Bildung zurückgegeben werden, forderte GEW-Chefin Monika Stein.
Der bildungspolitische Sprecher der SPD im Landtag, Stefan Fulst-Blei, monierte vor allem, dass die Jahre 2005 bis 2015 bisher überhaupt nicht untersucht worden seien. „Und selbst für die Zeit ab 2015, für die dank der damals durchgeführten Digitalisierung Daten vorliegen, kann das Kultusministerium nicht erklären, wie die Geisterstellen überhaupt zustande gekommen sind und warum sie so schwanken“, sagte der SPD-Abgeordnete.
Er habe erhebliche Zweifel, dass sich ein solcher Fehler nicht wiederholen kann - „nicht zuletzt deshalb, weil das Kultusministerium trotz der gewaltigen Panne weiter auf das alte, fehlerhafte System setzt“, so Fulst-Blei.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke forderte die Einberufung eines Untersuchungsausschusses und kritisierte die Aufarbeitung des Skandals. „Die zentralen Fragen, wann, warum und wie das Problem entstanden ist, bleiben unbeantwortet“, sagte Rülke.