Von Hans-Christoph Werner
BACKNANG.Von den beiden Brüdern ist nur einer greifbar. Und der eine, ein 31-jähriger Kellner aus Stuttgart, hat sich wegen einer gemeinsam begangenen Prügelei vor dem Amtsgericht zu verantworten. Der andere hat sich in die Heimat der beiden, nach Kroatien, abgesetzt.
Im Oktober vergangenen Jahres gerieten die Brüder zu frühmorgendlicher Stunde in einer Discothek in der Sulzbacher Straße in Streit. Das muss sich wie ein Ringkampf angelassen haben, denn der eine, der Angeklagte, entledigte sich seines Obergewandes. Zur Stimmung mit beigetragen hatte ferner, dass sich beide Kontrahenten zuvor am in der Discothek angebotenen Whisky gütlich getan hatten. Die Auseinandersetzung, die mit einem gegenseitigen Hin- und Herstoßen begann, verlagerte sich nach draußen. Und zwar auf die Straße. Somit waren andere, die die Straße als Fahrweg benutzen wollten, gehalten, auf die Streitenden Rücksicht zu nehmen.
Ein zufällig vorbeikommender Autofahrer beging den Fehler, sogar anzuhalten. Er stieg aus und versuchte, die miteinander Ringenden zu trennen. Aber sein Anliegen wurde von den beiden Brüdern nicht honoriert. Im Gegenteil. Die beiden taten sich nun zusammen und gingen auf den Unbekannten los. Es setzte Schläge, nicht wenige. Weitere Zeugen des Geschehens griffen ein und konnten den Autofahrer vorübergehend aus dem Geschehen ziehen. Doch dann gingen die Brüder erneut auf ihn los. Der Autofahrer ging zu Boden und wurde mit Fußtritten und Faustschlägen bearbeitet. Auch das Fahrzeug des Unbeteiligten wurde in Mitleidenschaft gezogen, die Heckscheibe zertrümmert. Für die Verhandlung vor dem Amtsgericht konnte der Geschädigte leider nicht geladen werden, da er unauffindbar ist. So las der Richter aus dem ärztlichen Attest vor, das der Autofahrer dem Gericht vorgelegt hatte: Prellungen an Kopf, Hand, Ellbogen und im Brustbereich. Eine Woche lang war der Betroffene krankgeschrieben.
Da der Angeklagte nur noch unklare Erinnerungen an das Geschehen hatte, kam den Zeugenaussagen der Polizeibeamten, die die Sache vor Ort aufgenommen hatten, besonderes Gewicht zu. Die beiden Brüder waren aufgrund ihres Alkoholkonsums den Belehrungen der Beamten nur schwer zugänglich. Die Polizisten mussten mit der Ausnüchterungszelle drohen. Nur einer der beiden war zu einem Atemalkoholtest fähig. Schließlich wurde das dem Angeklagten fehlende Obergewand aus der Discothek geholt, und beide wurden in ein Taxi nach Stuttgart gesetzt. Der Taxifahrer erhielt die Instruktion, bei weiteren Streitereien der Brüder sofort anzuhalten und diese aus dem Fahrzeug zu werfen.
Für den Staatsanwalt war der Fall klar. Die Zeugenaussagen hatten die in der Anklageschrift erhobenen Vorwürfe bestätigt. Der Angeklagte hatte sich der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Allerdings sei er durch den Alkoholkonsum in seiner Schuldfähigkeit eingeschränkt gewesen. Der Strafrahmen sei deshalb herabzusetzen. So lautete sein Plädoyer: drei Monate Freiheitsentzug auf Bewährung. Ferner sei von dem Angeklagten die Ableistung von 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit zu fordern.
Der Richter schloss sich in seinem Urteil der Forderung des Staatsanwalts an. Die Bewährungszeit, so hob er hervor, erstrecke sich auf zwei Jahre. In dieser Zeitspanne darf sich der Verurteilte nichts zuschulden kommen lassen, sonst drohe ein Widerruf der Bewährung. „Sie können zeigen“, meinte der Richter, „dass Sie ein anständiger Kerl sind.“ Möge er’s gehört haben.