Uneinigkeit vor allem beim Klimaschutz

Landtagswahl 2021: Die Kandidaten der im Landtag vertretenen Parteien für den Wahlkreis Backnang sprechen mit Experten über die Themenfelder Corona und die Folgen für die junge Generation, Schule und Bildung, Wirtschaft sowie Ökologie und Klimaschutz.

Uneinigkeit vor allem beim Klimaschutz

Per Videokonferenz hat Redaktionsleiter Kornelius Fritz gemeinsam mit vier Experten den Landtagskandidaten auf den Zahn gefühlt. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Bremst die CDU in puncto Klimaschutz? Wollen die Grünen den Verbrennungsmotor verbieten? Welche Alternative bietet die AfD im Umgang mit der Coronakrise? Fragen, die sich womöglich mancher Wähler stellt und auf die wir eine Antwort gefordert haben. Gesprächsrunden finden derzeit vor allem online statt – so auch die Podiumsdiskussion unserer Zeitung mit den Kandidaten zur Landtagswahl 2021 im Wahlkreis Backnang. Georg Devrikis (CDU), Ralf Nentwich (Grüne), Gernot Gruber (SPD), Daniel Lindenschmid (AfD) und Charlotte Klinghoffer (FDP) stellten sich den Fragen von Redaktionsleiter Kornelius Fritz, der sich zur Verstärkung noch vier Experten an Bord geholt hatte. Katharina Csik ist Mitglied im Vorstand des Stadtjugendrings und engagiert sich außerdem im Verein Junge Europäer Rems-Murr. Die 22-jährige Studentin gab einen Einblick, wie die junge Generation von den Auswirkungen der Coronapandemie betroffen ist. Jochen Nossek, Schulleiter an der Gemeinschaftsschule in der Taus in Backnang, stellte seine Expertise im Bereich der Schul- und Bildungspolitik zur Verfügung. Als Vertreter der Unternehmen in der Region war Andreas Holz, Personalleiter und Prokurist bei der Firma Holz Automation in Backnang-Waldrems mit etwa 70 Mitarbeitern, geladen. Beim Thema Ökologie und Klimaschutz brachte Johannes Enssle, Landesvorsitzender beim Naturschutzbund Nabu, einige interessante Punkte in die Diskussion ein.

Corona und die Folgen für die junge Generation

Ausgefallene Praktika und gestrichene Kurse – was Katharina Csik von den vergangenen Semestern erzählt, klingt wenig erbaulich. Die Studentin der Uni Tübingen berichtet, dass sie nur für wenige Klausuren vor Ort war, der Unterricht lief überwiegend online ab. Das habe Vorteile – Csik kann mehr Zeit zu Hause verbringen –, aber vieles falle so auch schwerer. „Im Privaten gibt es viel weniger Möglichkeiten, neue Bekanntschaften zu schließen.“ „Hat die Politik die junge Generation bei ihrer Coronapolitik aus den Augen verloren?“, fragte Redaktionsleiter Kornelius Fritz. „Nein“, antwortete Devrikis. Man habe vieles versucht auf digitalem Weg anzubieten. „Es gab keine andere Möglichkeit.“ Das sieht Lindenschmid anders: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Landesregierung mehr Geld in die Hand nimmt für Tests für Schüler und Studenten.“ Dann, ist er sich sicher, hätte auch ein Regelbetrieb funktioniert. Nentwich bescheinigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine „besonnene und sehr pragmatische Politik“. Nur vom CDU-geführten Kultusministerium habe er ein klares Konzept für Bildungseinrichtungen vermisst, hier seien Vorschläge der Grünen nicht zum Zuge gekommen. Als Landtagsabgeordneter stellte Gruber diese Aussage infrage. Er habe keine Vorschläge der Grünen vernommen, die vom Ministerium ignoriert wurden. Csik warnte davor, dass die Coronapandemie die Gräben zwischen Schülern und Studenten mit guten und jenen mit schlechten Lernvoraussetzungen verstärke. Klinghoffer äußerte Befürchtungen, dass die Anstrengungen im digitalen Sektor nach dem Ende der Coronapandemie wieder verpuffen könnten. Hier müsse in neuen Bahnen gedacht werden, forderte sie.

Bildungs- und Schulpolitik

Quasi nahtlos ging das Gespräch über in Richtung Bildungssektor. Was den Umgang mit digitalen Medien angeht, sei die Lehrerausbildung eine Katastrophe, mahnte Jochen Nossek an. Da helfe es auch nicht, wenn die Ausstattung stimmt – was in vielen Bildungseinrichtungen auch nicht der Fall sei. „Man kann auch mit 30 Tablets einen beschissenen Unterricht machen“, so der Schulleiter. Die Coronapandemie biete nun die Chance, Bildung völlig neu zu denken. Charlotte Klinghoffer sieht vor allem in puncto Digitalisierung Handlungsbedarf. „Der Breitbandausbau ist mangelhaft.“ Auch was die Lernplattformen angehe, sei deutlich Luft nach oben. Nentwich führte als Grund für die schleppend anlaufende Ausstattung der Schulen auch einen zu komplizierten Medienentwicklungsplan an. Auch Gruber betonte, es sei wichtig, alle Schulen gut auszustatten. So marschiere man in Richtung Schulfrieden vor. Denn auch das Bildungssystem wurde kritisiert. Lindenschmid sah vor allem die Gemeinschaftsschulen „extrem bevorzugt“. Er wolle daher künftig Realschulen und Gymnasien stärken. Nossek wies an dieser Stelle auf besondere Verdienste der Gemeinschaftsschule in den Bereichen Integration und Inklusion hin. „Wir tragen dazu bei, dass bildungsbenachteiligte Kinder nicht auf der Straße rumhängen.“ Devrikis sprach sich für die verbindliche Grundschulempfehlung aus. Nur so könne eine Wahl gelingen, bei der auch wirklich das Wohl des Kindes im Vordergrund stehe.

Wirtschaft

Sind die Schulabgänger von heute überhaupt auf das Berufsleben vorbereitet? Mit dieser Frage leitete Fritz zum nächsten Themenschwerpunkt über. Experte Andreas Holz gab an, dass in der Personalauswahl weniger die Zeugnisse eine Rolle spielten, sondern vielmehr Fähigkeiten wie Kommunikation auf Augenhöhe, Sozialkompetenz und Kritikfähigkeit. „Da bewegen wir uns hin“, urteilte Nentwich. Abschlüsse seien dennoch wichtig und notwendig. Gerade was den Strukturwandel in der Wirtschaft angeht, betonte Holz, dass künftig Flexibilität gefragt sei. „Kraftfahrzeuge wird es weiterhin geben, wenn auch vermutlich in einer ganz anderen Art.“ Gruber betonte, dass eine Technologieoffenheit hier entscheidend sei – in der Ausbildung wie auch in der Wirtschaftsförderung auf Landesebene. Auch Devrikis forderte mehr Investitionen in Forschung und in innovativen Bildungszweigen. Klinghoffer sieht die Wirtschaft unter Druck – durch Corona und die Veränderungen in der Automobilbranche. Sie plädierte für den Abbau bürokratischer Hürden und machte zugleich klar: „Das Automobil können wir nicht in die Wüste schicken.“ „Verbotsdiskussionen sind vollkommener Blödsinn“, fand auch Nentwich. Der Fokus müsse jedoch auf Klimaneutralität liegen, die erreiche man langfristig nicht mit dem Verbrenner. Lindenschmid kritisierte, dass man die Digitalisierung verschlafen habe. Für ein gutes Glasfasernetz „müssten wir sehr viel mehr Geld in die Hand nehmen“.

Ökologie und Klimaschutz

Von der Zukunft des Automobils wurde dann auch die Brücke zum Themenblock Klimaschutz geschlagen. Klimakrise und Artensterben stellten die Politik vor Mammutaufgaben, die sicherlich nicht in einer Legislaturperiode abgearbeitet werden könnten, sagte Johannes Enssle. Besonders beim Klimaschutz sah er noch Nachholbedarf. „Das Landwirtschaftsministerium stand immer wieder auf der Bremse“, so Enssle. Devrikis entgegnete dem, dass es Kompromisse brauche. Er wolle Willkür vermeiden. Als Beispiel nannte er eine Pflicht für Solardächer auch bei privaten Gebäuden. Das mache Wohnungsbau noch teurer und sei daher unverantwortlich. Nentwich wiederum führte an, dass man die Mehrkosten durch Förderung gestemmt bekomme und sich die Anlage später von allein bezahlt mache. Er warf der CDU vor, sich ein grünes Mäntelchen umzulegen, um den Grünen Stimmen abzuluchsen. Klimaschutz sei nicht nur Ziel der Grünen, fügte Gruber an. Mit einer SPD-Beteiligung in der Regierung würden die Klimaschutzziele besser umgesetzt, ist er sich sicher. Lindenschmid forderte weniger politische Einmischung im Energiesektor. Er sehe beispielsweise Windkraft im Land unverhältnismäßig forciert. Charlotte Klinghoffer fand das Thema mit einer Konzentration auf Energieerzeugung unnötig eingeengt. Man müsse noch viele weitere Aspekte unter die Lupe nehmen – und seien es kleine Stellschrauben wie Freizeitausflüge mit Firmenfahrzeugen.

Uneinigkeit vor allem beim Klimaschutz

Katharina Csik

Uneinigkeit vor allem beim Klimaschutz

Andreas Holz

Uneinigkeit vor allem beim Klimaschutz

Jochen Nossek

Uneinigkeit vor allem beim Klimaschutz

Johannes Enssle