Unerlaubt Fotos gemacht

Maschinenbauschlosser wegen sexuellen Übergriffs zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt

Unerlaubt Fotos gemacht

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Amtsgericht Backnang hatte sich ein 69-jähriger Maschinenbauschlosser wegen eines sexuellen Übergriffs zu verantworten. Seit vier Jahren ist der Mann aus dem Weissacher Tal mit einer 41-jährigen Pflegefachkraft befreundet. Die Dame ist verheiratet, aber ihr Ehemann ist krank, und das bereitet ihre viele Sorgen. Weil sie schlechte Erfahrungen gemacht hat, ist sie bei sozialen Kontakten vorsichtig. In einer Gaststätte lernt sie den Maschinenbauschlosser kennen.

Es ergeben sich hilfreiche Gespräche bei Bier oder auch Whiskey-Cola, wie sie überhaupt beide dem Alkohol sehr zugetan sind. Weil der Durst ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigt, willigt die Dame ein, noch zu dem Maschinenbauschlosser aufs Zimmer zu kommen. Er wohne gleich nebenan und habe noch was zu trinken. Man redet, sieht fern oder hört Musik. Vor allem aber ist man aufgrund des Alkohols guter Stimmung. Zu gegebener Zeit lässt sich die Dame dann von ihrem Gesprächspartner nach Hause eskortieren, denn sie hat Angst in der Dunkelheit. So trifft man sich über die vier Jahre verteilt etliche Male.

Bei ihrer Aussage vor dem Amtsgericht betont die Dame, dass sie jemanden zum Reden gebraucht habe. Bei ihm, dem Herrn, ging die Fantasie wohl schon etwas weiter. Zumindest brachte er es zu Papier und schrieb ihr Liebesbriefe. Wie viele es waren und wie sie darauf reagierte, bleibt im Dunkeln. Nach einer Affäre war ihr nicht. Sie liebe ihren Mann, betont sie. Den habe sie erst vor Kurzem geheiratet.

Eines Tages befinden sich die beiden Gesprächspartner auf einem Spaziergang. Sie führt einen Hund aus. Und weil die Situation doch allzu lieblich ist, bittet sie, ein Foto von ihr zu machen.

Er tut das. Natürlich will sie die Bilder sehen. Beim gemeinsamen Blick auf das Smartphone muss sie allerdings entdecken, dass es da noch andere Bilder von ihr gibt. Und was für Bilder: Schlafend liegt sie auf dem Bett, halb entkleidet. Und dann auch noch Fotos, die ihren Intimbereich preisgeben. Sie ist entsetzt, entreißt ihm das Smartphone, versucht die Bilder zu löschen, stellt sie wieder her, schickt sie auf ihr eigenes Smartphone. Tage später geht sie zur Polizei und erstattet Anzeige.

Ob K.-o.-Tropfen im Spiel waren, wurde nicht untersucht

Es fällt ihr schwer, sich der Polizeibeamtin anzuvertrauen. Vor allem will sie sicherstellen, dass die Bilder nicht weiterverbreitet werden. Und dann war da noch die eine Nacht, nach der sie im Bett ihres Gesprächspartners entkleidet erwachte. Sie schwört, dass sie sich nicht ausgezogen habe. Im Kopf spürte sie stechende Kopfschmerzen, übel war ihr auch noch. Das führt die Rechtsanwältin, Nebenklägerin für die Dame, zu der Frage an die aussagende Polizeibeamtin, ob da nicht sogenannte K.-o.-Tropfen im Spiel gewesen sein könnten. Das wurde nicht untersucht.

Der Maschinenbauschlosser erzählt die Sache anders. Beide wären sie bei ihren Zusammenkünften immer gut alkoholisiert gewesen. Und da habe er sie irgendwann mal gefragt, ob er sie denn fotografieren dürfe. „Mach, was du willst“, sei ihre Antwort gewesen. Bei ihm verbindet sich das Fotografieren, so der Angeklagte, mit einer erzieherischen Absicht: Er wolle ihr mit den Fotos vorführen, dass sie sich unter Alkoholeinfluss danebenbenehme. Wobei dann nahe gelegen hätte, dass er ihr diese Fotos gezeigt und man auf Besserung hinarbeitet hätte. Was aber nicht geschah. Die erwähnten, kompromittierenden Fotos, das gibt der Angeklagte zu, seien eine „Dummheit“ gewesen.

Für den Staatsanwalt hat sich die Anklage bestätigt. Dass die Dame mit den Fotos einverstanden gewesen sei oder sie auch nur hingenommen habe, hält er für eine Schutzbehauptung. Für ihn ist die Geschädigte glaubhaft. Deren Aussagen bei der Polizei und vor Gericht stimmten überein, viele Details vermochte die Dame mitzuteilen. Auf Rückfragen gab sie spontan Antwort. Die Folgen des Vorfalls seien für die Geschädigte erheblich, sie befinde sich in psychologischer Behandlung. Der Staatsanwalt forderte 15 Monate auf Bewährung. Der Verteidiger des Angeklagten problematisiert die Zustimmung zu gemachten Fotos.

Unbedachte Momente ausgenutzt

Wenn beide alkoholisiert waren: Hat sie verstanden, was er fragte? Hat er verstanden, was sie nicht wollte? Daneben bemängelt er die Ermittlungen der Polizei. Wenn in besagter Nacht K.-o.-Tropfen im Spiel waren, dann wären die im Haar der Dame noch tagelang nachweisbar gewesen. So aber stehe Aussage gegen Aussage. Nach kurzer Beratung urteilt die Richterin: ein Jahr auf Bewährung. Wegen sexuellen Übergriffs und Verletzung des Persönlichkeitsbereichs durch Bildaufnahmen. Auch für die Richterin war die geschädigte Dame glaubhaft. Einwilligungen zu Fotos seien dem Maschinenschlosser nie erteilt worden. Das ergebe sich daraus, dass er die Bilder vor ihr versteckte. Der Angeklagte sei in die Frau verliebt gewesen und habe unbedachte Momente für sich ausgenutzt. Zur Auflage macht sie dem Verurteilten zudem 100 Stunden gemeinnützige Arbeit.