Unfalltod eines Fußgängers: Prozess gegen Autofahrer beginnt

Von Von Kathrin Löffler, dpa

dpa/lsw Tübingen. Ein 18-Jähriger wird angefahren und stirbt. Doch das Verfahren gegen den mutmaßlichen Fahrerflüchtigen wird juristisch schwierig. Nun hat in Tübingen der Prozess begonnen.

Unfalltod eines Fußgängers: Prozess gegen Autofahrer beginnt

Eine Figur der Justitia. Foto: picture alliance/dpa/Symbolbild

Die Beklemmung im Gerichtssaal ist spürbar, als der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski die Aufnahme eines Notrufs abspielen lässt. Ein Mann schildert darin verzweifelt, dass er einen anderen angefahren habe und dieser blau angelaufen neben der Fahrbahn liege. Der Anrufer muss sich seit Donnerstag wegen fahrlässiger Tötung, versuchten Mordes und unerlaubten Entfernens vom Unfallort vor dem Landgericht Tübingen verantworten. Denn laut Anklage informierte er die Rettungskräfte erst anderthalb Stunden nach dem Unfall. Das Opfer starb.

Mitangeklagt ist neben dem 24-jährigen mutmaßlichen Unfallverursacher sein 21 Jahre alter Beifahrer wegen unterlassener Hilfeleistung. Beide schweigen beim Prozessauftakt zu den Tatvorwürfen.

Er und sein Beifahrer hätten zunächst angenommen, ein Wildschwein oder ein Tier überfahren zu haben, sagt der 24-jährige Angeklagte mit tränenerstickter Stimme in der Tonspur seines Notrufs. Erst bei der Rückkehr habe sich herausgestellt, dass es sich um einen Menschen handle. „Soll ich da jetzt hinlaufen?“, fragt er den Mann bei der Rettungsleitstelle mehrfach. Als im Gericht die Aufnahme läuft, hält sich sein Beifahrer weinend die Ohren zu.

Staatsanwältin Silke Lindemann zufolge fuhren sie im vergangenen April von einem Disco-Gesuch in Tübingen zurück in ihren 40 Kilometer entfernten Wohnort. Es war dunkel, beide hatten Alkohol getrunken. Kurz nach dem Tübinger Teilort Hirschau lief ein 18-Jähriger quer über die Landstraße, wurde vom Wagen erfasst und über die Motorhaube in den Grünstreifen geschleudert. Die Windschutzscheibe barst, der 18-Jährige blieb schwer verletzt liegen.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hätten die beiden Männer im Auto erkennen müssen, dass bei dem Zusammenstoß ein Mensch getroffen und schwer verletzt wurde. Dennoch sollen die zwei Angeklagten weiter in ihren Wohnort im Kreis Rottweil gefahren und erst auf Drängen des Fahrzeughalters, ein Schwager des Fahrers, zurückgekehrt sein. Der Notruf erreichte die Rettungsleitstelle um 6.12 Uhr - rund 90 Minuten nach dem Unfall. Der Notarzt konnte das Opfer nicht mehr retten. Reanimationsmaßnahmen blieben erfolglos.

Richter Polachowski kündigt zu Prozessbeginn an, dass die strafrechtliche Aufarbeitung nicht einfach werde. Nach bisherigem Kenntnisstand gehe die Kammer davon aus, dass der heftige Aufprall auch bei sofortiger Information des Rettungsdienstes zum Tod des Opfers geführt hätte. Getrennt von der mutmaßlichen Fahrerflucht müssen seinen Angaben nach der Verkehrsunfall und ein Fehlverhalten des Fahrers bewertet werden. Zur Klärung sind auch rechtsmedizinische Experten und Kfz-Gutachter geladen.

Der mutmaßliche Unfallfahrer war nach dem Unfall sechs Wochen zur psychotherapeutischen Behandlung in einer Klinik. Über seinen Verteidiger lässt er ausrichten, dass er das Geschehene bedauere. Der 24-Jährige selbst sagt, ohne sich zu den Ereignissen in jener Nacht zu äußern: „Hätte ich die Chance, etwas in meinem Leben zu ändern, wäre das dieser eine Tag im April 2019.“