Ungebetene Gäste verprügelt

Brüderpaar aus Backnang angeklagt  –  Verfahren wird wegen vieler Unklarheiten eingestellt

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG/WAIBLINGEN. Es war die Geburtstagsfeier ihres Onkels, die zu später Stunde im November vergangenen Jahres leider etwas missriet. Die beiden Neffen des Geburtstagskinds, 20 und 24 Jahre alt, wohnhaft in Backnang, waren in dieser Schlussphase der Feier aktiv beteiligt. Was ihnen eine Anklage vor dem Schöffengericht in Waiblingen wegen gefährlicher Körperverletzung eintrug.

Alles hatte an jenem besagten Abend ganz einvernehmlich in einer Gaststätte in Neustadt-Hohenacker begonnen. Der eine Onkel feierte, der andere wohnte nicht weit entfernt. So lösten sich die beiden Brüder samt Gefolge vorübergehend aus dem Festgeschehen und machten einen Kurzbesuch bei dem anderen Onkel. Als sie in die Festgesellschaft zurückkamen, hatten sich zwei nicht geladene Gäste eingeschlichen. Weil der eine der beiden dem Onkel bekannt war, hatte dieser die ungebetenen Gäste scheinbar gewähren lassen. Aber die Neuen fielen unangenehm auf. Es gab üppig zu trinken bei der Feier, und alle Beteiligten sprachen dem Whisky, Bier und Wodka gern und reichlich zu. So fiel offenbar die übliche Zurückhaltung, und die beiden neuen Gäste interessierten sich mehr und mehr für die bei der Feier anwesenden Frauen. Der zur Feier gehörende Tanz, bei dem sich auch die Neuen eifrig beteiligten, tat sein Übriges. Als die Augen der Eindringlinge auch auf die Freundin des einen Angeklagten, und gar auf die Mutter der Brüder fiel, ging das jenen beiden denn doch zu weit. Sie beschwerten sich beim Onkel. Dieser komplementierte die Neuen nach draußen. Scheinbar war das nicht genug für die Feiernden. War man so empört über das Verhalten der Ungebetenen, dass man ihnen einen Denkzettel verpassen wollte? Was sich dann vor der Gaststätte abspielte, konnte trotz ausführlicher Aussage der Angeklagten nicht aufgeklärt werden. Auch die vernommenen Zeugen brachten kein Licht in die Sache.

Wer wen geschlagen hat
bleibt ungeklärt

War einer der Gäste drauf und dran den Onkel zu schlagen? Einer der Neffen griff beherzt ein. Was dieser vor Gericht auch freimütig eingestand. Der Neffe brachte den Gast zu Boden und schlug und trat ihn. Haben im Eifer des Gefechts auch andere mitgemacht? Als der ungebetene Gast auf diese Weise seinen Denkzettel erhalten hatten, machten sich die Neffen samt Gefolge mit einem Auto schnell davon. Zeugen des Geschehens aber notierten sich die Nummer des Fahrzeugs, sodass es die Polizei leicht hatte, die Personen zu ermitteln. Besonders irritierend im Vorfeld der Verhandlung – der Richter gab das bekannt – war, dass der Onkel sich brieflich an die Polizei wandte und schlicht und einfach behauptete: Ich war nicht da.

Der Geschädigte und sein Freund, die beiden ungebetenen Gäste, wurden in den Zeugenstand gerufen. Dass er sich bei der Geburtstagsfeier an die anwesenden Frauen herangemacht habe, weist Ersterer weit von sich. Chaotisch sei die Geburtstagsfeier gewesen. Und nicht wenige der Geburtstagsgäste hätten ihn und seinen Freund eskortiert, als sie die Feier auf Bitten des Onkels hin verließen. Draußen hätten ihn dann mehrere Personen geschlagen. Wer konkret konnte er leider nicht mehr angeben. Er weiß nur, dass er Nasenbluten, Ohrenschmerzen und Prellungen an den Rippen davongetragen habe. Und erneut irritierend ist, dass der Geschädigte entgegen dem, was einer der Angeklagten bereits eingestanden hat, angibt: Der andere der beiden Brüder habe ihn geschlagen. Der Freund des Geschädigten sagte ebenfalls als Zeuge aus. Er weiß davon, dass nur einer der Angeklagten geschlagen habe. Als der Richter ihm seine Aussage bei der Polizei vorhält, zieht er sich auf die Aussage zurück: „Es war viel los und es ging sehr schnell.“ Und zuletzt waren da noch Leute vor ihm, sodass man schließen muss, er habe gar keinen Blick auf das Geschehen gehabt.

Nach gut zweistündiger Verhandlung erwägt der Richter, wie weiter verfahren werden soll. Fortsetzung der Verhandlung zu einem neuen Termin? Mit Ladung weiterer Zeugen? Insbesondere mit der Ladung des Onkels? Oder Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen? Die Staatsanwältin gibt sich zunächst etwas widerstrebend. Die Angeklagten beraten sich mit ihren Verteidigern. Der Richter zieht sich mit den beiden Schöffen zur Beratung zurück. Schließlich kommt man zu der Entscheidung: Einstellung des Verfahrens. Der 20-jährige Angeklagte, der sich selbst bezichtigt hat, muss 1000 Euro an eine Hilfsorganisation zahlen. Der andere Angeklagte muss 80 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.