Migration

Union beginnt neue Debatte um Asyl-Obergrenze

Politiker von CSU und CDU wollen nicht mehr als 200 000 Menschen pro Jahr aufnehmen. Die Ampel lehnt das geschlossen ab.

Union beginnt neue Debatte um Asyl-Obergrenze

Die grüne Migrationsexpertin Filiz Polat warnt vor „Kampagnen auf dem Rücken Geflüchteter.

Von Norbert Wallet

Vor dem Hintergrund deutlich steigender Asylbewerber-Zahlen belebt die Union eine alte Debatte wieder neu: Soll es für den Zuzug nach Deutschland eine jährliche Obergrenze geben? Es mehren sich bei CDU und CSU Stimmen, die das für sinnvoll halten.

Langjährigen politischen Beobachtern kommt das sehr bekannt vor: Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte 2016 eine feste Obergrenze von 200 000 gefordert. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte das vehement abgelehnt. Der Streit hatte auch den Bundestagswahlkampf 2017 erheblich belastet. Er führte nach der Wahl im Oktober 2017 zu einem gewundenen Kompromiss mit der CDU: „Wir wollen erreichen, dass die Gesamtzahl der Aufnahmen aus humanitären Gründen (Flüchtlinge und Asylbewerber, subsidiär Geschützte, Familiennachzug, Relocation und Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwillige Ausreisen künftiger Flüchtlinge) die Zahl von 200 000 Menschen im Jahr nicht übersteigt.“ Aus Seehofers markige Forderung wurde eine bloße Willensbekundung. Die Debatte aber verstummte.

Die meisten Asylbewerber kommen aus Syrien und Afghanistan

Nun gewinnt sie wieder an Fahrt. „200 000 ist eine Grenze, die wir bereits vor Jahren genannt haben. Unsere Erfahrung zeigt, dass wir auf Dauer nicht in der Lage sind, mehr Menschen in Deutschland jährlich zu integrieren“, sagt Thomas Kreuzer, der CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag. Er erhält Zuspruch aus der Union. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, sagte, es müsse das Ziel sein, „durch Begrenzungen deutlich unter 200 000 Asylanträge pro Jahr zu kommen“. Auch Sachsens CDU-Fraktionschef Christian Hartmann pflichtete bei: „Es ist nicht möglich, dauerhaft 200 000 Menschen jedes Jahr aufzunehmen.“

Hintergrund der Debatte sind die wieder kräftig ansteigenden Asylbewerber-Zahlen. 2022 stellten 217 774 Menschen in Deutschland Erstanträge auf Asyl. Das bedeutet eine Steigerung der Erstanträge im Vergleich zum Vorjahr um fast 47 Prozent. Die meisten Schutzsuchenden kamen im vergangenen Jahr aus Syrien (70 976 Erstanträge), Afghanistan (36 358), der Türkei (23 938) und dem Irak (15 175). Das stellt die Kommunen vor enorme Probleme, da zu den Asylbewerbern die eine Million Geflüchteten aus der Ukraine hinzukommen.

Politisch ist die Debatte chancenlos

Politisch ist die Debatte um eine verbindliche Obergrenze chancenlos. Geschlossen wie selten lehnen die Parteien der Ampelkoalition ein solches Vorhaben ab. Die grüne Migrationsexpertin Filiz Polat empfiehlt im Gespräch mit unserer Zeitung die aktuellen Zahlen genauer zu analysieren: 2021 seien schon wegen der Pandemie weniger Geflüchtete zu uns gekommen als 2022. Zudem habe es einen Rückstau von Asylanträgen von Menschen aus Syrien gegeben, der 2022 abgearbeitet wurde. Zudem habe Deutschland Zehntausende bedrohte Menschen aus Afghanistan aufgenommen. „Unser Grundrecht auf Asyl ist nicht verhandelbar“, sagt Polat. Statt „Kampagnen auf dem Rücken Geflüchteter“ brauche es eine „gemeinsame europäische Anstrengungen zur besseren Steuerung, schnellere Asylverfahren und Maßnahmen zur Integration von Anfang an“.

„Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung“

Der FDP-Innenpolitiker Stephan Thomae weist auf ein Problem einer starren Obergrenze hin: Durch sie „könnte es passieren, dass Menschen nach Deutschland kommen, die hier keine Perspektive haben, aber Menschen, die wirklich unseren Schutz bedürfen, weil sie etwa vor Krieg fliehen, ausgeschlossen werden“,sagte er unserer Zeitung. „Das darf nicht passieren.“ Um die Kommunen zu entlasten brauche es keine Obergrenze, sondern eine wirksame Beschleunigung der Asylverfahren und eine schnelle Rückkehr abgelehnter Bewerber. Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Sebastian Hartmann, lehnt die Obergrenze ab: „Wir stehen auch weiterhin zu unserer humanitären Verantwortung in der Welt, die nicht beim Angriff Putins auf die Ukraine endet“, sagte er unserer Zeitung. „Für die Unionsfraktion scheinen das Asylrecht und unsere internationalen Verpflichtungen jetzt plötzlich nicht mehr zu gelten.“