„Unser Erfolg ist, wenn wir keinen haben“

Unterwegs mit dem Ordnungsamt: Geschwindigkeitsmessgeräte sind in Backnang und der Umgebung fast täglich im Einsatz

Es sind nicht immer die lieben Worte, die einem Beamten begegnen, der seinem Beruf nachgeht und mobile Blitzer aufbaut: „Haben Sie nichts Besseres zu tun?“ – ein Satz, der Ralph Westermayr vom Ordnungsamt Backnang bekannt vorkommt. Sein Chef, Teamleiter Hans-Peter Götz, hat ihn an diesem Tag für den Messdienst eingeteilt. Die Blitzanlage hat er an der Einfahrt des Alten- und Pflegeheims Staigacker aufgestellt – einer der Schwerpunkte.

„Unser Erfolg ist, wenn wir keinen haben“

Direkt am Straßenrand ist der Einseitensensor aufgebaut. Wer zu schnell fährt, wird erfasst. Fotos: A. Becher

Von Yvonne Weirauch

BACKNANG. Der grün lackierte Bus steht unscheinbar auf einem Parkplatz. Ralph Westermayr sitzt darin – an einem kleinen Schreibtisch vor einem Laptop. Vor dem Bus steht ein kleines Höckerchen mit einem Koffer – die Verbindung zur Kamera verläuft kabellos über WLAN. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht die eigentliche Blitzanlage, direkt hinter dem Schild, das auf das Pflegeheim Staigacker verweist. Ein paar Meter weiter ist die Kamera postiert.

Vor etwa einer halben Stunde hat der Ordnungsbeamte das Messgerät aufgestellt. Alles genau nach Vorschrift. Dem Backnanger Ordnungsamt stehen zwei mobile Messgeräte zur Verfügung, die so gut wie jeden Tag im Einsatz sind. Obwohl im Volksmund oft von Radarfallen die Rede ist, arbeiten beide mit anderen Technologien. Die eine misst die Geschwindigkeiten der heranfahrenden Autos mithilfe eines Infrarotstrahls, die andere mit einer Lichtschranke. Welches Gerät wann und wo zum Einsatz kommt, ist abhängig von den Gegebenheiten vor Ort. Mit beiden müssen sich die Beamten richtig gut auskennen. Die Betriebsanleitung der Geräte müsse genau befolgt werden, dafür seien die Mitarbeiter bis aufs kleinste Detail geschult, betont Gisela Blumer, Leiterin des Backnanger Rechts- und Ordnungsamts. „Keiner geht da raus, wenn er das Vorgehen und das Gerät nicht zu 100 Prozent beherrscht.“

Fotolinien werden mit

Sprühkreide aufgetragen

Der Messbedienstete muss alles genau protokollieren. So auch an diesem Nachmittag. Ein flacher, mit fünf Linsen bestückter Kasten – der sogenannte Einseitensensor – steht versteckt in der Nähe der Bushaltestelle. Im Hightechgerät stecken fünf Helligkeitssensoren. Die beiden äußeren und der mittlere Sensor, jeweils im Abstand von 25 Zentimetern angebracht, sind im rechten Winkel über die Fahrbahn gerichtet. Rollt ein Fahrzeug vorüber, wird von allen drei Sensoren kurz hintereinander ein Helligkeitsprofil erfasst, digitalisiert und gespeichert. Aus dem zeitlichen Versatz der drei Profile wird die Geschwindigkeit ermittelt. Die Sensoren zwei und vier des Geräts wiederum sind so eingestellt, dass sie den Abstand des Fahrzeugs zum Gerät messen.

Ralph Westermayr hat die Fahrbahn vermessen: „Heute blitzen wir nur einseitig.“ Bedeutet: Für die Autofahrer, die den Rückstau auf der B14 Richtung Oppenweiler umfahren wollen und den Weg oberhalb am Pflegeheim vorbei wählen, ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Als er die Fotolinien mit Sprühkreide auf den Asphalt aufgetragen habe, sei er dabei beobachtet worden, erzählt der Ordnungsbeamte: „Die Bürger wissen dann schon, was ich hier vorbereite.“ Die Kamera steht rund zehn Meter von der Messlinie entfernt. Westermayr: „Der 45-Grad-Winkel muss stimmen – dieser Winkel gilt nur, wenn wir einseitig messen.“ Die Digitalkamera wird vom Bus aus gesteuert. „Es kann um eine Nasenlänge gehen“, vergleicht Hans-Peter Götz, Leiter des Vollzugsdiensts, das Blitzvorgehen mit der Pferderennbahn, bei der die Kamera bei einer nicht eindeutigen Entscheidung den Sieg klar verdeutlicht.

An diesem Tag herrschen schweißtreibende Temperaturen. Das Fahrzeug steht im Schatten. „Am Morgen stand ich in der Eugen-Adolf-Straße in der prallen Sonne“, erzählt Westermayr. „Hier ist es jetzt auszuhalten.“ Bei jedem Wetter stehe man mit den Anlagen draußen. Es sei ein Outdoor-Job. Auch Einsätze im Winter sind Westermayr gut bekannt. Da dauere der Aufbau manchmal etwas länger – man brauche Handschuhe.

Die Beamten wissen, dass die „Insider“ den grünen Bus kennen. „Aber vom Tarnen halten wir nichts. Wir passen uns den Örtlichkeiten an. Denn ein Raser sieht uns auch nicht, wenn wir sichtbar dastehen, der ist fixiert auf die Straße“, sagt Hans-Peter Götz. „Es kann uns doch gar nichts Besseres passieren, wenn auf die Bremse gedrückt wird, wenn die Autofahrer den Bus entdecken“, fügt er hinzu: „Unser Erfolg ist es, wenn wir keinen haben.“

Das Backnanger Rechts- und Ordnungsamt entscheidet, wann und wo Geschwindigkeitskontrollen in der Stadt und in den dazugehörigen Gemeinden durchgeführt werden. „Wir haben keinerlei Vorgaben des Innenministeriums oder des Regierungspräsidiums“, sagt Gisela Blumer. Bei den Geschwindigkeitskontrollen der Stadt sei man im engen Austausch mit dem Polizeipräsidium Aalen und stimme sich ab: „Wir ergänzen uns.“ Geldmacherei, Abzocke, Wegelagerei – Blumer kennt die Vorwürfe, die meist von denjenigen erhoben werden, die einen Bußgeldbescheid wegen zu schnellen Fahrens erhalten haben. Sinn und Zweck der Geschwindigkeitskontrollen sei aber nicht, möglichst viel Bußgeld zu kassieren, versichert sie: „Uns geht es um die Verkehrssicherheit, und das ist auch vielen Bürgern ein wichtiges Anliegen.“ Ganz bewusst werde entschieden, wo man die mobilen Blitzer aufstelle. Hans-Peter Götz bestätigt das. Fast täglich erreichen ihn Anrufe und E-Mails von Bürgern, die sich Geschwindigkeitskontrollen an bestimmten Stellen wünschen. Man nehme alles ernst, könne aber nicht alle „Wünsche“ erfüllen: „Wir gehen dem im Rahmen unserer Möglichkeiten nach“, sagt Blumer. Darüber hinaus wertet die Stadt jedes Jahr gemeinsam mit dem Polizeipräsidium in Aalen die Unfallstatistik aus, um Stellen aufzuspüren, an denen es besonders häufig wegen zu hoher Geschwindigkeit gekracht hat. „Unfallschwerpunkte haben bei unseren Messungen Priorität“, sagt Blumer. Auch vor Schulen finden regelmäßig Kontrollen statt. „Wir haben die Verkehrslage im Auge und kontrollieren auch Strecken, die eigentlich nicht auffällig sind.“ Im vergangenen Jahr wurden 800 Messungen durchgeführt und rund 14500 Überschreitungen festgestellt. Hans-Peter Götz teilt den Messdienst in den jeweiligen Dienstplan ein, wöchentlich in Abstimmung mit der Ordnungsamtsleiterin.

Fußgänger warnen Autofahrer

mit Handbewegung

Mit einem Blick auf die B14 sagt Götz: „Na heute rollt der Verkehr.“ Rund zwei Stunden wird sein Kollege Westermayr die Blitzstellung einbehalten. Zwei Autos sind gerade um die Kurve gebogen: „Was ist da los? Die schleichen mir heute zu sehr“, fragt sich Westermayr. Er lacht. „Es ist aber erfreulich, wenn so achtsam gefahren wird.“ Die Anlage sei an diesem Tag so ausgerichtet, dass die Autofahrer ab einer Geschwindigkeit von 39 Stundenkilometern gemessen werden. Ein schwarzes Fahrzeug rauscht an. Westermayr weiß: Die Kamera wird auslösen. Er behält Recht. Der Laptop zeigt es an: 49 Stundenkilometer. Das Foto wird gespeichert. Den Fahrer erwartet jetzt ein Verwarngeld von 25 Euro.

Wieder ist ein Fahrzeug aus der Ferne wahrzunehmen. Zur gleichen Zeit läuft ein Fußgänger die Straße entlang. Mit einer offensichtlichen Handbewegung mahnt er den Autofahrer an, langsamer zu fahren. Ralph Westermayr schmunzelt: „Auch damit erreichen wir unser Ziel: Der Autofahrer bremst ab.“ Götz unterstreicht die Aussage mit einem Beispiel: „Eine bessere Werbung gibt es doch nicht, wenn man abends am Stammtisch erzählt, dass wir heute am Staigacker gestanden haben. Da fährt man dann eventuell am nächsten Tag angepasst.“ Wieder nähern sich drei Autos: 32, 35, 36 Stundenkilometer. „Da gibt es nichts zu meckern.“ Dann entdeckt der Beamte einen roten Kleinwagen. Westermayr guckt kritisch, schüttelt dann aber mit dem Kopf. Zwar hat der Autofahrer die geforderten 30 Stundenkilometer nicht auf dem Tacho, wird aber mit seinen 38 Stundenkilometern nicht von der Kamera gefasst: „Gut gefahren“, kommentiert der Ordnungsbeamte und erzählt, dass es durchaus auch Menschen gebe, die nach wenigen Metern umdrehen, den Bus ansteuern und den Beamten fragen, ob sie geblitzt worden seien. Westermayr fragt in solch einem Fall dann: „Haben Sie eine Kamera und einen Blitz gesehen?“ Wenn die Antwort dann „Nein“ lautet, sagt der Ordnungsbeamte: „Na dann ist doch alles gut.“ Als fast anderthalb Stunden vorbei sind, kommt Eckart Jost, der Geschäftsführer des Alten- und Pflegeheims Staigacker, auf den Parkplatz und begrüßt den Ordnungsbeamten freundlich. Jost befürwortet diese Kontrollen. Ihm ist bekannt, dass hier des Öfteren Messkontrollen durchgeführt werden: „Gerade hier vor dem Pflegeheim sind die Menschen mit dem Rollator oder Rollstuhl unterwegs, sie können nicht so schnell reagieren, wenn einer angerast kommt. Zudem haben wir hier eine Bushaltestelle.“

Ralph Westermayr signalisiert seinem Chef, dass er die Anlage demnächst abbauen wird. Hans-Peter Götz nickt: „Feierabend für heute.“

„Unser Erfolg ist, wenn wir keinen haben“

Wenn Ralph Westermayr die Zeit hat, wertet er die Daten der geblitzen Fahrzeuge gleich aus. Dieses Fahrzeug wurde „nur“ mit 37 Stundenkilometern vermerkt, also nicht geblitzt.

„Unser Erfolg ist, wenn wir keinen haben“

Die Kamera steht rund zehn Meter von der Messlinie entfernt.