Unterricht beginnt, Probleme bleiben: Lehrermangel

dpa/lsw Stuttgart. Bald geht die Schule wieder los. Aber vielerorts fehlen auch in diesem Jahr Lehrer. Verbände sprechen von einem wachsenden Frust an den Schulen. Wie sehr kann Kultusministerin Eisenmann gegensteuern?

Unterricht beginnt, Probleme bleiben: Lehrermangel

Jacken und Taschen hängen in einer Grundschule an einer Garderobe. Foto: Sebastian Gollnow/Archivbild

Der Lehrermangel ist auch im neuen Schuljahr das bestimmende Thema an den Schulen. Die Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart: „Der Lehrermangel bereitet Schulleitungen und Lehrkräften die größten Sorgen.“ Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) beklagte, es könne höchstens der Pflichtunterricht abgedeckt werden. Das Kultusministerium räumte Probleme bei der Besetzung von Stellen ein, wies die Verantwortung dafür aber von sich. Es verwies auf Fehlplanungen der Vergangenheit.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sagte, auch im aktuellen Jahr sei die Lage auf dem Bewerbermarkt angespannt. „Wir suchen noch Lehrkräfte für die Grundschulen, gerne auch Gymnasiallehrkräfte, aber auch Lehrerinnen und Lehrer für weiterführende Schulen in weniger gut versorgten Regionen.“ Wiederholt hatte Eisenmann die grün-rote Vorgängerregierung für die Probleme verantwortlich gemacht. Wie viele Lehrer jetzt fehlen, ließ die Ministerin wegen der derzeit noch laufenden Einstellungsverfahren zunächst offen. Am Donnerstag (5.9.) will sie in Stuttgart den aktuellen Stand der Dinge präsentieren.

Für rund 1,5 Millionen Schüler an den öffentlichen und privaten, den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen im Südwesten beginnt am 11. September der Unterricht wieder. Nach vorläufigen Zahlen sind darunter im neuen Schuljahr, das rein formal betrachtet schon seit dem 1. August läuft, rund 94 000 Schulanfänger. Wann genau ihr erster Schultag ist, entscheiden die Schulen aber selbst - das Land macht da keine Vorgaben. Viele Schulen legten den Einschulungstag in diesem Jahr auf den Samstag (7.9.), damit möglichst viele Eltern teilnehmen könnten. Im Südwesten unterrichten nach letzten Zahlen des Ministeriums aus dem Juli 109 323 Lehrer an öffentlichen und privaten Schulen.

Der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Carsten Rees, meinte, vor allem den Grundschulen gehe es richtig schlecht. Mit ihrer finanziellen Ausstattung stünden sie mit dem Rücken zur Wand. Wenn dort Unterricht ausfalle, falle dies nicht so deutlich auf, weil die Kinder nicht einfach nach Hause geschickt werden könnten und sie irgendwie mitbetreut würden. Nach den Worten des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft (Arge) der Elternbeiräte in Stuttgart, Michael Mattig-Gerlach, steht weiter eine Klage von Eltern gegen das Land Baden-Württemberg wegen der Unterrichtsausfälle im Raum - hier geht es aber um die Gymnasien. Die Entscheidung, ob Eltern vor Gericht ziehen wollen, soll nach seien Worten im November fallen.

Eisenmann ist auch Spitzenkandidatin der CDU zur Landtagswahl 2021. Mit Spannung wird erwartet, wie viele zusätzliche Lehrerstellen sie bei den grün-schwarzen Verhandlungen über den Doppeletat für die Jahre 2020/21 rausschlagen kann. Beantragt hat sie mindestens 1080 zusätzliche Stellen. Sie begründete die Zahl vor den Sommerferien unter anderem mit dem laufenden Ausbau der Ganztagsschule, des Ethikunterrichts und der Informatik. Zudem hängt der Ausgang von grün-schwarzen Streitthemen vor allem auch am Geld. Dazu zählt die versprochene Entlastung von Schulleitern und die ebenfalls zugesagte Förderung von flexiblen Ganztagsangeboten an den Schulen.

Nach Angaben des Ministeriums waren Ende Juli 217 Schulleiterstellen in Baden-Württemberg vakant. In rund 70 Fällen sei zu dem Zeitpunkt aber schon ein Besetzungsverfahren gelaufen. Es gibt im Südwesten rund 4500 öffentliche Schulen. Nach einer im Oktober 2018 veröffentlichten Statistik der Kultusministerkonferenz hat Baden-Württemberg voraussichtlich noch bis zum Jahr 2022 mit einem Lehrermangel zu kämpfen. Das betrifft vor allem die Grundschulen.

GEW-Chefin Moritz geht die Behebung der Mängel nicht schnell genug. Sie kritisierte: „Seit zwei Jahren hat die Kultusministerin ein Konzept zur Stärkung von Schulleitungen versprochen.“ Jetzt starteten die Schulleitungen in die Vorbereitungen für das neue Schuljahr. „Sie sind frustriert, dass die dringend notwendige Unterstützung durch ihren Arbeitgeber weiter ausbleibt.“ Auch der VBE berichtete von einer gewissen Resignation unter Lehrern. Sie seien von der Politik enttäuscht, weil Versprechen nicht eingehalten worden seien. So sei das versprochene Zwei-Pädagogen-Prinzip in inklusiven Klassen für die meisten Schulen in weiter Ferne. Bei der Inklusion handelt es sich um die Einbeziehung von behinderten Kindern in den regulären Unterricht.

Der Bildungsexperte der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Fulst-Blei, kritisierte: „Die Schulen haben nichts davon, wenn Eisenmann ihre Vorgänger der Planungsunfähigkeit bezichtigt.“ Dass die Ministerin die Streichung von mehr als 1000 Lehrerstellen im Jahr 2017 nicht zurückgenommen habe, sei ein großer Fehler.