Unterstützung für eine nachhaltige Mobilitätsform im Aufwind

„Radspaß – sicher e-biken“ feiert Auftakt mit Landesverkehrsminister Winfried Hermann und Rems-Murr-Landrat Richard Sigel in Weissach im Tal.

Unterstützung für eine nachhaltige Mobilitätsform im Aufwind

Winfried Hermann bei einer Linksabbiegeübung. Foto: R. Steinemann

Von Heidrun Gehrke

WEISSACH IM TAL. Sicheres Fahrradfahren mit dem E-Bike braucht Übung. Deshalb soll es überall im Land kostenlose Fahrsicherheitskurse, finanziert vom Verkehrsministerium, geben. Im Rahmen des jetzt losgetretenen Kooperationsprojekts „Radspaß – sicher e-biken“ sollen Trainer speziell für Pedelecs ausgebildet werden. Die ersten Trainer haben im Rems-Murr-Kreis bereits ihre Arbeit aufgenommen.

Die 19-jährige Tina Fröhlich aus Berglen hat sich im Juli zur Trainerin für Fahrsicherheitskurse mit dem Pedelec ausbilden lassen und zeigt bei der offiziellen Auftaktveranstaltung von „Radspaß – sicher e-biken“, wie sich Zweiradler mit E-Unterstützung durch den Testparcours bewegen sollen, um die Übungen durchzugehen. Es geht um typische Alltagsaufgaben als Fahrradfahrer, die Koordination und korrekte Kraftverteilung fordern: eine typische Linksabbiegersituation, Fahren um Kurven und über eine Wippe, Bremsübung mit abrupter Vollbremsung. „Beim Ausprobieren erhält man die eigene körperliche Rückmeldung und spürt, ob man unsicher ist oder sich zurechtfindet in den Situationen“, erläutert Gundolf Greule, Projektmanager des Württembergischen Radsportverbands (WRSV), warum sich jeder Zeit für ein Sicherheitstraining nehmen sollte, der entweder bereits mit dem E-Bike unterwegs ist oder sich mit dem Gedanken trägt, bald zur boomenden Zahl der motorunterstützten Fahrer zu zählen.

Mehr als jedes vierte 2019 in Deutschland verkaufte Rad hatte einen Motor, informiert der Pressedienst Fahrrad auf seiner Website. Das Jahr 2020 wird den Aufwärtsschub voraussichtlich weiter beflügelt haben. „Viele haben dank Corona das Fahrrad als praktisches gutes Verkehrsmittel entdeckt. Das Radfahren ist der Gewinner der Coronazeit“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann, der von einem „Meilenstein“ für die nachhaltige Mobilität spricht: „Wenn man einmal drauf gesessen ist, will man nicht mehr zurück.“ Doch viele Autofahrer passen ihr Fahr- und Bremsverhalten noch nicht den gestiegenen Möglichkeiten an. „Sie können es nicht glauben, dass Räder so schnell sein können“, versichert Hermann. Umgekehrt unterschätzten ungeübte Radler, denen Routinen und Gewohnheitsaufgaben des Radfahrens nicht geläufig seien, die eigene Geschwindigkeit.

Nach Zahlen des Statistischen Landesamts erlagen im ersten Halbjahr 2020 insgesamt 25 Fahrradnutzer direkt oder innerhalb von 30 Tagen ihren Verletzungen, dies waren fünf Personen weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Über drei Viertel (77 Prozent) der verunglückten Fahrradnutzer waren mit einem Fahrrad ohne Elektroantrieb unterwegs, ein knappes Viertel (23 Prozent) entfiel entsprechend auf die Fahrer von Pedelecs. Infolge der steigenden Zahl der Nutzer ist nach Information Hermanns langfristig geplant, den Sicherheitsaspekt bereits beim Kauf stärker zu verankern, etwa indem die Fahrradhändler ein Sicherheitsgeschenk machen in Form eines Gutscheins für ein Sicherheitstraining. Bis es selbstverständlich ist wie regelmäßiges Kette ölen sollen Kurse das Sicherheitsbewusstsein erhöhen.

Trainerin Tina, die sagt, selbst noch kein E-Bike zu besitzen, hat seit ihrer Ausbildung bis jetzt einen Kurs gegeben und Ideen für mehr Fahrsicherheit im Straßenverkehr und Know-how zum Fahrrad vermittelt. „Ich helfe den Teilnehmern, sich voll und ganz auf ihr Fahrrad zu konzentrieren, um sich beim Fahren sicherer zu fühlen“, erklärt sie ihre neue Aufgabe, über deren Nutzen sie sagt: „Ich war sehr überrascht, dass die Zielgruppe wirklich so groß ist, die den Kurs besucht und sich gefordert fühlt.“ Sie berichtet von einer Frau, die sich den Arm beim Radfahren gebrochen hatte. „Sie sagte, sie sei eine geübte Fahrerin, die nun aber Unsicherheiten spürt.“

Jedem könne ein Fahrsicherheitskurs etwas bringen – ob geübt oder Neueinsteiger. Wobei der Personenkreis der Neulinge besonders ins Blickfeld gerückt sei, wie Klaus Maier vom Württembergischen Radsportverband erklärt. „Das Radfahren hat starken Rückenwind bekommen durch das E-Bike.“ Der Verband strebe an, dass der Breitensport Fahrradfahren einen „ganz anderen Stellenwert“ bekommt, dass sich noch mehr Menschen dafür begeistern und zugleich die Sicherheit steigt.

Harald Höflich aus Berglen plant den Umstieg auf ein Pedelec und nutzt den Tag, um mit einem vom Radspaß-Team zur Verfügung gestellten Leih-E-Bike durch die Hindernisse zu kurven und sich mit dem Bremsverhalten bei einer abrupten Vollbremsung vertraut zu machen. „Es ist wichtig, die Besonderheiten kennenzulernen, die einem selbst nicht so auffallen würden, auch wenn man schon ewig Rad fährt“, sagt er nach der ersten Runde durch den Testparcours. „Je mehr Details vor Augen geführt werden, desto besser kann man sich auf den Straßenverkehr konzentrieren, was auch das Unfallrisiko reduziert.“ Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), der Württembergischen Radsportverband und das Verkehrsministerium verfolgen dasselbe Ziel und haben sich dafür im Projekt „Radspaß – sicher e-biken“ zusammengetan: „Wir möchten das Fahrrad für alle sicherer machen, unter dem Aspekt, dass es als Teil der Mobilität immer öfter genutzt wird, die Leute Spaß dabei haben und sicher ankommen“, sagt Gundolf Greule. Das Land steuert finanziellen „Rückenwind“ in Höhe von 800000 Euro bei für das Sicherheitsnetz E-Bike, das die Trainer ausbilden soll. Damit soll ein Rückgang der Unfallzahlen erreicht werden.

Gudrun Zühlke: „Das Radfahrüben in die Breite tragen“.

Getragen von der Sorge um die Radfahrer äußert sich auch Gudrun Zühlke, Landesvorsitzende ADFC: „Wir wollen Fahrradfahrer in die Lage versetzen, dass sie ihr Rad gut beherrschen, um gefährliche Situationen auszugleichen, die von anderen Verkehrsteilnehmern oder von der Infrastruktur ausgehen.“ Heißt für Gudrun Zühlke, das „Radfahrüben in die Breite“ zu tragen. Sie erklärt, wie das konkret aussehen soll: „So viele Trainer ausbilden, dass in jedem Landkreis mindestens ein Kurs pro Monat stattfinden kann.“ Pro Landkreis sollen 15 bis 20 Trainer an den Start gehen. 46 Trainer seien in den Pilotlandkreisen Tübingen, Rems-Murr, Böblingen und Konstanz bis jetzt ausgebildet worden, 150 Kunden seien mit den Kursen erreicht worden.