Unterwegs in der Stadt, die niemals schläft

Beatrice Faßbender und Ulrich Rüdenauer zeigen im Backnanger Bürgerhaus zum Auftakt des literarischen Salons ein Bild von New York

Unterwegs in der Stadt, die niemals schläft

Lesen abwechselnd Texte über New York: Beatrice Faßbender und Ulrich Rüdenauer. Foto: J. Fiedler

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Auf Erkundungstour durch die Stadt, die niemals schläft, ging es zum Auftakt der neuen Saison in der Reihe „Der literarische Salon“ im Backnanger Bürgerhaus. Beatrice Faßbender und Ulrich Rüdenauer lasen Texte aus der Anthologie „New York: Eine literarische Einladung“, ergänzt durch Musik und Infos über die quirlige Metropole.

Mit 19 Jahren, bei ihrer ersten Reise nach New York, hat sie die Leidenschaft für die Stadt gepackt, seitdem ist sie häufig dort gewesen. Die Übersetzerin und Lektorin hat als Herausgeberin der Anthologie Texte verschiedener Autoren zusammengestellt, die durch alle fünf Stadtbezirke, die sogenannten Boroughs, führen. Es sei eine höchst subjektive Auswahl, unterstreicht sie. Kriterien waren, dass die Autoren eine beträchtliche Zeit in New York gelebt haben und die Texte nach 1945 entstanden sind.

Fotos aus New York werden im gut besuchten Foyer des Bürgerhauses auf eine Leinwand projiziert – Menschen auf der Straße, Gebäude, Alltagssituationen. Der Journalist Ulrich Rüdenauer hat die Aufnahmen gemacht, er unterstützt Faßbender bei der Lesung und hat die Musik ausgewählt. „New York, New York“, ursprünglich von Frank Sinatra, erklingt in einer jazzigen Version von Cat Power.

New York ist eine Stadt in stetigem Wandel mit unzähligen Nationalitäten, so Faßbender. „Das Erste, was einem Ausländer in New York auffällt, ist, dass jeder ein Ausländer ist“, heißt es in einem Essay des Schriftstellers Eliot Weinberger, den Faßbender als den „New Yorker schlechthin“ bezeichnet. Andy Warhol ist in erster Linie als Pop-Art-Künstler bekannt, aber er ist auch Autor. Aus seinem Buch „Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück“ lesen Rüdenauer und Faßbender abwechselnd. Es geht darum, dass alles in New York einen Eigengeruch habe: das Eisenwarengeschäft, Importläden mit Waren aus verschiedenen Ländern, Hot-Dog-Wagen.

Eine Art literarischer Reiseführer soll die Anthologie sein, um New York zu entdecken oder wiederzuentdecken. Mit einem Gedicht von Langston Hughes geht es nach Harlem. Die Vorfahren des afroamerikanischen Dichters waren Sklaven, aber auch weiße Sklavenhalter befanden sich darunter, erfahren die Besucher. Der Traum von Gleichberechtigung wird thematisiert in den Zeilen, die sich an Neuankömmlinge in New York richten.

Zwischendurch erzählt Faßbender vom Alltag in New York, etwa von den horrenden Mietpreisen. Die Silhouette Manhattans verändere sich. Neue „merkwürdige“ Hochhäuser entstehen, die in der Grundfläche sehr schmal sind. Der Ausdruck „Dubai mit Schneestürmen“ wurde geprägt. Nur die ganz Reichen können sich ein Apartment am Central Park leisten. Von einem Morgen im Park handelt ein kurzes Gedicht von Charles Reznikoff, und Helene Hanff hat einen Sommer im Central Park beschrieben.

Die literarische Reise führt zu einem Spaziergang im Schneesturm auf der Sixth Avenue. Der Song „Hard Times in New York“ von Bob Dylan wird eingespielt. Die Musik ergänzt die Texte perfekt und gibt dem Publikum Zeit, die Lesungen nachklingen zu lassen. Mit der Schriftstellerin Grace Paley geht es nach Greenwich Village und von dort nach East Village. Früher war dieser Stadtteil sehr jüdisch geprägt, weiß Faßbender. Mark Russ Federman hat ein Buch über koschere Gerichte und Geschichten aus einem jüdischen Laden geschrieben. „Als großer Schmuser wird man geboren“, heißt es darin, wobei schmusen die Bedeutung von plaudern hat. Amüsant ist die Geschichte von David Sedaris über einen Restaurantbesuch mit Haute Cuisine in Soho, bevor es nach Staten Island geht. Über Brooklyn endet die literarische Reise schließlich in Queens, wo viele Reisende New York vom Flughafen John F. Kennedy aus verlassen. „Nimm dir einen Moment, um zurückzublicken, was du nicht gesehen hast“, schreibt der Autor Colson Whitehead. Dem Publikum wurde eine interessante Entdeckungstour aus unterschiedlichen Blickwinkeln geboten.