Verband: Negativzinsen befeuern gesellschaftlichen Konflikt

dpa/lsw Stuttgart. Der Präsident des baden-württembergischen Industrieverbands LVI, Heinrich Baumann, sieht Deutschland angesichts konstant niedriger Zinsen auf einen gesellschaftlichen Konflikt zusteuern. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) trage entscheidend dazu bei, dass die Unterschiede zwischen einzelnen Gesellschaftsschichten immer größer würden, sagte Baumann am Dienstag in Stuttgart. Dass inzwischen Millionen Menschen in Deutschland fürchten müssten, dass ihr Erspartes von den Banken bald mit Negativzinsen belegt werde, sei eine „katastrophale Entwicklung“.

In den vergangenen Jahrzehnten habe auch ein hohes Zinsniveau dazu beigetragen, dass die Gesellschaft trotz einiger Unterschiede einigermaßen ausgeglichen gewesen sei. Doch inzwischen erlebe man eine „prekäre Situation“. Wer heute nicht in Immobilien investieren könne, lasse sein Geld meist auf Banken liegen - und müsse bald mit Verlusten rechnen, anstatt wie früher Zinsen zu bekommen. Schon jetzt seien 50 Prozent der Haushalte in Deutschland nicht in der Lage, beispielsweise ein Darlehen für einen Immobilienkauf aufzunehmen.

Im Kampf gegen eine Mini-Inflation und Konjunkturschwäche im Währungsraum hatte die EZB alle Register gezogen: Nullzins, Negativzinsen für geparkte Gelder von Banken und milliardenschwere Anleihenkäufe. Geschäftsbanken müssen mittlerweile 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB parken. Immer mehr Banken in Deutschland geben diese Kosten weiter und berechnen ihren Kunden Negativzinsen. Zunächst traf dies ausschließlich Firmenkunden und reiche Privatkunden, inzwischen sind Negativzinsen für neue Privatkunden aber auch bei Sparkassen und Volksbanken kein Tabu mehr.