Städte und Gemeinden

Verdi-Chef: „Die Kommunalfinanzen sind dramatisch schlecht“

Verdi-Chef Frank Werneke wirft Bund und Ländern vor, Städte und Gemeinden finanziell zu benachteiligen. Diese bräuchten ein Vetorecht.

Verdi-Chef: „Die Kommunalfinanzen sind dramatisch schlecht“

Verdi-Chef Frank Werneke wirbt für mehr Mitspracherechte für die Kommunen.

Von Tobias Peter

Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, fordert, dass bei Ministerpräsidentenkonferenzen künftig auch häufiger die Kommunen mit am Tisch sitzen sollten.

Herr Werneke, wer ist schuld am oft schlechten Zustand der Kommunalfinanzen?

Die Kommunalfinanzen sind dramatisch schlecht. Für dieses Jahr gehen Hochrechnungen von einem Defizit von über 30 Milliarden Euro aus. Meine generelle Kritik ist: In Deutschland werden reihenweise Entscheidungen zulasten der Kommunen getroffen.

In den Verfassungen der Flächenländer ist das Konnexitätsprinzip verankert, also das Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“. Kommen die Länder ihren Verpflichtungen gegenüber Kommunen nicht nach?

Die Kommunen sind Teil der Länder – diese nehmen aber die Interessen der Kommunen nicht ausreichend wahr. Sie setzen sogar Entscheidungen zulasten der Städte und Gemeinden durch. Aus dem 500-Milliarden-Euro-Investitionspaket sollen 100 Milliarden Euro in die Länder und Kommunen fließen. Die Länder haben es aus dem Paket aber herausverhandelt, dass die Kommunen einen festen Anteil davon erhalten.

Bei den Kommunen wird also zu wenig Geld ankommen?

In Städten und Gemeinden gibt es einen Investitionsstau von mehr als 180 Milliarden Euro. Dafür reicht das Geld ohnehin nicht. Die Länder haben einen festen Anteil für die Kommunen verhindert, weil zumindest einige Länder möglichst viel Geld für sich selbst vereinnahmen wollen.

Welche Rolle spielt der Bund, wenn es um die Überforderung der Kommunen geht?

Die zentrale Rolle. Viele Kosten für die Kommunen gehen auf Entscheidungen des Bundes zurück. Deshalb meine ich: Der Bund sollte künftig keine Gesetze mehr beschließen dürfen, bei denen die Kommunen draufzahlen – oder er muss eben die Kosten tragen. Auf der Agenda stehen etwa zurzeit Veränderungen bei der Pendlerpauschale oder die Reduzierung der Gastro-Steuer – das muss für die Kommunen mindestens aufkommensneutral sein. Oder wenn der Bund etwa im Lauf der Legislaturperiode die Steuern für untere und mittlere Einkommen senken sollte, muss er dies durch Erhöhung des Spitzensteuersatzes ausgleichen. Das alles wäre aber nur der erste notwendige Schritt.

Welche müssen noch folgen?

Städte und Gemeinden brauchen einen höheren Anteil an den Umsatzsteuereinnahmen. Da könnten Bund und Länder gleichermaßen etwas abtreten. Die Kommunen müssen aber auch stärker an der Entscheidungsfindung beteiligt werden. Wie wäre es, wenn es in Zukunft nicht nur Ministerpräsidentenkonferenzen zusammen mit dem Bundeskanzler gäbe, sondern, wenn entsprechende Entscheidungen anstehen, die Kommunen mit am Tisch sitzen?

Das klingt nach einer Beteiligungsshow, nicht nach echter Macht.

Es wäre jedenfalls ein Anfang. Städte und Gemeinden haben im Moment noch nicht einmal einen Platz am Katzentisch. Das darf so nicht weitergehen. Mein Standpunkt ist klipp und klar: Die Kommunen müssen bei der Gesetzgebung, die sie betrifft, mitreden können – idealerweise mit einem Vetorecht, wenn sie betroffen sind. Oder mit anderen Möglichkeiten, um eine Politik auf ihre Kosten zu stoppen.

Das Problem in den Kommunalfinanzen gibt es wegen steigender Sozialausgaben. Müssen diese gesenkt werden?

Das ist nicht mein Standpunkt. Vieles, was im sozialen Bereich teurer geworden ist, ist zugleich auch wichtig. Aber wir dürfen die Kommunen nicht damit allein lassen. Nehmen Sie das Thema Eingliederungshilfe. Es ist richtig, Menschen mit Beeinträchtigungen zu integrieren und nicht in Sonderschulformen zu schicken. Die Kommunen brauchen dann aber auch die Mittel für die Schulbegleitung.

Eine Schwierigkeit beim Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“ ist, dass der Bund keine Kontrolle hat, ob die Kommunen bestimmten Leistungen besonders effizient oder besonders teuer erbringen.

Es wäre aus meiner Sicht sinnvoll zu diskutieren, ob bestimmte Leistungen gleich vom Bund erbracht werden und nicht von den Behörden in den Kommunen. Warum lassen wir nicht die Bundesagentur für Arbeit, die flächendeckend im Land vorhanden ist, über Wohngeldansprüche entscheiden? Wann gelingt es, das Bafög einfach und digital zu machen? Auch so ließen sich die Kommunen entlasten.