Verfassungsrechtler Papier mahnt zu „Schutz der Freiheit“

dpa Berlin. Die Beschränkungen einiger Grundrechte während der Corona-Krise gehen vielen zu weit. Der Gesundheitsschutz rechtfertige nicht jeden Freiheitseingriff, sagt der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Verfassungsrechtler Papier mahnt zu „Schutz der Freiheit“

Hans-Jürgen Papier sieht die Freiheitsrechte in der Corona-Krise nicht ausreichend geschützt. Foto: Boris Roessler/dpa

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat den Schutz der Freiheitsrechte in der Coronavirus-Krise betont.

In der Krise seien nicht die Maßnahmen der Lockerung rechtfertigungsbedürftig, sondern die Aufrechterhaltung von Beschränkungen der Grundrechte, sagte Papier in einem Streitgespräch im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Sinn und Zweck eines Verfassungsstaates in erster Linie der Schutz der Freiheit ist.“ Der Gesundheitsschutz rechtfertige nicht jedweden Freiheitseingriff, sagte Papier.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die ebenfalls an dem Streitgespräch teilnahm, verteidigte die Einschränkungen für den Gesundheitsschutz. „Das Bundesverfassungsgericht hat ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass der Staat eine besondere Schutzpflicht für das menschliche Leben hat, da es einen Höchstwert in unserer Verfassungsordnung darstellt.“ Es werde aber „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, nicht einen Tag länger als nötig auf Freiheiten verzichten zu müssen, sagte die Ministerin.

In dem Gespräch bemängelte Papier zudem, dass die Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen in der Corona-Pandemie von Bundesland zu Bundesland verschieden gewertet werde. Dabei handele es sich um eine Rechtsfrage und nicht um eine politische Frage.

Kritisch äußerte sich der ehemalige Verfassungsrichter auch zu dem Vorschlag, Risikogruppen von einzelnen Lockerungen auszunehmen: „Gebote oder Verbote allein auf bestimmte Altersgruppen oder auf Menschen mit Vorerkrankungen und Behinderungen zu beziehen, wäre außerdem eine ungerechtfertigte Diskriminierung“, sagte Papier.