Versuchsweise wählen

Landtagswahl: Bei der Wahl am 14. März dürfen nur Volljährige abstimmen. Um Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, dennoch selbst ein Kreuz zu setzen, veranstaltet der Kreisjugendring Rems-Murr U-18-Briefwahlen am Bildungszentrum Weissacher Tal. Am Freitag werden die Ergebnisse bekannt gegeben.

Versuchsweise wählen

Franziska Siebert beim Ausfüllen der Wahlunterlagen. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

WEISSACH IM TAL. Nicht einmal mehr zwei Wochen sind es bis zu den Landtagswahlen. Abstimmen kann dabei aber nur, wer volljährig ist. Um auch den noch nicht wahlberechtigten Jugendlichen unter 18 Jahren die Möglichkeit zu bieten, ihre Stimme abzugeben, veranstaltet der Kreisjugendring Rems-Murr mit dem Projekt „Partnerschaft für Demokratie Weissacher Tal und Althütte“ U-18-Briefwahlen am Bildungszentrum Weissacher Tal (Bize). Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! Demokratie fördern. Vielfalt gestalten. Extremismus vorbeugen.“ gefördert.

Ähnliche Veranstaltungen hatte der Kreisjugendring frei nach dem Motto „Bock auf Wahl!“ schon früher im Programm. „Wir waren zum Beispiel schon einmal mit einem Wahlmobil am Bize“, sagt Angelika Roth vom Kreisjugendring. Wegen der Coronapandemie mussten die Projektreferentin und ihre Kollegen sich dieses Jahr ein anderes Konzept ausdenken, um die Jugendlichen zu erreichen.

Daher die Briefwahl. In den Faschingsferien haben alle Schüler am Bize ab der fünften Klasse Briefwahlunterlagen nach Hause geschickt bekommen. Diese bestanden aus einem Stimmzettel, einer Wahlberechtigungskarte, einem Rücksendeumschlag und Infomaterial.

Des Weiteren hat sich der Kreisjugendring mit dem Angebot einer kostenlosen Online-Unterrichtsstunde an die Lehrkräfte gewandt, in der inhaltlich auf die Landtagswahl und die Briefwahlen eingestimmt wurde. 45 Minuten lang ging es zum Beispiel darum, was der Landtag eigentlich ist, wer wie gewählt wird oder was für ein Wahlalter ab 16 Jahren spricht. Darüber hinaus wurden Videointerviews von Kandidaten aus dem Wahlkreis Backnang zu jugendrelevanten politischen Fragen gezeigt.

Doch welche Fragen interessieren die Jugendliche eigentlich? Nach welchen Kriterien würden sie eine Partei auswählen? „Mir ist es wichtig, dass die Partei, die ich wähle, sich für Flüchtlinge einsetzt“, sagt Franziska Siebert. Die 14-Jährige aus Heutensbach besucht die Klasse 9H in der Realschule im Bildungszentrum Weissacher Tal.

Für Mika Keller, der die Klasse 9G an derselben Schule besucht, stehen andere Themen oben auf der Prioritätenliste. Für seine Gemeinde Althütte wünscht sich der 14-Jährige mehr Freizeitangebote für Jugendliche, größere Investitionen im Straßenbau und ein schnelleres Vorankommen beim Thema Klimaschutz. „Ich möchte, dass auch meine Enkel noch in einer lebenswerten Welt leben“, sagt er.

Der Kreisjugendring übernahm mehrere Unterrichtsstunden zum Thema Landtagswahl am Bize.

Sowohl Franziska Siebert als auch Mika Keller sind Schüler von Johannes Denning. Er unterrichtet Gemeinschaftskunde am Bize. Zurzeit stehe das Thema Demokratie auf dem Lehrplan, sagt der Lehrer: „Die Basics haben wir schon durchgenommen – die Gewaltenteilung, das Parteienspektrum, die Lehren aus der NS-Zeit.“ Das Angebot des Kreisjugendrings an Lehrkräfte, eine Online-Unterrichtsstunde zum Thema Landtagswahlen zu übernehmen, sei eine „Steilvorlage“ gewesen, auf die er gern zurückgegriffen habe.

Der Inhalt der Unterrichtsstunde wurde von Lisa-Marleen Urschel und Luise Geiger ausgearbeitet, die beim Kreisjugendring Rems-Murr ein Freiwilliges Soziales Jahr leisten. Gemeinsam mit Angelika Roth haben sie die Stunde online moderiert – auch in den Klassen von Franziska Siebert und Mika Keller. „Es war gut, dass wir das gemacht haben“, sagt Franziska Siebert. „So haben wir noch einmal einen guten Überblick über die Parteien bekommen.“ Das habe ihr bei ihrer Wahlentscheidung geholfen.

Mika Keller wusste bereits vor der Veranstaltung des Kreisjugendrings, für welche Partei er bei der U-18-Briefwahl abstimmen würde. Das Thema Politik beschäftige ihn seit langer Zeit, sagt er: „In unserer Familie schauen wir täglich die Nachrichten.“ Seine Wahlunterlagen hat der 14-Jährige schon abgeschickt.

Aktuell liege die Wahlbeteiligung bei zirka zehn Prozent, sagt Roth. Sie hofft, dass noch einige Jugendliche ihre Stimmzettel verschicken werden. „Wir haben mit einem Rücklauf von insgesamt 25 Prozent gerechnet – 30 bis 40 Prozent wären super“, sagt sie.

Roth könnte sich vorstellen, vor der Bundestagswahl ein ähnliches Angebot für die Schüler auf den Weg zu bringen. Die Schwierigkeit dabei: Die U-18-Wahl muss immer neun Tage vor der offiziellen Wahl stattfinden. Zwischen dem Ende der Sommerferien und der Bundestagswahl liegen allerdings nur 15 Tage – das ist wenig Zeit für ein Vorabprogramm an den Schulen. Dennoch ist Angelika Roth zuversichtlich, dass es klappt.

Johannes Denning freut sich schon auf den Unterricht zum Thema Bundestagswahl. „Die Schüler sind in der Ära Merkel aufgewachsen“, sagt er. „Sie kennen nur die eine Bundeskanzlerin. Für uns Lehrer ist es eine große Chance, an diesen Umbruch anzuknüpfen.“

Auch bei der Bundestagswahl werden Mika Keller und Franziska Siebert noch nicht abstimmen können – worüber Franziska nicht ganz undankbar ist. „Ich glaube, ich wäre noch ein bisschen überfordert mit der Wahl“, sagt sie. Mika Keller dagegen würde sich freuen, wenn er zumindest schon mit 16 Jahren wählen könnte. „Jede Wahl ist eine Möglichkeit, das Land positiv zu verändern“, sagt er.

Am 5. März findet die Auszählung der U-18-Briefwahl am Bize statt. Die Ergebnisse werden auf der Webseite des Bize, der Projektwebseite des Kreisjugendrings www.wir-für-vielfalt.de sowie der Webseite des Landesjugendrings www.ljrbw.de/ u18-jugendwahl veröffentlicht.