Verwandlung verführt zum Denken

Über Kunst Am 8. Mai ist der international agierende Künstler Tobias Rehberger Gast unserer Gesprächsreihe in der Staatsgalerie Stuttgart

Von Nikolai B. Forstbauer

Die Werke von Tobias Rehberger sind im besten Sinn spektakulär. Für das Schauspiel Stuttgart konzipiert der Gewinner des Goldenen Löwen der Biennale Venedig eine begehbare Installation: die „Probegrube“ als Blick in Stuttgarts Zukunft.

StuttgartDie pure Größe könnte einschüchtern: 25 Meter lang und vier Meter hoch werden die drei ­Seiten der begehbaren Skulptur, die der international gefeierte Künstler Tobias Rehberger im Schlossgarten in Stuttgart errichten lässt. Es istein Projekt des Schauspiels Stuttgart. Am 24. April ­beginnen die Arbeiten, am 16. Mai soll die „Probegrube“ eröffnet werden. Burkhard C. Kosminski, seit 2018 Intendant des Schauspiels Stuttgart, hat Rehberger eingeladen.

Die nüchterne Beschreibung der„Probegrube“: „Der Künstler Tobias Rehberger und sein Studio entwickeln ein Projekt über das utopische Potenzial der mit Stuttgart 21 zusammenhängenden Stadtentwicklung. Er transformiert ein Modell des neuen Rosensteinquartiers in ein Amphitheater im ­Oberen Schlossgarten vis-à-vis des ­Schauspielhauses.“

Rehberger, gebürtiger Esslinger, ist ­Professor an der renommiertenFrankfurter Städelschuleund zählt weltweit zu den gefragtesten Gegenwartskünstlern. Auch oder gerade deshalb, weil er immer wieder fragt, was das eigentlich ist oder sein kann – Kunst. „Interessant an Kunst im öffentlichen Raum ist“, sagt Rehberger, „dass man für beide Seiten da sein muss: Für denjenigen, der ­wegen der Kunst hingeht, muss man etwas abliefern – aber auch für denjenigen, der einfach nur vorbeikommt, muss man etwas schaffen, das nicht nur Ärgernis ist.“

Schauspielchef Kosminski ist sich sicher: Die „Probegrube“ wird vor allem buchstäblich für Gesprächsstoff sorgen. „Die Eröffnung von Tobias Rehbergers Installation ,Probegrube‘ am 16. Mai ist für mich eines der Highlights meiner ersten Spielzeit am Schauspiel Stuttgart“, sagt er.

„Seit vielen Jahren schon“ bestehe „der Wunsch nach einer Zusammenarbeit“. „Wir haben“, sagt Kosminski, zuvor am Nationaltheater in Mannheim Intendant, „lange nach einer geeigneten Form gesucht – die erste Idee, dass Tobias Rehberger ein Bühnenbild für eine meiner Inszenierungen entwirft, fanden wir zu langweilig.“ Dann aber gibt es eine neue Situation: „Als der Ruf ans Schauspiel Stuttgart kam“, sagt Kosminski, „war für uns klar: Jetzt ist der ­Moment gekommen.“

Über das Thema waren sich Kosminski und Rehberger schnell einig. „Wir sind beide im Umfeld von Stuttgart ­geboren und sozialisiert worden“, sagt Kosminski, „das Thema der Stadtentwicklung beschäftigt uns schon lange – und dieses wollen wir mit der großen begeh- und erfahrbaren Installation im Oberen Schlossgarten vis-à-vis des Schauspielhauses ins Zentrum stellen.“ Und Stuttgarts Schauspielintendant betont: „Über den Zeitraum von fast zwei Monaten soll die ,Probegrube’ ein künstlerischer Impuls zur Stadt­entwicklung sein.“

Schon vorab sorgt die „Probegrube“ für enormes Interesse. Kein Wunder – wo immer Tobias Rehberger, 2009 bei der Biennale von Venedig mit dem Goldenen Löwen als bester Künstler geehrt, agiert, geht es nicht um ­abstrakte, sondern um sehr handfeste Fragestellungen. Rehberger will Kommunikation nicht nur ermöglichen, er provoziert sie auch. Indem er Räume schafft, Räume verwandelt. Grenzen zwischen Kunst und ­Gestaltung, zwischen Kunst und Design scheint er nicht zu kennen.

„Es ist eine prima Idee von Burkhard C. Kosminski, Tobias Rehberger nach Stuttgart einzuladen“, sagt Ulrike Groos. Die ­Direktorin desKunstmuseums Stuttgarthat schon 1996 mit Rehberger zusammen­gearbeitet – bei der Großausstellung „Skulptur. Projekte in Münster“. „Kunst, die man besitzen wie besetzen darf“ hat ­Ulrike Groos einen Text über Rehberger überschrieben. „Das passt“, sagt sie, „ genau zu der für Stuttgart geplanten, benutzbaren Skulptur ,Probegrube‘. Denn Tobias Rehbergers Arbeiten spiegeln Architektur und Design, reine Form und spielerische Funktion, Kunst und Alltag.“

Wie das Kunstmuseum ist auch dieStaatsgalerie StuttgartPartner des Schauspiels bei dessen großem Skulpturen-Projekt mit Tobias Rehberger. Direktorin Christiane Lange sagt dazu: „Tobias Rehberger schafft mit seiner ,Probegrube‘ einen utopischen Ort, der zur Begegnung und Auseinandersetzung mit der Entwicklung unserer Stadt einlädt.“ Für Lange geht es dabei um Naheliegendes: „Ich freue mich“, sagt sie, „insbesondere auf die neuen Impulse für die Zukunft unseres ­Kulturquartiers, das wir gemeinsam mit den Stuttgarter Bürgerinnen und Bürgern ­gestalten und beleben möchten.“

Wie also wird die „Probegrube“ aussehen? Wie fügt sie sich in die Projekte des mit ­seinem Team weltweit aktiven Tobias Rehberger? Was hat das Vorhaben mit den bundesweiten Feierlichkeiten und Projekten zur Gründung des Bauhauses vor 100 Jahren zu tun, was mit dem utopischen Potenzial der 1927 zur Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“ realisierten Weißenhofsiedlung in Stuttgart? Und hat Kunst mehr denn je die Aufgabe, unterschiedlichste Menschen in ­Dialog zu bringen?

Diese und andere Fragen beantwortet ­Tobias Rehberger eine Woche vor Eröffnung der „Probegrube“ am Mittwoch, 8. Mai, als Gast der von unserer ­Zeitung initiierten ­Gesprächsreihe„Über Kunst“. Der Eintritt für den gemeinsam mit dem Schauspiel Stuttgart veranstalteten Abend (Beginn: 19.30 Uhr) im Vortragssaal der Staatsgalerie Stuttgart ist frei, eine Anmeldung ist ­notwendig – unter der Internetadressewww.stn.de/ueberkunst.https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.schauspiel-stuttgart-s-21-und-die-grosse-grube.2a2b9321-659f-49b6-9648-c8990ef50134.htmlhttps://www.stuttgarter-nachrichten.de/gallery.schauspiel-stuttgart-s-21-und-die-grosse-grube.2a2b9321-659f-49b6-9648-c8990ef50134.html/id/d7cdd205-29d3-46e1-b530-d387a32e2253