Viele im Raum Backnang wollen noch schnell eine Gasheizung

Gas- und Ölheizungen werden zum Auslaufmodell, ab 2024 müssen alle neuen Heizungen mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das klingt nach einem guten Geschäft für die Heizungsbauer. Trotzdem sind die Betriebe in der Region nicht begeistert.

Viele im Raum Backnang wollen noch schnell eine Gasheizung

Holzpellets-Heizungen wie diese sind bei Jürgen Hanig und seinen Kollegen momentan sehr gefragt. Auf Lieferung und Einbau müssen die Kunden deshalb oft lange warten.Foto: Gabriel Habermann

Von Kornelius Fritz

Rems-Murr. Schon auf ihrer Homepage bittet die Firma Malu aus Unterweissach ihre Kunden um Geduld. „Aufgrund der extrem erhöhten Anfragen und Aufträge ist es für unser Team sehr herausfordernd“, ist dort zu lesen. Um den Kundenansturm bewältigen zu können, hat die Firma bereits telefonische Sprechzeiten eingeführt. Außerdem teilt sie auf der Homepage mit, dass man für Wartungen und Reparaturen keine neuen Kunden mehr annehmen könne.

„Bereits seit Beginn der Ukraine-Krise haben wir einen Nachfrageboom“, erklärt Geschäftsführer Fabian Lutz die ungewöhnlichen Maßnahmen. Die Änderungen beim Gebäudeenergiegesetz (siehe Infotext) werden diesen Boom wohl noch verstärken, auch wenn eine Austauschpflicht für bestehende Heizungen vorerst nicht kommt.

Dafür stehen nun aber Kunden Schlange, die sich schnell noch einen herkömmlichen Öl- oder Gaskessel einbauen lassen wollen, solange das erlaubt ist. „Viele haben Angst, dass sie sich eine neue Heizung ab nächstem Jahr nicht mehr leisten können“, berichtet Fabian Lutz. Eine Befürchtung, die nicht ganz unberechtigt ist, wie Jürgen Hanig von der Innung Sanitär Heizung Klima (SHK) im Rems-Murr-Kreis bestätigt. Für einen einfachen Öl- oder Gaskessel liegen die Kosten bei einem Einfamilienhaus nach seinen Angaben bei rund 15000 Euro, für eine klimafreundliche Wärmepumpe müsse man hingegen mit dem Doppelten bis Dreifachen rechnen. Trotz der angekündigten Förderung vom Staat müssten die Hausbesitzer am Ende also höchstwahrscheinlich mehr bezahlen, sagt Hanig.

Eine Wärmepumpe ist nicht immer die beste Lösung

Neben der wirtschaftlichen Seite sehen die Heizungsbauer aber auch technische Probleme. Denn weder eine Wärmepumpe noch eine Holzpelletheizung sei für jedes Haus geeignet. So sei eine Wärmepumpe nur in einem Haus mit guter Dämmung effizient, idealerweise in Kombination mit einer Fußbodenheizung, erklärt Fabian Lutz. Ein schlecht isoliertes Gebäude mit alten Heizkörpern mit einer Wärmepumpe zu beheizen, sei hingegen schwierig und teuer.

Jürgen Hanig, der seinen Betrieb in Winnenden hat, sieht auch bei größeren Mehrfamilienhäusern Probleme. Um sie zu beheizen und auch noch Warmwasser zu produzieren, reiche eine Wärmepumpe nicht aus. Man brauche dann eine Hybridlösung mit einer zusätzlichen Gastherme, was die neue Heizung aber weiter verteuert. Für Pellets wiederum benötige man Lagerplatz, der nicht in jedem Altbau vorhanden sei.

Die Befürchtung lautet: Alle wollen Wärmepumpen

In der Vergangenheit habe er seine Aufgabe immer darin gesehen, die jeweils beste Lösung für jedes Haus zu finden, erklärt Fabian Lutz von der Firma Malu. Nun befürchtet er, dass künftig alle Kunden Wärmepumpen verlangen, auch dort, wo das eigentlich nicht sinnvoll ist. „Wenn dann die Heizkosten zu hoch sind, lasten die Kunden das uns an und nicht der Regierung“, befürchtet der Experte.

Die Heizungsspezialisten betonen, dass sie den Umstieg auf erneuerbare Energien grundsätzlich begrüßen. In seinem Betrieb liege der Anteil der rein fossilen Heizungen ohnehin schon bei unter zehn Prozent, berichtet Malu-Chef Lutz. Allerdings hätte er sich für den endgültigen Umstieg mehr Zeit und einen Stufenplan gewünscht. Nun befürchtet er einen rasanten Preisanstieg durch den Run auf Wärmepumpen und Co. „Viele werden sich da eine goldene Nase verdienen“, vermutet Lutz.

Jürgen Hanig sieht das ähnlich: „Die Autoindustrie bekommt 15 Jahre Zeit für den Abschied vom Verbrennungsmotor und wir sollen alles in neun Monaten schaffen“, klagt der Obmann Sanitär/Heizung bei der SHK-Innung. Dafür fehle aber sowohl das Material als auch das Personal. „Bei manchen Wärmepumpen beträgt die Lieferzeit ein Jahr“, berichtet Hanig. Auch die Mitarbeiter müssten erst noch geschult werden, denn in der Ausbildung eines Anlagenmechanikers seien Wärmepumpen bisher nur ein Randaspekt gewesen. „Das geht nicht von heute auf morgen“, sagt Hanig.

Der Boom ist für die Handwerksbetriebe eher Last als Lust

Deshalb sei es den Handwerksbetrieben kaum möglich, ihre Kapazitäten kurzfristig zu erhöhen. Der aktuelle Nachfrageboom in ihrer Branche ist für die Handwerksbetriebe deshalb eher Last als Lust. Dass seine Firma von dem neuen Gesetz profitieren wird, glaubt Jürgen Hanig nicht: „Wir waren auch davor schon sehr gut ausgelastet.“

Zu den Kunden, die jetzt schnell noch Heizungen austauschen lassen, zählt auch die Baugeno in Backnang, die 430 Mietwohnungen in ihrem Bestand hat. „Wir haben unsere Gebäude analysiert und beschlossen, bei zwei Objekten den Austausch vorzuziehen“, berichtet Vorstand Raphael Althaus. Die Gründe dafür kann er in Euro beziffern: „Jetzt kostet uns der Austausch zwischen 20000 und 30000 Euro, nächstes Jahr wären es etwa 100000 Euro gewesen.“ Wie das neue Gesetz in die Praxis umgesetzt werden soll, ist Althaus bislang noch nicht klar: „Da gibt es noch viele Fragezeichen.“ So fehle bei vielen älteren Baugeno-Häusern schlicht der Platz für eine Wärmepumpe oder ein Pelletlager. Auch die Geräusche der Wärmepumpe könnten in eng bebauten Gebieten zum Problem werden. Außerdem sei klar, dass durch einen Heizungstausch Kosten entstehen, die man an die Mieter weitergeben müsse. „Damit wird dieses Gesetz zwangsläufig zu steigenden Mieten führen“, prophezeit der Chef der Baugeno.

Bei aller Kritik sieht Jürgen Hanig von der SHK-Innung in dem neuen Gesetz aber auch einen positiven Aspekt. Durch die Wärmewende werde der Beruf des Anlagenmechanikers für junge Leute wieder attraktiver. Der Nachwuchsmangel sei in seiner Branche deshalb auch nicht so dramatisch wie in vielen anderen Handwerksberufen.

Das neue Gebäudeenergiegesetz

Ziel Um die Abhängigkeit von fossilen Energien auch im Gebäudebereich zu überwinden, hat die Regierungskoalition beschlossen, dass von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Bislang wird in Deutschland 80 Prozent des Wärmebedarfs mit fossiler Energie gedeckt.

Bestandsschutz Bestehende Öl- und Gasheizungen dürfen weiterhin betrieben und auch repariert werden. Muss eine kaputte Heizung kurzfristig ersetzt werden, darf übergangsweise für maximal drei Jahre eine fossil betriebene Heizung eingebaut werden. Wie bisher müssen Öl- und Gasheizungen spätestens nach 30 Jahren ausgetauscht werden.

Ausnahmen Ausgenommen von der 65-Prozent-Regel sind Hausbesitzer, die älter als 80 Jahre sind. Außerdem können sich Hauseigentümer in besonderen Härtefällen davon befreien lassen. Neue Gasheizungen sind auch weiterhin zulässig, wenn diese zu 65 Prozent mit Biogas oder spätestens ab 2035 mit Wasserstoff betrieben werden.