Virtuelle Flüge durch Ort und Stollen

Studenten haben für ihre Bachelorarbeiten Spiegelberg vermessen – Ergebnisse sollen öffentlich präsentiert werden

Eine Gruppe von Studenten der Hochschule für Technik Stuttgart haben die Gemeinde Spiegelberg vermessen. Thema der Bachelorarbeit der jungen Frauen und Männer, die sich in der Fachrichtung Vermessungstechnik und Geoinformatik gut auskennen, war der Vergleich des ersten geometrischen Ortsplans von Spiegelberg aus dem Jahr 1784 mit dem heutigen Ortsplan der Gemeinde.

Virtuelle Flüge durch Ort und Stollen

Studenten im Außendienst (von links): Jakob Lücke, Axel Mundle, Sarah Hilsenbeck und Thi Thuy Hofmann haben den Wetzsteinstollen sowie den Ort entlang der Durchfahrtstraße L 1066 vermessen. Fotos: Gemeinde Spiegelberg

Von Nicola Scharpf

SPIEGELBERG. Viele Spiegelberger werden es noch wissen: Im vergangenen Spätsommer halten sich zwei junge Frauen in Warnwesten mit allerhand technischem Gerät an mehreren Tagen entlang der Ortsdurchfahrt auf. Manch ein Autofahrer hält das Gerät auf dem Stativ fälschlicherweise für einen Blitzer und fährt langsam, erinnert sich Sarah Hilsenbeck. Dabei messen sie und ihre Kollegin Thi Thuy Hofmann mitnichten die Geschwindigkeit der vorbeifahrenden Autos. Die beiden sind Studentinnen der Hochschule für Technik Stuttgart, Fachrichtung Vermessungstechnik und Geoinformatik, und ihre Bachelorarbeit verschlägt sie nach Spiegelberg. Thema: Der Vergleich des ersten geometrischen Ortsplans von Spiegelberg aus dem Jahr 1784 mit dem heutigen.

In etwa zeitgleich durchstreifen zwei junge Männer in Warnwesten mit allerhand technischem Gerät an mehreren Tagen das Gebiet in und um den Wetzsteinstollen. Auch Jakob Lücke und Axel Mundle verschlägt ihre Bachelorarbeit in den Spiegelberger Wald. Ihr Thema: Geodätische und geophysikalische Messungen am bis dahin nicht vermessenen Wetzsteinstollen.

Ihre Fragestellungen für die Abschlussarbeiten verdanken die Studenten Professor Wolf-Ulrich Böttinger, den bei einer Fahrt durchs Winterlautertal im Herbst 2017 ein ihm unbekanntes Hinweisschild auf den Wetzsteinstollen neugierig macht. In Manfred Schaible, Roland Theophil und Wolfgang Mildau finden er und später auch die Studenten orts- und geschichtsbewanderte Spiegelberger Bürger, die gerne weiterhelfen.

Was die Ergebnisse von den Einsätzen im Außendienst sind, haben die Studenten zusammen mit ihrem Betreuer Böttinger, interessierten Spiegelbergern präsentiert: Die Bürger erleben einen auf Leinwand projizierten, mit Musik unterlegten, virtuellen Flug entlang der Spiegelberger Ortsdurchfahrt und einen animierten Flug durch den Wetzsteinstollen. Der Betrachter hat den Eindruck, durch den Ort geführt zu werden beziehungsweise in den Stollen hineinzulaufen. „Das ist ja unser Haus“, staunt eine Frau beim Flug vorbei an ihrem Eigenheim. „Wie funktioniert dieser Flug?“, fragt eine andere verblüfft. Es ist weder eine Drohne im Einsatz gewesen, noch hat man eine Kamerafahrt mit dem Auto unternommen, erklären die Studentinnen. Vielmehr liefert ein Laserscanner, mit dem die Studentinnen auf einer Länge von 600 Metern alle heute noch vorhandenen Gebäude aufgenommen haben, eine sogenannte Punktwolke. Diese wird bereinigt, ausgewertet und visualisiert. „Ein Tag im Außendienst entspricht etwa 20 Tagen Auswertung“, sagt Sarah Hilsenbeck. Zusätzlich zur Animation haben sie und Thi Thuy Hofmann einen Plan des heutigen Ortes erstellt, der sich mit dem Plan von 1784 vergleichen lässt: Wie sah Spiegelberg früher aus? Wo standen die Gebäude? Wie wurden sie genutzt? Welche Gebäude stehen heute noch, welche nicht mehr? Welche sind vom Grundriss her stark verändert? Eine Erkenntnis ist, dass das ehemalige Amtshaus – die heutige Sulzbacher Straße 2 – und das ehemalige Fabrikdirektorenhaus, auch Weinmann’sches Haus genannt, die beiden einzigen Gebäude sind, die heute im Original von 1784 vorhanden sind.

Als eine Mischung aus Geoinformatik, Vermessung und Geschichte beschreibt Sarah Hilsenbeck die Bachelorarbeit. Bei ihren beiden Mitstudenten am Wetzsteinstollen ist es ähnlich: Hier war neben dem virtuellen Flug das Ziel zum einen, einen topografischen Plan des seither nicht vermessenen Stollens zu erarbeiten; zum anderen haben Jakob Lücke und Axel Mundle dem verschütteten Teil des Wetzsteinstollens nachgespürt. Mittels Georadar haben sie geforscht, wie dieser durch einen Erdrutsch unzugänglich gemachte Fortsatz des Stollens verläuft – und sind an Grenzen gestoßen, weil sich die Messmethode als ungeeignetes Mittel für den Stollenverlauf erwiesen hat. „Wir haben nur vage Vermutungen, wie weit der Stollen noch weiter geht.“

Dennoch sollen beide Abschlussarbeiten für die Gemeinde Spiegelberg Mehrwert in Sachen Naherholung und Tourismus haben. Im Zuge der anstehenden Sanierung der L1066 und der damit verbundenen Aufwertung des Ortskerns schwebt Bürgermeister Uwe Bossert ein historischer Rundgang durch Spiegelberg vor. Darin ließe sich der Vergleich der Gebäude von damals und heute integrieren. Auch die beiden Animationen sollen zugänglich gemacht werden. „Wir haben etwas an der Hand, das wir in die Umsetzung bringen können“, sagt Bossert. Und: „Wir sind gerne dabei und hinterher, noch mehr über den Wetzsteinstollen zu erfahren.“

Damit spielt der Bürgermeister darauf an, dass sich der Studentenbetreuer Böttinger vom noch nicht zufriedenstellenden Ergebnis zum Verlauf des verschütteten Stollenfortsatzes nicht entmutigen lassen will. Der Wissenschaftler hat eine andere Messmethode im Sinn, die sich für die Untersuchung des Fortsatzes eventuell besser eignen könnte. Daraus könnte eine weitere Studenten-Arbeit werden. Böttinger: Dann könnte „Licht am Ende des Wetzsteinstollens“ werden.

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