Wie sichern wir Deutschlands Zukunft? Was muss dringend bearbeitet werden? Namhafte Wirtschaftsforscher fordern einen Regulierungsabbau. Und zwar möglichst schnell.
Biotechnologie gilt als Schlüssel für den Standort.
Von Annika Grah
Nach Einschätzung von namhaften Wirtschaftsforschern muss der von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ausgerufene „Herbst der Reformen“ dringend genutzt werden, um strukturelle Probleme anzugehen. „Ein vorrangiges Thema ist die Reform der Sozialversicherungssysteme: Ohne Anpassungen drohen Erwerbstätige und Unternehmen durch stetig steigende Beitragssätze immer stärker belastet zu werden“, sagte Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Achim Wambach. Auf dem Energiemarkt müsse der Netzausbau beschleunigt werden. „Nicht zuletzt ist echter Regulierungsabbau erforderlich“, sagte Wambach. Neue Auflagen wie das geplante Tariftreuegesetz setzten die falschen Signale.
Serie beschäftigt sich mit Zukunftsfähigkeit Deutschlands
In einer Serie beschäftigt sich unsere Zeitung mit der Frage, wie zukunftsfähig Deutschland ist. Wie steht es ums Gesundheitssystem, um die Sozialsysteme, die Energieversorgung, die Innovationsfähigkeit? Welche Belastung entsteht durch bürokratische Hürden und Pflichten?
Der volkswirtschaftliche Geschäftsführer des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Hubertus Bardt, sieht die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts in Gefahr. „Die demografische Schrumpfung, der zunehmende Protektionismus und der neue Wettbewerb von Chinas Staatskapitalismus stellt große Herausforderungen, auf die wir mit Veränderungsbereitschaft, Geschwindigkeit und besseren Standortbedingungen reagieren müssen“, sagt er.
Prognos-Volkswirt fordert Mut
Aber wie reformwillig ist das Land? Der Chefvolkswirt der Prognos AG, Michael Böhmer: „Die größte Herausforderung, vor der Deutschland steht, ist die innere Haltung zu Reformen.“ Man denke zu klein, statt grundlegende Änderungen anzugehen. Das gelte für die Rente ebenso wie für den Bürokratieabbau und die Digitalisierung. „Wenn die Politik den Mut zeigt, sich selbst und der Gesellschaft Anstrengungen zuzumuten, wird Deutschland wieder zu früherer wirtschaftlicher Stärke zurückfinden können.“ Nach Schätzungen des Ifo-Instituts kosten bürokratische Hindernisse jährlich bis zu 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung.
Die diesjährige Bestandsaufnahme des Forschungsinstituts Prognos zeigte indessen, dass die Regionen unterschiedlich aufgestellt sind. Die Zukunftschancen in Baden-Württemberg und Bayern sind größer als im Norden, während die ostdeutschen Länder mit Risiken zu kämpfen haben. Entscheidend sei der Ausbau erneuerbarer Energien. Für die Forscher des Ifo-Instituts sind Innovation in Schlüsseltechnologien wie KI, Biotechnologie, Mikroelektronik oder Quantentechnologie Basis für Wachstum. Sie kritisieren, die Politik subventioniere eher Großprojekte etablierter Unternehmen.