Voller Einsatz fürs Jubiläumskonzert

Das Städtische Blasorchester Backnang feiert 100-jähriges Bestehen – 163 Musikergäste aus Annonay und Chelmsford vor Ort

Das Städtische Blasorchester unter der Leitung von Christian Wolf bereitet sich vor auf das Partnerschaftskonzert mit dem „Ensemble Harmonique Annonay“ und dem Orchester „Caprice“ aus Chelmsford. Das Konzert wird am Samstag um 19 Uhr in der Stadthalle stattfinden, der Eintritt ist frei.

Voller Einsatz fürs Jubiläumskonzert

Vor dem Partnerschaftskonzert am Samstag legt sich das Städtische Blasorchester um Dirigent Christian Wolf bei der letzten Probe ins Zeug. Foto: J. Fiedler

Von Renate Schweizer

BACKNANG. Der Dirigent steckt im Stau und verspätet sich – schuld daran ist die landesweite Verkehrskontrolle auf der B14 und anderswo. Auch gut, so bleibt Zeit für die Orchestermitglieder, die sich zur Probe im Vereinshaus einfinden, ausführlich zu erzählen: Wie geht es ihnen im Orchester, wie laufen die Vorbereitungen fürs Partnerschaftskonzert, wie lange machen sie schon mit und warum überhaupt? Nebenher läuft der normale Dienstags-Vorproben-Wahnsinn: Eine ganze Landschaft von gewaltigen Perkussionsinstrumenten ist schon aufgebaut. „Hier dürfen sie stehen bleiben“, erzählt Helmut Schaber, der organisatorische Leiter des Orchesters. „Das ist ein Glück, Auf- und Abbau würden allein eine Stunde verschlingen.“ Unter jedem Bläsersitzplatz wird ein Putzlappen platziert, damit das Kondenswasser aus dem Instrument nicht ins Parkett tropft. Die Notenwartin, Christine Wolff, springt von einem zum anderen und sorgt dafür, dass auf allen Ständern die richtigen Noten stehen, Instrumente werden ausgepackt, von der mächtigen Basstuba bis zur zierlichen Querflöte, und schon mal locker warmgespielt und nebenher gibt es jede Menge Organisatorisches zu regeln: Zum Partnerschaftskonzert kommen die befreundeten Orchester aus Annonay und Chelmsford.

163 Personen sind da unterzubringen, die allermeisten privat. „Bei uns werden zehn Leute übernachten“, erzählt Andreas Ermer, „das hätten wir uns nicht nehmen lassen. Schließlich sind wir seit Jahren Freunde – und dieses Mal sind es eben gleich zwei Familien, die wir aufnehmen, eine englische und eine französische.“ Da werden die Kinder ins Elternschlafzimmer umquartiert, der Hobbyraum im Keller umgewidmet, der Frühstückstisch verlängert – und der Gastgeber sieht bei alledem kein bisschen gestresst aus. Auf die Frage nach seiner Frau zeigt er ans andere Ende des Raums: „Da drüben bei den Querflöten sitzt sie. Wir machen das zusammen.“ Und die Kinder? „Auf die passt dienstagabends die Oma auf.“ Großfamilieneinsatz im und fürs Blasorchester. Scheint Ehrensache zu sein.

Mitglieder schätzen das familiäre Ambiente

„Das Orchester aufzugeben war nie eine Option“, sagt Regina Häuser. 27 Jahre ist sie alt, davon fast 20 im Blasorchester. „Auch während der Studienzeit nicht – da fährt man dann halt etwas weiter.“ Nur in dem einen Jahr, das sie während der Ausbildung in Irland verbracht hat, hat sie die Proben sausen lassen, logisch. „Aber an Weihnachten war ich dabei!“ „Die Anfahrt lohnt sich“, ergänzt Ramona Wolf vergnügt. Sie kommt aus Bittenfeld und hat sich alle Orchester der Region angeschaut, bevor sie entschieden hat, wo sie mitspielen will. Warum sie sich fürs Backnanger Orchester entschieden hat? Sie zögert keine Sekunde: „Weil es das beste ist! Definitiv! Musikalisch, aber auch sonst. So schön familiär hier.“

Das Projekt Musikmachen ist generationenübergreifend

Gelächter von hinten – es kommt von den Saxofonen. Walter Leibold sitzt da. Seit 1964. Damit ist er das „dienstälteste“ Orchestermitglied überhaupt. In den ersten Jahren hat er noch Querflöte gespielt. Aber 1980 hat er in Amerika ein Tenorsaxofon gekauft. Stolz und zärtlich streichelt er das Instrument und grinst: „Die Querflöten sitzen ganz vorne – ich wollte halt weiter weg vom Dirigenten.“ Noch weiter weg vom Dirigenten sitzen die Trompeten, dort richtet sich gerade Luis Knapp ein. Für ihn ist es das erste Konzert beim „großen“ Orchester – bis vor vier Wochen hat er im Jugendorchester mitgespielt.

Offensichtlich ist das Musikmachen ein generationenübergreifendes Projekt. Helmut Schaber, der organisatorische Leiter des Ganzen, ist seit 52 Jahren dabei – und dabei wollte er damals nur den älteren Bruder zur Probe der Stadtkapelle begleiten. Selbst spielte er gar kein Instrument. „Der Dirigent – Fritz Neher war das – hat mich sofort geschnappt.“ Seitdem spielt er Saxofon. Durchschnittlich 24 Auftritte im Jahr, das macht zwei pro Monat. Plus die Probe am Dienstagabend. Seit 19 Jahren die Organisation im Vorstand. „Jetzt, im Jubiläumsjahr, ist es natürlich wesentlich mehr. Sowohl bei den Auftritten als auch organisatorisch. Zeit muss man schon mitbringen.“

Natürlich geschieht das alles im Ehrenamt. Trotzdem, auch bei ihm ist die Vorfreude aufs Partnerschaftskonzert deutlich spürbar. Stolz zeigt er das Konzertprogramm mit dem „Ensemble Harmonique Annonay“ und „Caprice“ aus Chelmsford. „Das sind richtig gute Orchester“, sagt er. „Die können was, das wird konzertant.“ Die letzten drei Stücke spielen alle drei Orchester gemeinsam. Das muss man sich vorstellen: An die 200 Blechbläser in der Stadthalle. Hier im Vereinshaus hauen einem schon 70 lustvoll die Ohren raus.

Der Dirigent, Christian Wolf, kommt. Tiefenentspannt und gelassen, trotz Stau und Stress und letzter regulärer Probe vor dem Konzert. Freudig begrüßt er die Anwesenden und erklimmt das Dirigentenpodest. „Zeitung ist da – ihr werdet fotografiert. Seht gut aus!“ Dann geht’s ans Musikalische. „Dunkel, fett und breit“ will er den ersten Einsatz haben, „aus der Stille heraus“. Tubas und Posaunen legen los. Christian Wolf ist es nicht breit genug. „Ab Takt 35 noch mal!“ Konzentrierte Stille, dann: b-r-e-i-t. Die Reporterin schleicht hinaus. Hier wird gearbeitet, da soll man nicht stören...