Vom Hunger nach Kurzurlaubsfeeling

Sommerreportage: Der Fornsbacher Waldsee ist dieser Tage am Wochenende gut belagert, an Werktagen wird das Freizeitgebiet vor allem für eine Auszeit am Nachmittag und Abend genutzt – ob an Beachbar, Strand, auf der Wiese oder mitten im kühlen Nass.

Vom Hunger nach Kurzurlaubsfeeling

Entspannte Abendstimmung am Fornsbacher Waldsee. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Schon bei der Hinfahrt auf der Landesstraße1066 sind die Grillen übers offene Autofenster zu hören und läuten den Feierabend ein. Ihre Kollegen werden später am Fornsbacher Waldsee alles geben, um sich auch dort Gehör zu verschaffen. Der Parkplatz des Freizeitgebiets ist kurz nach 18 Uhr gut gefüllt. Viele Besucher scheinen sich noch nicht losreißen zu wollen, Ankommende begrüßen sich, haben sich für einen abendlichen Abstecher verabredet. Ein Senior dreht mit Basecap in der Nähe des Waldseedamms seine Runden, die grünen Tretboote sind noch unterwegs, nur das große Schwanenboot steht am Ufer.

Es muss repariert werden, wie Jürgen Hudelmaier vom Team des Kulinariums berichtet. Er hält am Kiosk die Stellung, kümmert sich um den Bootsverleih sowie den Minigolfplatz und dreht die eine oder andere Runde, um Müll aufzusammeln. Das vergangene Wochenende hat ihn auf eine Belastungsprobe gestellt, erzählt er. „Am Samstag haben wir den Bootsverleih eingestellt.“ Die einzelnen Kähne seien teils völlig belagert gewesen, auch mit Blick auf die Abstandsregeln und gegenseitige Rücksichtnahme sei es nicht allzu gut bestellt gewesen. „Heute ist mein angenehmster Tag seither, eigentlich seit dem 18. Mai“, sagt er. Bis 20 Uhr können die Besucher noch eine Bootstour machen, beim Minigolf ist er auch darüber hinaus noch ansprechbar.

Bei Mike Isert und seinem Team von der Cocktailbar „Cocoloco Beach“ nimmt die Arbeit jetzt allmählich Fahrt auf. Der Nachschub ist verstaut und die Plätze unter den Palmen beginnen, sich allmählich zu füllen. Im dritten Jahr hat sich mit Corona einiges geändert – aus Selbstbedienung wurde Bedienung, hinzu kommen Reservierungsmanagement, Verwaltung der Besucherdaten, Arbeiten in Schichten, Angebot von Fingerfood und eines kleinen Kulturprogramms am Freitag und Samstag. Mike Isert ist froh, wie sich die Bar entwickelt hat. Der große Vorteil ist der Betrieb unter freiem Himmel. Zwar bedeuten die Schutzmaßnahmen beachtlichen Mehraufwand, aber die Saison hat ihm auch neue Gäste beschert. „Da sind Leute aus Reutlingen, Crailsheim, Heilbronn oder Bad Rappenau dabei“, sagt er. Besucher zwischen 30 und 50 Jahren, die den Ausflug als Kurzurlaubsphase genießen möchten. In der Beachbar können sie aus verschiedensten Cocktails, auch alkoholfreie, sowie diversen Sommerdrinks auswählen.

Der Chef geht hinter den Tresen und macht sich daran, einen „Corona Sunrise“ zu mixen. Der verweist nicht auf irgendwelche zynischen Konnotationen, sondern schlicht auf das gleichnamige Bier, das auch zu Pandemiezeiten nochmals breiter bekannt wurde. Mike Isert nimmt sich ein größeres Weckglas, das dem Drinkdesign die entsprechende Stabilität verleiht, wie man später sehen wird, und beginnt mit der Arbeit. Er gibt sechs Zentiliter Tequila, zwei Zentiliter Zitronensaft und einen Schuss Orangensaft ins Glas. „Dann muss man ein bisschen umrühren und Grenadine dazugeben“, erklärt er. Jetzt kommt das besondere Extra: Isert packt flink eine geöffnete Flasche Coronabier kopfüber ins Weckglas, verziert den Drink mit einer Orangenscheibe und bestückt ihn mit einem Strohhalm. Wenn man trinkt, wird in kleinen Dosen Bier nachgeliefert.

Während Bestellungen aufgenommen und Drinks gemixt werden, suchen sich Helga und Sylvia Wörner ein Plätzchen. Mutter und Tochter haben sich von Korb aus spontan aufgemacht, um ihren Abend in der Beachbar zu beschließen. Nicht das erste Mal. „Wir kommen so oft wie möglich, das ist ein Platz zum Wohlfühlen“, sagt Sylvia Wörner. Der Chef serviert den beiden einen Limoncello (Likör aus Zitronen) mit Ananas- und Meloneneistee sowie Mango- und Himbeerpüree. Während die Frauen und andere Gäste ihre Drinks genießen, ist auf dem See und am Ufer immer noch einiges los.

Gerald Friesen und seine Söhne Sebastian und Johannes beenden gerade ihre Bootstour mit Freunden. Ursprünglich aus Backnang, ist die Familie vor einigen Jahren nach Leinfelden gezogen. Im Moment übernimmt er einen Ferienpart für die Kinder, seine Frau arbeitet – die Schulferien sind insgesamt ja länger als die der Eltern. Vom Campingplatz aus unternehmen sie Ausflüge – Schwaben-Park oder Hörschbachwasserfälle – in die Umgebung. Heute Abend steht auch noch einiges auf dem Programm: Der Wunschzettel umfasst einen Snack bei der Waldseelaube, eine Runde Minigolf und „mal bei der Beachbar vorbeigucken“.

Viele wollen am Abend mit seinen tropischen Temperaturen draußen sein. Ein Großelternpaar erzählt, dass sie zur Enkelbetreuung aus dem Raum Winnenden hergekommen sind. Ihre Tochter aus Oberstenfeld ist auch mit von der Partie – dort ist das Freibad gesperrt. Eine italienische Familie berichtet, dass sie von Pforzheim nach Backnang gezogen sind und sich nun nach der Arbeit noch alle zusammenfinden. Mit dem Urlaub im Heimatland klappt es dieses Jahr nicht, aber der Vater findet, dass „die Umgebung und Natur hier richtig toll sind“.

Ein Besucher hat es sich auf einer großen Holzliege bequem gemacht und bearbeitet sein Smartphone. Ein relaxter Feierabend, bevor es ins Wohnmobil auf dem Campingplatz geht – eine Konstellation, die sich zufällig ergeben hat, da er zurzeit in der Gegend arbeitet und es zu weit zum Pendeln ist.

Bei den Begegnungen wird am Rande auch die Befürchtung angesprochen, dass es am Wochenende wieder anders aussehen und der Waldsee aufgrund des Andrangs gesperrt werden könnte. Bürgermeister Armin Mößner berichtet, dass die Stadt sich in Abstimmung mit der Polizei vorbereitet hat. Am vergangenen Wochenende habe es kritische Situationen wegen Nichteinhaltung der Regeln gegeben, vor allem wegen des Abstands (Liegewiese, Wasser, Einstieg). „Durch die vermehrte Sperrung der Seen in der Umgebung wird der Besucherdruck auf den Waldsee am kommenden Wochenende noch mehr zunehmen“, so Mößner. Das Konzept sieht ein stufenweises Vorgehen vor: Es wird wie bisher in regelmäßigen Abständen kontrolliert, wie der Stand beim Parkplatz und auf der Liegewiese ist. Unterstützen wird auch ein privater Sicherheitsdienst, der im Einzelfall Besucher auf die Einhaltung der Regeln anspricht. Ist aufgrund des Andrangs davon auszugehen, dass die Einhaltung der Abstandsregeln gefährdet ist, wird über den Verkehrsfunk und die sozialen Medien kommuniziert, dass die Parkmöglichkeiten am Waldsee erschöpft sind und von einem Besuch abgesehen werden soll. Die Lage wird dann in regelmäßigen Abständen weiter beobachtet. Wenn der Zustrom anhält, so wird die Zufahrt zum See gesperrt und nur Berechtigte (Anwohner, Gäste des Campingplatzes und Kulinariums) werden durchgelassen. Bessert sich die Lage dann, kann die Zufahrt wieder freigegeben werden. „Ultima ratio ist die Sperrung des Sees, die wir mit Umsetzung der Stufe Zufahrtssperrung vermeiden möchten“, sagt Mößner und appelliert an alle, die Regeln einzuhalten.

Im Kontrast zu diesem Szenario ist der späte Wochentagsseebesuch wunderbar entspannt. Die Grillen machen Musik, Mütter lassen ihre Kinder noch im niedrigen Wasser bei mildem Abendlicht planschen, ein Paar unterhält sich angeregt am Ufer, ein weiteres im Wasser. Mike Isert hat Pause, sitzt am Tisch mit Blick auf seine Bar und winkt einem Bekannten. „Der geht jetzt noch eine Runde schwimmen“, sagt er mit einem Lächeln.