Vom Urlaub in die Quarantäne

Zwei Familien kommen vom Urlaub im Risikogebiet zurück und berichten von ihren Erfahrungen – von überfüllten Hotels, falschen Versprechungen des Reiseveranstalters und Infektionen, aber auch von schnellen Tests und der Sicherheit durch die Ferienwohnung.

Vom Urlaub in die Quarantäne

Kaum zu übersehen: Überall auf der Autobahn erinnern Schilder die Reiserückkehrer an die Gefahr durch Corona. Auch auf der A81 auf Höhe der Abfahrt Mundelsheim werden Urlauber aus Risikogebieten dazu aufgefordert, sich in häusliche Quarantäne zu begeben. Foto: B. Romanowski

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Für Urlauber ist in diesem Jahr alles komplizierter. Nicht nur die Frage nach dem passenden Urlaubsort und den dortigen Regeln muss vorher geklärt werden, sondern auch die Frage nach dem richtigen Vorgehen bei der Rückkehr. Besonders dann, wenn man aus einem Risikogebiet einreist.

Ein voll ausgebuchtes Hotel, großer Andrang am Buffet und keine Abstände am Pool und bei Abendveranstaltungen: So hatte sich Familien Kaltenthaler ihren Urlaub in Bulgarien in der momentanen Situation eigentlich nicht vorgestellt. Vor allem, weil ihnen der Reiseveranstalter ganz andere Versprechungen gemacht hat. „Wir waren geschockt“, sagt Sandra Kaltenthaler. „Hätten wir von den Verhältnissen im Hotel gewusst, hätten wir die Reise nie angetreten.“ Ihren Urlaub hat die Familie bereits vergangenes Jahr geplant. „Wir hatten natürlich Bedenken“, sagt Sandra Kaltenthaler. Aber die Stornogebühren waren extrem hoch, der Reiseveranstalter habe noch wenige Tage vor der Reise zugesichert, dass das Hotel nur zu 60 Prozent ausgelastet sei und dass es nur Essen à la carte geben werde. Das hat die Familie etwas beruhigt, schließlich gehen sie auch in Deutschland immer wieder in ein Restaurant, halten immer Abstand und desinfizieren sich regelmäßig die Hände. Die Realität vor Ort sah ganz anders aus: „Es gab ein Buffet, alle haben die Teller und das Besteck angefasst und es war allgemein sehr dreckig. Keiner hat sich an Abstandsregeln gehalten, die anderen Leute standen einem fast schon auf den Hacken.“ Auf Hinweise des Servicepersonals hätten viele Gäste nicht reagiert.

Beim dem Versuch, das Hotelzimmer zu wechseln, haben sie außerdem erfahren, dass das Hotel – anderes als angekündigt – komplett ausgebucht war. „Dabei dürften Hotels mit Buffets in Bulgarien eigentlich gar nicht offen haben. Zumindest hat uns das der Reiseveranstalter vor dem Urlaubsantritt versichert.“

Fünf der sechs Familienmitglieder haben sich mit Corona infiziert.

Die Familie ist sich fast sicher: Sie haben sich im Restaurant angesteckt. Am Strand und bei Ausflügen sei es immer möglich gewesen, auf genug Abstand zu achten und regelmäßig die Hände zu desinfizieren. Das Animationsprogramm am Abend haben sie ganz gemieden. „Da saßen alle wie die Sardinen nebeneinander vor die Bühne gequetscht“, sagt sie. „Wir waren von Deutschland so daran gewohnt, dass sich alle an den Abstand halten, das war ein Schock.“ Auch den Hotelpool haben sie deshalb gemieden.

Schon nach fünf Urlaubstagen kam dann die Nachricht: Ihre Urlaubsregion in Bulgarien wurde als ein Risikogebiet eingestuft. Die Familie hat darauf beschlossen, ihren Urlaub zu verkürzen. „Wir wussten ja, dass wir am Flughafen einen Test machen müssen und auf die Ergebnisse ein paar Tage warten werden. Dafür wollten wir Zeit einplanen. Wir sind ja davon ausgegangen, dass wir montags mit einem negativen Testergebnis wieder ganz normal auf die Arbeit gehen können.“ Doch es kam anders: Fünf der sechs Familienmitglieder haben sich infiziert. Nur die jüngste Tochter wurde negativ getestet. Die ganze Familie muss für zwei Wochen in Quarantäne, zwei von ihnen leiden unter stärkeren Krankheitssymptomen.

Mehr Glück hatte die Familie von Simone Schneider-Seebeck, einer Mitarbeiterin unserer Zeitung. Auch sie hat erst im Urlaub erfahren, dass ihr Urlaubsort Kroatien als Risikogebiet eingestuft wurde. Statt mit dem Flugzeug waren sie im eigenen Auto unterwegs, statt im Hotel in einer Ferienwohnung. „Freunde haben uns ganz besorgt geschrieben und sich große Sorgen gemacht“, sagt Schneider-Seebeck. „Aber wir waren ja immer unter uns.“

Durch Österreich mussten sie ohne anzuhalten durchfahren, sobald sie dann über die deutsche Grenze kamen, wurden sie sofort auf die vielen Schilder zu Corona-Teststationen aufmerksam. „Da kann keiner behaupten, dass er nichts von den Tests wusste“, sagt Schneider-Seebeck. „Die Infotafeln waren überall entlang der Autobahn.“ Der Test selbst habe kaum Zeit in Anspruch genommen. Nach etwa zehn Minuten Wartezeit wurde die Familie direkt im Auto getestet, jeder Mitfahrer bekam seinen eigenen Code, die Registrierung wurde über das Smartphone abgewickelt. Die Ergebnisse der Tests kamen wenige Tage später, „wie erwartet“ negativ, per E-Mail zurück. Trotzdem müssen sie sich nun noch ein Attest beim Arzt besorgen, um die Quarantäne vor Ablauf der zwei Wochen beenden zu können.

Für die Familie Kaltenthaler wurde es nach dem positiven Testergebnis erst mal etwas chaotisch. Die zwei Wochen Quarantäne waren vor allem für die fünfjährige Tochter belastend, widersprüchliche Aussagen haben verwirrt. „Wir haben uns alleingelassen gefühlt“, sagt Sandra Kaltenthaler. Vom Hausarzt habe sie eine Aussage bekommen, vom Ordnungsamt eine andere, von Apothekern wieder eine andere. Auf versprochene Rückrufe, welche Medikamente sie nehmen darf, als es ihr mit Fieber und Husten immer schlechter ging, habe sie vergeblich gewartet. Besonders die Reaktion vieler Bekannter hat sie erschreckt. Ihr Mann hatte keine Symptome, die Quarantäne ist vorbei, er war nicht mehr ansteckend. „Trotzdem wollen die Leute einen gar nicht sehen, viele reagieren einfach sehr schwierig.“

Ihre zwei Wochen Quarantäne sind mittlerweile beendet, doch noch immer hat sie Symptome, erst nach 48 Stunden ohne Symptome darf eine positiv getestete Person die Quarantäne beenden. Wie lange Sandra Kaltenthaler nun noch zu Hause bleiben muss, weiß sie nicht. Was es für ihr eigenes Nagelstudio bedeutet, wenn sie Termine immer wieder verschieben muss, belastet sie. Erst Anfang des Jahres hat sie sich selbstständig gemacht. Es ist ungewiss, ob alle Kunden nun nach dem langen Lockdown und nach ihrer Erkrankung treu bleiben.

Im Nachhinein bereut die Familie den Urlaub sehr. Wären sie vom Reiseveranstalter über die tatsächlichen Umstände vor Ort informiert worden, hätten sie die Reise niemals angetreten, sagt Kaltenthaler. „Das Risiko wäre uns zu groß gewesen. Ich hoffe nur, dass andere Familien unseren Fehler nicht wiederholen.“

Was Reiserückkehrer aus Risikogebieten beachten müssen

Urlauber aus Risikogebieten müssen grundsätzlich auf direktem Weg nach Hause fahren und sich für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben. In dieser Zeit darf das häusliche Umfeld nicht verlassen werden. Auch Besuch darf nicht empfangen werden. Verstöße können mit einer Geldbuße bis zu 25000 Euro verfolgt werden.

Sie sind dazu verpflichtet, sich unverzüglich beim Ordnungsamt der Wohnortgemeinde zu melden. Backnanger Bürger können dies telefonisch unter 07191/894-217 oder per E-Mail an corona@backnang.de tun.

Die Kosten für die Testung von Patienten mit Symptomen übernimmt die jeweilige Krankenkasse. Tests für Patienten ohne Symptome sind innerhalb von 72 Stunden nach Einreise an den Teststandorten des Landes für Reiserückkehrer kostenfrei.

Einreisende können von der Quarantäne befreit werden, wenn sie neben einem negativen Testergebnis auch ein ärztliches Attest vorlegen. Dieses bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion vorhanden sind. Der Test kann auch schon am Urlaubsort gemacht werden.

Negatives Testergebnis und ärztliche Bescheinigung sollten als Fotografie oder Scan per E-Mail an die Adresse corona@backnang.de geschickt werden. Die Quarantäne darf aber erst verlassen werden, wenn dies von den Mitarbeitern des Coronateams schriftlich genehmigt wurde.

Positiv getestete Personen und deren enge Kontaktpersonen müssen eine 14-tägige Quarantäne einhalten.

Bei positiv getesteten Personen darf die Quarantäne 14 Tage nach dem Abstrich beendet werden, wenn die Person seit 48 Stunden ohne Symptome ist. Die Einbeziehung des Hausarztes wird hier empfohlen.