Von Bienen und Bedenkenträgern: Kritik an Volksbegehren

dpa/lsw Stuttgart. Rettet die Bienen - wer könnte da schon etwas gegen haben? Das angestrebte Volksbegehren gegen das Artensterben beschäftigt derzeit die Parteien. Und erhält Gegenwind von ganz unerwarteter Seite.

Gegen das geplante Volksbegehren zur Rettung der Bienen häufen sich die Bedenken. Nach Auffassung des agrarpolitischen Sprechers der Grünen-Landtagsfraktion, Martin Hahn, droht den Ökobauern damit gar ein ruinöser Preiswettbewerb. In einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warnt Hahn davor, alle Forderungen des Volksbegehrens zu übernehmen. Dessen Initiatoren fordern unter anderem den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft auf 50 Prozent bis 2035. „50 Prozent Ökolandbau per Gesetz würde zu einem ruinösen Preiswettbewerb führen, wie wir ihn schon heute in Teilen des konventionellen Landbaus erleben“, zitiert die „Südwest Presse“ aus dem Schreiben.

Ein Volksbegehren zum Schutz der Artenvielfalt ist nach Bayern nun auch in Baden-Württemberg in greifbare Nähe gerückt. Unter dem Motto „Rettet die Bienen“ wurden binnen zweieinhalb Wochen 18 000 Unterschriften gesammelt - 8000 mehr, als für den Zulassungsantrag nötig sind. Nach Angaben der Initiatoren der Vereinigung proBiene soll der Antrag am 26. Juli beim Innenministerium eingereicht werden. Ist der Antrag verfassungskonform und zulässig, setzt das Ministerium einen Zeitraum für das Volksbegehren fest. Dafür müsste dann jeder zehnte Wahlberechtigte in Baden-Württemberg unterschreiben - das sind etwa 770 000 Menschen. In Bayern hatten rund 1,7 Millionen Menschen - fast 18,4 Prozent der Wahlberechtigten - für einen stärkeren Artenschutz unterschrieben.

Zentrale Forderungen sind der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft auf 50 Prozent bis 2035 und die Halbierung der Pestizide. Grünen-Agrarexperte Hahn befürchtet eine Überforderung der Landwirtschaft. „Ich bin seit 33 Jahren Ökobauer und arbeite schon mein Leben lang an der Ökologisierung Baden-Württembergs“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Der ökologische Landbau sei wegen geringerer Erträge und eines höheren Aufwands abhängig von hohen Preisen. „Ohne höheren Preis können wir ökologischen Landbau nicht betreiben.“

Er kritisiert auch die Forderungen nach dem völligen Verzicht von Pflanzenschutzmitteln in allen Schutzgebieten, der die Bauern überfordere und im Widerspruch zum geforderten Ausbau des Ökolandbaus stehe. „Das muss ich anzeigen als agrarpolitisch Verantwortlicher.“ Hahn sieht seine Fraktion hinter sich.

Die Fraktion geht allerdings auf Distanz zum eigenen agrarpolitischen Experten. Nach Angaben eines Fraktionssprechers handelt es sich um die einzelne Meinung eines Abgeordneten, „in dem Fall nicht als agrarpolitischer Sprecher der Fraktion“. Die Grünen-Fraktion stehe dem Volksbegehren positiv gegenüber. Die Forderung nach einer Ökoquote von 50 Prozent sei ambitioniert, aber man wolle versuchen so viel wie möglich umzusetzen. Man habe sich in der Frage noch nicht klar positioniert. „Das ist ein laufender Prozess.“

Dem Bericht der „Südwest Presse“ zufolge lehnt auch der Landeschef des Ökoanbauverbands Bioland, Marcus Arzt, das Begehren ab. Er hat sich demnach in einem separaten Schreiben an Kretschmann gewandt. Dem Gesetzentwurf fehle „die notwendige Ausgewogenheit und Umsetzbarkeit“, zitiert die Zeitung aus einem separaten Brief von Arzt an Kretschmann. Der Landesvorstand habe sich geschlossen dagegen entschieden, die Initiative zu unterstützen, heißt es darin. Man habe die Sorge, dass „ein einseitig sprunghaft steigendes Angebot die Absatzmöglichkeiten negativ beeinflussen würde, wenn keine umfassende Nachfragestimulierung für heimisches Bio den Vorstoß begleitet“.

Arzt gab sich am Freitag auf Nachfrage verschlossen und wollte die Existenz des Briefes nicht bestätigen. Man befinde sich in konstruktivem Austausch mit den Fraktionen, sagte er lediglich.

Die CDU zeigt sich zumindest skeptisch gegenüber dem Volksbegehren. Die Auswirkungen einzelner Maßnahmen müssten vertieft geprüft und deren Tragweite bewertet werden, heißt es in einem Antrag der Fraktion an das grün geführte Umweltministerium, der am Dienstag einstimmig beschlossen wurde. „Es sollte vermieden werden, dass möglicherweise schon etablierte Instrumente nicht mehr eingesetzt werden können oder wesentliche Förderungen zum Natur- und Umweltschutz nicht mehr im bisherigen Maße realisierbar sind.“ In dem Antrag stellen sie einige Fragen zum Volksbegehren, etwa zu finanziellen Auswirkungen und zu Folgen für die Landwirtschaft.

Die FDP fordert von der CDU bei dem Thema mehr Rückgrat. Der Fraktionssprecher für ländliche Räume, Klaus Hoher, spricht von „massiven Eingriffen ins Eigentumsrecht, ins Recht auf freie Berufsausübung, in den Datenschutz und in die kommunale Flächennutzungsplanung“. Die Umsetzung der Forderungen würden für das Land extrem teuer werden, sagte Hoher der „Schwäbischen Zeitung“. Das angestrebte Verbot von Pflanzenschutzmitteln käme „einem Verbot der konventionellen Landwirtschaft durch die Hintertür gleich“.