„Von unserer Seite ist nichts beerdigt“

Das Sommerinterview: CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert fordert in der Diskussion ums Kaelble-Areal mehr Sachlichkeit

Der Backnanger Gemeinderat macht gerade Sommerpause: Eine guter Zeitpunkt, um mit den Sprechern der fünf Fraktionen in Ruhe über Kommunalpolitik zu reden und auch schon einen Ausblick auf die Kommunalwahl 2019 zu wagen. Zum ersten Sommerinterview unter freiem Himmel treffen wir die CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert auf der Terrasse des Restaurants Stadtblick.

„Von unserer Seite ist nichts beerdigt“

Mit dem Stadtturm als Kulisse äußert sich Ute Ulfert auch zu den zahlreichen städtischen Bauprojekten: „Ich glaube nicht, dass wir es schaffen, alles auf einmal umzusetzen.“ Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Wenn man regelmäßig die Sitzungen des Backnanger Gemeinderats verfolgt, fällt auf, dass die CDU-Fraktion fast immer für die Vorschläge der Verwaltung stimmt. Machen OB Nopper und seine Mitarbeiter alles richtig?

Sie machen sicher nicht alles richtig, aber sie machen vieles richtig. Sie sind Fachleute und haben die Themen in der Regel gut vorbereitet. Aber wir stimmen nicht zu, weil wir immer für Herrn Dr. Nopper stimmen wollen, sondern nur, wenn wir finden, dass die Vorlagen gut erarbeitet sind und es ein vernünftiger Vorschlag ist. Wir haben auch manchmal andere Ideen als die Verwaltung, etwa beim Bau der Mensa an der Mörikeschule. Da wollte die Verwaltung die kleinere und günstigere Version. Wir haben gesagt: Nein, wir machen gleich die größere Variante, weil wir annehmen, dass die Nachfrage der Eltern in Zukunft eher steigen wird. Ein weiteres Beispiel ist der Kreisel an der Aspacher Straße, der von einem Gemeinderat „Ketterer-Kreisel“ genannt wurde.

Der häufige Konsens mit der Verwaltung macht es schwierig, einen eigenen Kurs der CDU zu erkennen. Wofür steht Ihre Fraktion?

Für eine sachorientierte Arbeit. Wir versuchen, bei allen Entscheidungen das Wohl der Bevölkerung in Backnang an erste Stelle zu setzen, natürlich unter Betrachtung der finanziellen und sonstigen Möglichkeiten. Uns ist wichtig, dass wir immer auf der Sachebene entscheiden und es nicht darum geht, wer hat mehr recht oder wer kann sich besser durchsetzen? Denn so etwas tut kommunalen Entscheidungen in der Regel nicht gut.

Backnang wächst: Bis zu 900 neue Wohnungen sollen in den nächsten Jahren entstehen. Das heißt aber auch: Viele Baustellen, noch mehr Verkehr, weniger Freiflächen. Befürchten Sie nicht, dass die Lebensqualität unter diesem Wachstum leiden wird?

Das befürchte ich schon. Deshalb haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass wir nicht erst Häuser hinstellen dürfen und dann die Verkehrsplanung machen, sondern diese zuerst brauchen. Wichtig ist uns, dass noch Grünflächen bleiben, wo die Bürger sich erholen können. Und was wir auch noch nicht gelöst haben, ist die Frage: Wo bleiben die Autos? Ich erlebe das jeden Tag, wenn ich bei Hausbesuchen keinen Parkplatz in den Wohngebieten mehr finde.

Heißt das, Sie wollen beim Wachstum eher bremsen?

Das ist ein Riesenspagat und nicht so einfach zu lösen. Wir brauchen dringend Wohnungen, aber wir sollten beim Wachstum noch genauer hinschauen und uns bei jeder neuen Bebauung fragen, was das mit dem Viertel macht. Wir sehen es gerade in der Südstadt: Mit den vielen Wohngebieten, die dort entstanden sind, ändert sich auch die Bevölkerungsstruktur. Plötzlich sind ganz viele Kinder da. Aber wo sollen die hin? Die Kindergärten und Schulen müssen sie ja auch aufnehmen können. Deshalb haben wir immer wieder darauf gepocht, dass der Stadtentwicklungsausschuss häufiger tagt, damit wir längerfristige Planungen im Kopf haben. Die Entwicklung kann sich ja irgendwann wieder drehen.

Neben vielen privaten sind auch etliche städtische Bauprojekte geplant, angefangen beim Hochwasserschutz über die Neugestaltung des Rathausplatzes und des Bahnhofsumfelds bis hin zum Neubau der Karl-Euerle-Halle. Nimmt sich die Stadt da nicht ein bisschen viel auf einmal vor?

Das ist ein riesiges Investitionsvolumen und ich denke, wir müssen über die Zeitschienen sprechen. Es gibt Dinge, die sind prioritär: Den Hochwasserschutz müssen wir machen, da haben wir keine Wahl. Das Gleiche gilt für den Ausbau der Kinderbetreuung. Und am Bahnhof brauchen wir zwingend die neue Brücke, damit die Bürger endlich barrierefrei an die Gleise kommen. Bei allem anderen denke ich, dass wir noch einen längeren Atem brauchen werden. Ich glaube nicht, dass wir es schaffen, alles auf einmal umzusetzen.

Die mittelfristige Finanzplanung sieht einen Anstieg der Verschuldung bis 2021 von derzeit knapp 4 auf mehr als 20 Millionen Euro vor. Ist ein solches Investitionsprogramm auf Pump nicht hochriskant?

Wenn wir dafür etwas bauen, sind es rentierliche Schulden, aber wir müssen schon aufpassen, dass die Verschuldung nicht zu hoch wird. Wir haben zuletzt sehr gute Jahre gehabt, aber es ist nicht garantiert, dass es so bleibt. Und wir müssen immer an die Folgekosten denken: Wenn wir etwa einen neuen Kindergarten bauen, müssen wir auch jedes Jahr die Mitarbeiter bezahlen, die dort arbeiten. Das schränkt den Rahmen für die Investitionen noch weiter ein.

Auch die Baukosten steigen zurzeit drastisch an. Die Kostenschätzung für den Neubau der Karl-Euerle-Halle hat sich schon jetzt von 11 auf knapp 13 Millionen Euro erhöht. Und das dürfte noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Wird Ihre Fraktion den Hallenbau auch noch unterstützen, wenn er am Ende 15, 18 oder 20 Millionen kostet?

Irgendwo wird es sicher eine Reißleine geben. Im Moment befürworten wir den Hallenbau. Sollte es aber zu einer eklatanten Preissteigerung kommen, müssen wir noch mal überlegen, was machbar ist. 20 Millionen würden uns ja für eine ganze Weile die Luft für alles andere abdrehen. Aber wir wissen natürlich, dass die Sportler schon jetzt sehr enttäuscht sind, weil der Neubau nicht so zeitnah kommt, wie man es ursprünglich gehofft hatte. Unsere Fraktion ist auch enttäuscht, weil die Sportstättenförderung mit 600000 Euro doch sehr bescheiden ausfällt.

Riva-Chef Hermann Püttmer greift Verwaltung und Gemeinderat immer wieder frontal an, zuletzt mit einer „Todesanzeige“ für das Kaelble-Areal. Was ist aus Ihrer Sicht die richtige Reaktion auf solche Provokationen?

Die richtige Reaktion ist, mit ihm auf einer Sachebene im Gespräch zu bleiben, was die Stadtverwaltung auch versucht. Man wird sich wieder mit ihm treffen und die weitere Entwicklung besprechen, aber es ist klar, dass das, was dort unten entsteht, zur Stadt und ihren Maßstäben passen muss – egal welcher Architekt sich das ausgedacht hat.

Aber steckt in Püttmers Kritik nicht auch etwas Wahres: In anderen Städten würde man einem Investor, der solche Großprojekte plant, doch den roten Teppich ausrollen.

Angenommen, ich würde Ihnen eine ganz scheußliche Vase schenken, aus Kupfer gehämmert, sehr teuer. Würden Sie sich darüber freuen, auch wenn sie nicht in Ihre Wohnung passt? Das Kaelble-Areal ist so ein großes Gebiet: Wenn die Gebäude dort viel, viel größer und höher sind als alles, was drumherum ist, dann passt das nicht unbedingt. Und es geht nicht nur um die Wohngebäude, sondern auch um Fragen wie: Wollen wir dort eine Universität oder ein riesiges Kongresszentrum? Ich kann Ihnen nicht sagen, warum es in Backnang so besonders schwierig läuft mit Herrn Püttmer, aber es gab hier eben schon Beispiele, wo Absprachen nicht eingehalten wurden, wie bei der Villa Adolff. Die Verwaltung hat also schon ihre Erfahrungen gemacht.

Wäre es Ihnen lieber, wenn der jetzige Zustand auf dem Kaelble-Areal noch einmal 10 oder 20 Jahre so bleibt, wie er ist?

Nein, das nicht. Wir freuen uns, wenn da unten etwas stattfindet, und ich gehe davon aus, dass die Gespräche weitergeführt werden. Von unserer Seite ist jedenfalls nichts beerdigt. Aber das Gebiet muss in Schritten entwickelt werden. Sie können nicht einfach so ein neues Stadtgebiet erfinden. Wir sehen ja schon bei den kleineren Bauprojekten in der Südstadt, was sich dadurch alles ändert: Die Nachbarschaften, der Verkehr, und die Bewohner, die dort hinziehen, haben ja auch Kinder, für die wir Kitas und Schulen brauchen.

In neun Monaten ist Kommunalwahl. Mit welchen Themen wollen Sie im Wahlkampf punkten?

Backnang ist in den vergangenen Jahren an vielen Stellen sehr viel schöner geworden, finde ich. Man sieht ja auch an den Zuzügen, dass die Menschen gerne nach Backnang kommen und gerne hier leben. Das wollen wir erhalten und weiterentwickeln. Ganz wichtig ist uns etwa, dass es mit dem barrierefreien Bahnhof endlich klappt. Der Vorstoß mit der Mobilitätsdrehscheibe kam ja aus unserer Fraktion. Wir wollen dafür sorgen, dass es ausreichend bezahlbaren Wohnraum gibt, dass die Innenentwicklung aber so geschieht, dass sich die Bürger, die bereits hier wohnen, noch wohlfühlen. Und natürlich muss alles finanzierbar bleiben, damit es auch langfristig funktioniert.

Werden die amtierenden Stadträte alle wieder antreten oder streben Sie einen Generationswechsel an?

Ich gehe davon aus, dass die bisherigen Stadträte weiter zur Verfügung stehen werden. Eine Verjüngung wünschen wir uns aber natürlich immer. Deshalb hoffen wir, dass wir vielleicht noch Sitze hinzugewinnen.