Vor Baubeginn schon 25 Prozent teurer

Mit dem Neubau der Karl-Euerle-Halle in Backnang wurde zwar noch nicht begonnen, aber die Baukosten steigen bereits um drei Millionen Euro. Die Gesamtkosten summieren sich auf 15,7 Millionen Euro. Der Gemeinderat stimmt dem weiteren Vorgehen zu.

Vor Baubeginn schon 25 Prozent teurer

Zwischen Halle und Realschule ist nicht viel Platz. Dort werden nun die Versorgungsleitungen neu verlegt. Wenn jetzt alles klappt, wird in einem Jahr mit dem Abriss begonnen. Dann könnte die neue Karl-Euerle-Halle im April 2023 in Betrieb genommen werden. Foto: F. Muhl

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Obwohl die Kosten für den Neubau der Karl-Euerle-Halle schon vor dem Beginn der Arbeiten um drei Millionen Euro beziehungsweise um 25 Prozent auf insgesamt 15,7 Millionen Euro steigen, hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung einstimmig dem weiteren Vorgehen der Verwaltung zugestimmt. Wobei einstimmig das Meinungsbild nicht ganz treffend wiedergibt. Es gab immerhin sechs Enthaltungen und auch deutliche Kritik. Zum einen wegen Zusatzkosten, zum anderen die immer wiederkehrende Kritik einiger weniger Stadträte am Standort.

Für den neuen Leiter des Hochbauamts, Andreas Stier, war es eine undankbare Aufgabe, gleich zu Beginn seiner Amtszeit die Mehrkosten aufzuschlüsseln. Mehrkosten in Höhe von 450000 Euro sind laut Stier fällig, weil zahlreiche Versorgungsleitungen bereits vor dem Abbruch der alten Halle umverlegt werden müssen. Bisher lagen die Leitungen für Strom, Wasser oder Abwasser direkt unter der Halle. Sie versorgten nicht nur das Gebäude an sich, sondern auch die benachbarte Max-Eyth-Realschule, die Mensa oder das Max-Born-Gymnasium. Die Verlegung ist nicht einfach, da das Baufeld sehr eng ist, die benachbarten Gebäude lassen nicht viel Spielraum. Stier über die Mehrkosten: „Die erforderlichen Eingriffe in die Infrastruktur auf der Maubacher Höhe waren zum Stand der Projektstudie 2016 nicht bekannt. Die Auswirkungen und Kosten waren erst nach der vertieften Fachplanung erkennbar geworden.“

Viel gewichtiger sind Kosten, die mit dem Abbruch des Gebäudes zusätzlich anfallen, hier ist die Rede von 1,2 Millionen Euro. Als schlimmste Preistreiber nennt Stier die Deponiekosten, die seit der Machbarkeitsstudie 2016 um 65 Prozent gestiegen sind. Und als würde das noch nicht ausreichen, haben die Experten auch einen erheblich höheren Anteil an Schadstoffen festgestellt. Aufgelistet werden Asbest als Brandschutzplatten an Wänden und Decken oder FCKW in den Dachdämmstoffen.

Damit nicht genug. Weil für den künftigen Generalunternehmer ein freies Baufeld hergestellt werden muss und die neuen Außenanlagen nun doch erheblich umfangreicher ausfallen, müssen 20000 Tonnen Erdreich zusätzlich ausgebaggert werden. Dabei sind die Kapazitäten der Deponien – nicht zuletzt wegen S21 – nahezu ausgeschöpft. Ob jeder Kubikmeter auf den Deponien landet oder ob die Verwaltung dafür noch kreative Lösungen entwickelt, die Erde anderweitig einzubauen, ist noch nicht entschieden.

Selbst die Ingenieurleistungen steigen nochmals um 450000 Euro.

Nun ist es so, dass sich die Ingenieurleistungen immer an den Gesamtkosten orientieren. Wenn also diese Kosten steigen, dann steigen auch die Honorare. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass weitere 450000 Euro fällig werden.

Und noch eins. Das gesamte Projekt verschiebt sich seit Jahren. Zuletzt wegen Corona. Die Verzögerung der Planungs- und Vergabeverfahren sowie des möglichen Baubeginns machen laut Stier eine Kostenanpassung erforderlich, weil die Baupreise unbeeindruckt von allen äußeren Faktoren steigen. Und so prognostiziert die Verwaltung für die Vergabe des Neubaus an den Generalunternehmer im März nächsten Jahres eine „notwendige Kostenanpassung in Höhe von etwa 500000 Euro“. Stadtbaudezernent Stefan Setzer bremste denn auch die Erwartung, dass die Baupreise aufgrund der Coronakrise sinken könnten.

Unterm Strich summieren sich die Kosten für die neue Halle auf 15,7 Millionen Euro. Bislang steht nur fest, dass es einen Zuschuss für die kommunale Sportförderung in Höhe von 600000 Euro gibt. Im Etat der Stadt ist bisher ein Budget von 12 Millionen Euro eingestellt. Was somit bedeutet, dass bis 2023 weitere 3,1 Millionen Euro zu finanzieren sind. Vorausgesetzt, es gibt keine weiteren Zuschüsse.

Aber eben mit solchen Zuschüssen liebäugelt Erster Bürgermeister Siegfried Janocha. Er kündigte an, man werde versuchen, noch Zuschüsse für den Abbruch zu bekommen. Dazu seien schon Gespräche mit dem zuständigen Ministerium geführt worden. Janocha nannte auch eine Hausnummer, wie hoch die Förderung ausfallen könnte: 900000 Euro.

Dieses Vorgehen stieß nicht bei allen Stadträten auf Wohlgefallen. Rolf Hettich (CDU) riet dringend davon ab, nochmals auf Zuschüsse zu warten. Zwar sei die Coronakrise nicht vorhersehbar gewesen, aber wenn das Projekt jetzt schon am Laufen wäre, hätte die Hallenschließung weniger geschmerzt, da derzeit eh kein Unterricht stattfindet. Hettich zeigte sich enttäuscht, dass sich das Projekt nochmals um ein halbes Jahr verschiebt. Auch Fraktionskollegin Ute Ulfert nannte es ärgerlich: „Je länger wir warten, umso teurer wird es. Deshalb ist es jetzt wichtig, dass wir bald mit dem Bau anfangen. Ich rate auf jeden Fall von einer erneuten Verschiebung ab.“ Das Wort ärgerlich in Bezug auf die Nachfinanzierung bemühte auch Heinz Franke (SPD). Aber auch er bekannte sich eindeutig zum Neubau: „Wir müssen am Projekt festhalten, auch im Interesse unserer Schulen und Vereine.“ Als ärgerlich bezeichnete es Ulfert zudem, jetzt mit neuen Kosten konfrontiert zu werden. „Da kann man sich fragen, war das nicht vorhersehbar?“ Hettich wurde noch deutlicher: „Ich bin überrascht, dass die Schadstoffproblematik erst jetzt ans Licht kommt.“ Schadstoffe sind aber laut Setzer „ein Phänomen, das immer wieder auftaucht“. Er räumte ein, gewusst zu haben, dass es in den Fugen und im Dach Asbestbelastung gebe. „Aber die gewichtigste Position ist doch, dass die Deponiekosten um 65 Prozent gestiegen sind.“ Setzer plädierte für Offenheit, „wir machen keine Salamitaktik“. Es gehe nicht nach dem Motto, jetzt werde die Halle abgerissen, der Rest werde dann schon auch noch bezahlt.

„Wir wären die einzige Stadt, die eine Halle baut, wo keine Schule steht.“

Trotzdem war die Kostenerhöhung eine Steilvorlage für alle Kritiker. So klagte Karl Scheib (BfB): „Wir haben schon immer mit Kosten von 16 Millionen Euro gerechnet. Jetzt kommt es schon vor Baubeginn zu einer Kostensteigerung von 25 Prozent, das ist schon herb.“ Auch Michael Malcher (AfD) nörgelte: „Jeder, der eine Garage baut, weiß, es wird am Ende immer teurer. Aber dieses Projekt wird schon teurer, bevor wir überhaupt damit anfangen.“ Als dann Scheib erneut dafür plädierte, die Halle in der Oberen Walke zu bauen, „das wäre günstiger“, meldete sich Oberbürgermeister Frank Nopper zu Wort: „Das wäre eine Reise nach Absurdistan. Eine Halle muss bei der Schule stehen.“ Armin Dobler (SPD) pflichtete ihm bei: „Wir wären die einzige Stadt, die eine Halle baut, wo keine Schule steht.“

Die Preissteigerung ist indes noch nicht in Stein gemeißelt. Setzer deutete an, dass sechs Firmen großes Interesse am Projekt haben. „Wir können unter Umständen interessante Preise bekommen.“ Das Gremium vergab sodann die Planung, die Vorbereitung der Vergabe und den Abbruch der Halle. Dieser soll von Juni bis November nächsten Jahres stattfinden. Baubeginn für die neue Halle soll noch im Dezember 2021 sein. Der Neubau kann laut Planung in 15 Monaten fertiggestellt werden.

Kommentar
Fehler im System

Von Matthias Nothstein

Die ärgerlichen Verzögerungen beim Hallenneubau haben unter anderem folgenden Grund: Die Verwaltung hat mehrfach abgewartet, ob Backnang einen Zuschuss zum Neubau bekommt. Und bis zu der jeweiligen Entscheidung durfte das Projekt nicht zu weit fortgeschritten sein, sonst gibt es keinen Zuschuss. Die Logik des Geldgebers dahinter: Wenn die Stadt bauen kann, unabhängig von einer Finanzspritze des Landes oder des Bundes, dann soll sie das nur schön machen. Dann aber ohne Zuschuss, der ist ja offensichtlich nicht zwingend nötig.

Und eben das ist ein Fehler im System. Viel sinnvoller wäre es doch, andere Kriterien anzuwenden. Ob der Neubau zum Beispiel sinnvoll und nötig ist. Wenn diese Frage mit Ja beantwortet werden kann, dann sollte das Projekt gefördert werden, unabhängig von der Finanzlage der Stadt oder dem Baufortschritt. Wäre dies die Grundlage der Zuschussentscheidung, dann würde im Backnanger Fall die Halle vermutlich längst stehen.

So aber reiht sich Verzögerung an Verzögerung. Die Baukosten steigen fast automatisch. Mit der Besonderheit Corona als zusätzlichem Rucksack ist selbst fraglich, ob das Ziel Eröffnung 2023 eingehalten werden kann.

Dass die Baukosten nahezu immer höher ausfallen als die Prognosen, das ist üblich. Aber einige Positionen dabei wie etwa die Baupreissteigerungen wären ohne das ständige Abwarten vermeidbar gewesen. Diese zwangsläufigen Kostensteigerungen sind ärgerlich.

m.nothstein@bkz.de