Vorerst kein WLAN am Bahnhof

Stadt Backnang und Gemeinderat haben Angst vor unerwünschtem Publikum – Freifunk-Initiative reagiert enttäuscht

Wer am Backnanger Bahnhof im Internet surfen will, muss auch künftig sein privates Datenvolumen strapazieren. Aus Sorge, einen neuen Brennpunkt zu schaffen, hat der Gemeinderat die Pläne für ein öffentliches WLAN im Bahnhofsbereich vorerst zu den Akten gelegt.

Vorerst kein WLAN am Bahnhof

Kostenloses Surfen auf dem Bahnhofsvorplatz in Backnang bleibt ein Traum. Der Gemeinderat hat seine Pläne auf Eis gelegt. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Eigentlich sollte es in der nicht öffentlichen Sitzung des Finanz- und Verwaltungsausschusses am Donnerstagabend nur noch um die Frage gehen, wer das öffentliche WLAN am Backnanger Bahnhof betreiben soll. Neben dem kommerziellen Anbieter Unitymedia, der bereits das Funknetz rund ums Rathaus und im Biegel betreibt, hatte auch die ehrenamtliche Freifunk-Initiative ein Angebot abgegeben. Dieses war mit Kosten von 12600 Euro für drei Jahre zwar deutlich günstiger als das von Unitymedia (20450 Euro), trotzdem wollte die Verwaltung dem Gemeinderat den professionellen Dienstleister empfehlen. Anders als die Freifunker biete dieser die Möglichkeit, auf der Startseite darauf hinzuweisen, dass die Stadt das Angebot finanziert. Außerdem könnte das Netz dann wie in der Innenstadt unter dem Namen „Free Wifi BK“ laufen.

Ob die Stadträte dieser Argumentation mehrheitlich gefolgt wären, ist fraglich. Bürgerforum Backnang und Bündnis 90/ Die Grünen hatten sich bereits im Vorfeld für die Freifunker ausgesprochen, auch die SPD ließ Sympathien für die Ehrenamtlichen erkennen.

Doch zu einer Abstimmung kam es erst gar nicht. Stattdessen präsentierte der Wirtschaftsbeauftragte Ralf Binder den Stadträten in der Sitzung einen Artikel aus der Ludwigsburger Kreiszeitung, in dem über Probleme am Ludwigsburger Bahnhof berichtet wird. Dort hätten sich „viele junge Menschen, oft Zuwanderer und Flüchtlinge, in großer Zahl“ vor dem Bahnhof versammelt, um kostenlos im Internet zu surfen. Dies habe Reisenden den Zugang zum Bahnhofsgebäude erschwert, außerdem sei es wiederholt zu „Ordnungsstörungen“ gekommen. Das kostenlose WLAN sei deshalb zeitweise abgeschaltet worden.

Nach Aussage von Stadträten erweckte Binder dabei, wie auch in einer gestern verschickten und später korrigierten Pressemitteilung, den Eindruck, als handle es sich dabei um ganz aktuelle Entwicklungen. Tatsächlich ist der Zeitungsartikel aber schon ein Jahr alt, und die Probleme am Ludwigsburger Bahnhof sind nach Aussage des städtischen Pressesprechers Clemens Flach längst gelöst: „Das waren Anfangsprobleme. Mit der Situation, wie sie sich jetzt am Bahnhof darstellt, sind wir zufrieden.“

Thema liegt bis Jahresende auf Eis

Den Backnanger Stadträten war die Sache allerdings zu heiß, zumal Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer berichtet hatte, der Busbahnhof sei schon heute ein Treffpunkt für problematische Jugendliche. Deswegen habe es dort auch schon Polizeieinsätze gegeben.

Mit Ausnahme von Grünen-Stadtrat Willy Härtner sprach sich der Ausschuss deshalb dafür aus, das WLAN-Thema auf Eis zu legen – zumindest bis Jahresende. „Wir wollen ja keinen neuen Brennpunkt bilden“, sagt die CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert. Vor einer Entscheidung müsse man erst einmal die weitere Entwicklung beobachten und die Erfahrungen aus anderen Städten auswerten. SPD-Fraktionschef Heinz Franke sieht auch keinen großen Handlungsdruck: „Datenvolumen ist mittlerweile so günstig, dass die meisten ihr Smartphone ja trotzdem nutzen können.“ Auch das Bürgerforum trägt die Entscheidung mit: „Wir können das nachvollziehen. Natürlich dürfen wir nicht mit Steuermitteln Angsträume schaffen“, sagt Stadtrat Eric Bachert. Die Gefahr, dass sich der Bahnhof zu einem Treffpunkt für Flüchtlinge entwickeln könnte, sieht er allerdings nicht: „In den städtischen Flüchtlingsunterkünften haben wir ja WLAN.“

Enttäuschung herrscht indes bei Konrad Panzlaff und seinen Mitstreitern von der Freifunk-Initiative: „Ein schneller Internetzugang gehört heutzutage zur Infrastruktur einer Stadt wie die Straßenbeleuchtung“, sagt er. Allerdings will er sich nicht entmutigen lassen: „Wir werden nicht aufgeben. Mich spornt diese Entscheidung eher an, mich auch politisch noch stärker zu engagieren“, sagt Panzlaff, der im Mai auf der Grünen-Liste für den Gemeinderat kandidiert.

Willy Härtner hält das Ganze für ein abgekartetes Spiel: „Die Verwaltung hat von Anfang an versucht, die Sache abzuwürgen. Jetzt hat sie ein Mauseloch gefunden, wie sie da rauskommt“, schimpft der Grünen-Fraktionschef und kündigt an, den WLAN-Ausbau in Backnang zum Wahlkampfthema vor der Gemeinderatswahl zu machen.

Kommentar
Noppers Taktik geht auf

Von Kornelius Fritz

Der Backnanger OB Frank Nopper ist ein gewiefter Taktiker. Das beweist er immer dann, wenn ihm im Gemeinderat eine Niederlage droht. Wie vor zwei Jahren bei der Himmelsleiter. Als die Kritik an der geplanten Stahltreppe vom Murrufer zum Stiftshof immer lauter wurde, machte der OB eine elegante Kehrtwende und erklärte, aufgrund neuer Entwicklungen sei nun doch die Kirchstaffel wichtiger. Die wurde dann zwar auch nicht saniert, aber Nopper hatte die Kuh vom Eis und eine Abstimmungsniederlage verhindert.

Nach dem gleichen Schema hat der OB nun auch das WLAN-Thema vom Tisch geräumt. Schon bei der Ausschusssitzung im Januar wurde deutlich, dass die Verwaltung – aus welchen Gründen auch immer – keine Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Freifunkern möchte. Doch für den Vorschlag, das Netz trotz höherer Kosten von Unitymedia betreiben zu lassen, hätte es im Gemeinderat wohl keine Mehrheit gegeben.

Also zauberte Nopper – in nicht öffentlicher Sitzung – ein weiteres Mal „neue Entwicklungen“ aus dem Hut. Dass die so neu gar nicht sind und die Probleme am Ludwigsburger Bahnhof längst gelöst wurden, haben die Stadträte in ihrer Angst, am Bahnhof einen Brennpunkt zu schaffen, gar nicht mitbekommen.

Und so wandert nun ein Projekt, von dem viele Backnanger profitiert hätten, in die Schublade – mit Wiedervorlage am Sankt-Nimmerleins-Tag.

k.fritz@bkz.de