Vorm Zusammenschluss ging’s heiß her

50 Jahre Gemeindereform: Das kommunale „wer mit wem“ gestaltete sich geradezu dramatisch, bis das Format der heutigen Gemeinde Allmersbach im Tal dann endlich offiziell feststand. Der heutige Ortsteil Heutensbach war damals heiß umworben und innerlich gespalten.

Vorm Zusammenschluss ging’s heiß her

Das altehrwürdige Heutensbacher Rathaus hat mitunter sehr turbulente Sitzungen erlebt, als der Ort noch selbstständig war. Foto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

Allmersbach im Tal. Stinkbomben und Ofenqualm zur Vergrämung andersdenkender Gemeinderäte haben sich in der kommunalpolitischen Auseinandersetzung gottlob nicht durchgesetzt. Es ist mittlerweile auch schon 50 Jahre her, dass im altehrwürdigen Heutensbacher Rathaus zu solchen Mitteln gegriffen wurde. Damals ging es um eine wichtige Entscheidung: Wem sollen sich die Heutensbacher anschließen? Weissach im Tal oder Allmersbach im Tal?

Heutzutage ist es längst kein umstrittenes Politikum mehr, dass die beiden Ortschaften Allmersbach im Tal und Heutensbach eine gemeinsame Gemeinde bilden. Vor einem halben Jahrhundert aber, als beide noch eigenständige Gemeinden waren, sah das eben noch ganz anders aus. Ziel der bundesweiten kommunalen Neugliederung war auch in Baden-Württemberg, die Anzahl der Gemeinden zu verringern und durch die Eingemeindungen und Zusammenschlüsse zukunftsfähiger zu machen.

Das Stuttgarter Regierungspräsidium und das Landratsamt des damaligen Kreises Backnang hatten jedenfalls eine klare Zielplanung, wie sie es damals nannten: Allmersbach im Tal sollte zusammen mit Heutensbach eine neue Gemeinde bilden, da hier geradezu ideale Voraussetzungen zur Bildung einer Einheitsgemeinde vorlägen. Den Gemeinden Heiningen und Waldrems, die einen Zusammenschluss mit Allmersbach im Tal, Heutensbach und Nellmersbach anstrebten, hatte der Allmersbacher Bürgermeister Wilhelm Schadt zwischenzeitlich eine Abfuhr erteilt und erklärt, dass seine Gemeinde sich „nicht nach Westen binden wolle, sondern dort, wo die Sonne aufgeht“. Der Allmersbacher Gemeinderat formulierte dann ein Angebot an die Heutensbacher. Demnach würden die gesamten Mehrzuweisungen nach dem Zusammenschluss für Aufgaben in Heutensbach verwendet. Hier war von immerhin 953000 DM die Rede. Auch die Schaffung eines Gemeindezentrums an der Gemarkungsgrenze der beiden Orte sah das Angebot vor.

Man würde ein gemeinsames Rathaus errichten, ebenso eine gemeinsame Grundschule und ein Kirchengebäude für die evangelische wie die katholische Gemeinde. Außerdem würde die Gemeinde Allmersbach im Tal sich dazu verpflichten, verschiedene öffentliche Einrichtung zu übernehmen und weiterzuführen, so etwa den Friedhof mit Leichenhalle und eine staubfreie Müllabfuhr mit Müllplatzbenutzung in Heutensbach. Die Feuerwehr sollte mit bester Ausrüstung versehen werden, so das Versprechen. Heutensbach sollte auch die eigene Poststelle behalten, der Streu- und Räumdienst sollte ebenfalls weitergeführt werden und die Vatertierhaltung in Gestalt des Gemeindebullen in Heutensbach bleiben. Ebenso ein gewichtiges Pfund im Allmersbacher Angebot: die Sicherstellung der Wasserversorgung für Heutensbach. „Über das künftige Neubaugebiet Heutensbach (Glasäcker) könnte auf kürzestem Wege ein Anschluss an die Wasserversorgung des Baugebiets Wacholder (Allmersbach im Tal) erfolgen“, zitierte damals die Backnanger Kreiszeitung das Angebot. Man werde bemüht sein, den Wasserzins so niedrig wie möglich zu halten, versprach der Allmersbacher Bürgermeister den Heutensbacher Gemeinderäten.

Durch eine gezielte Bebauung sollten beide Gemeinden rasch zusammenwachsen, so Schadts Vision. Ihre Vereine würden gleichberechtigt unterstützt. Möglichst bald, so das Versprechen, sollte ein Kindergarten in Heutensbach in Betrieb genommen werden, am besten im neu erstellten Heutensbacher Gemeindehaus, wobei Allmersbach „die für die Aufstockung erforderlichen Kinder zuführen“ wollte.

Ein Kinderspielplatz und ein Sportplatz für die Heutensbacher Jugend wurden auch in Aussicht gestellt. Zudem wurde versprochen, sich um einen beleuchteten Fußgängerweg entlang der Kreisstraße von Heutensbach nach Allmersbach zu kümmern. Schließlich gehe es um die Sicherheit der Schulkinder, und das Zusammenwachsen beider Gemeindeteile würde es auch befördern. Zu guter Letzt wurde den Heutensbachern versprochen, dass ihr achtköpfiger Gemeinderat bis 1974 in seiner bestehenden Form übernommen würde. Der Allmersbacher Bürgermeister Schadt wusste freilich, dass bislang nicht alles eitel Sonnenschein im Verhältnis der Gemeinden gewesen war. „Der Gemeinderat von Allmersbach bittet nicht nur die Gemeinderäte, sondern auch die gesamte Bevölkerung von Heutensbach, alles Unliebsame der Vergangenheit zu vergessen und am Aufbau einer neuen leistungsfähigen Gemeinde mitzuarbeiten“, so seine Worte. Schön und gut, dachten sich die Heutensbacher Gemeinderäte, aber es kann ja nichts schaden, auch die Gemeindepolitiker in Weissach um ein Angebot zu bitten. Es gab schließlich etliche, vornehmlich alte Leute, die unter anderem vom sonntäglichen Kirchgang her Richtung Weissach orientiert und dort auch zur Schule gegangen waren. Die Weissacher machten den Heutensbachern dann das Angebot, ihnen einen Kindergarten einzurichten, ein Tanklöschfahrzeug zu besorgen, ihre kulturelle Eigenständigkeit zu bewahren und dreien ihrer Vertreter Platz im Gemeinderat einzuräumen. Die Wasserversorgung sollte über einen Wasserverbund mit dem Teilort Cottenweiler gesichert werden. Als Bonbon boten die Weissacher den Heutensbachern 500000 DM aus den Mitteln des Finanzausgleichs, wobei das noch erhöhbar sei. Denn die Weissacher wussten ja vom Angebot der Allmersbacher in Höhe von fast einer Million DM. Aber sie pokerten lieber und versicherten den Heutensbachern, dass ein Zusammenschluss mit Weissach zuverlässiger sei, da man nie wissen könne, wie lange Allmersbach im Tal selbstständig bleibe.

Am 26. September 1971 gab es eine Bürgeranhörung in Heutensbach. Bei 306 abgegebenen Stimmen votierten 120 Bürger für einen Zusammenschluss mit Weissach, 185 Heutensbacher stimmten dagegen. Wenige Tage später beschloss der Heutensbacher Gemeinderat in einer sehr turbulenten Sitzung mit vier zu drei Stimmen eine Eingliederung nach Weissach im Tal, also entgegen dem Ergebnis der Bürgerbefragung.

„Das Landratsamt Backnang war ratlos und sah durch die Entwicklung seine Felle wegschwimmen“, erinnert sich Erich Bauer an die damalige Situation. Bauer war damals Gemeinderat in Allmersbach im Tal, später dann stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde, und ist als langjähriger Archivar und Ehrenbürger seiner Heimatkommune ohnehin mit einem guten Gedächtnis ausgestattet. „Das Landratsamt wandte dann einen miesen Trick an“, so unser 90-jähriger Zeitzeuge. Der damalige Landrat Wilhelm Schippert und sein Stellvertreter beanstandeten das Votum des Heutensbacher Gemeinderats. Es sei etwas nicht regulär bei der Abstimmung gelaufen, diese müsse wiederholt werden. Der Heutensbacher Rat musste Folge leisten.

Es kam dann zu der Sitzung im Heutensbacher Rathaus, in der die Stinkbomben flogen und der kleine Heizofen so zum Qualmen gebracht wurde, dass die Gemeinderäte wie im Nebel saßen – von Geschrei und zum Teil wüsten Beschimpfungen der beiden Lager ganz abgesehen. Zwischenzeitlich hatte es eine weitere Bürgeranhörung gegeben. Mit deutlicher Mehrheit kam darin der Wunsch der Heutensbacher zum Ausdruck, mit den Allmersbachern zusammenzukommen. Auch der Heutensbacher Gemeinderat stimmte nun mit knapper Mehrheit für die Allmersbacher Option.

Am 1. Januar 1972 wurde dann kommunale Hochzeit gefeiert, Heutensbach wurde nach Allmersbach im Tal eingemeindet. Erich Bauer erinnert sich noch gut an die volle Halle aus Anlass der feierlichen Versammlung. Es sei vielleicht keine Lösung für alle Zeiten, aber die Ehe habe ein solides Fundament und am „Glück zum Aufwärtsstreben“ mangele es den Bürgern der neuen Gemeinde nicht, so der damalige Landrat in seiner Ansprache.

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