Fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung: Das ist die Forderung der USA vor dem nächsten Nato-Gipfel. Jetzt bezieht der deutsche Außenminister Stellung.
Außenminister Johann Wadephul.
Von red/dpa
Außenminister Johann Wadephul hat sich öffentlich hinter die Forderungen von US-Präsident Donald Trump nach einer massiven Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten auf jeweils fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung gestellt. Man folge Trumps Einschätzung, dass dies notwendig sei, sagte der CDU-Politiker bei einem Nato-Außenministertreffen in der Türkei nach einem Gespräch mit US-Außenminister Marco Rubio.
Wadephul machte allerdings deutlich, dass vereinbart werden könnte, dass klassische Verteidigungsausgaben in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausreichend seien, sofern gleichzeitig auch noch 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für militärisch nutzbare Infrastruktur ausgegeben würden. Ein solches Vorgehen hatte zuletzt Nato-Generalsekretär Mark Rutte vorgeschlagen.
Derzeit sieht das Nato-Ziel für die Verteidigungsausgaben lediglich jährliche Ausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des BIP vor. Nach jüngsten Angaben des neuen Kanzlers Friedrich Merz (CDU) würde jeder Prozentpunkt mehr für Deutschland derzeit ungefähr 45 Milliarden Euro mehr an Verteidigungsausgaben bedeuten. Die Bundesrepublik lag zuletzt bei einer Quote von etwas mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Bei fünf Prozent wären nach Rechnung von Merz derzeit Verteidigungsausgaben in Höhe von 225 Milliarden Euro pro Jahr notwendig.
Nato fürchtet Debakel
Trump will, dass das Fünf-Prozent-Ziel im Juni beim nächsten Nato-Gipfel in Den Haag beschlossen wird. Bündnisintern wurde zuletzt damit gedroht, dass er ansonsten möglicherweise gar nicht anreisen könnte. Für die Nato wäre dies ein Debakel, da ihre Abschreckung noch immer maßgeblich auf den militärischen Fähigkeiten der atomaren Supermacht USA beruht.
Als ein möglicher Kompromiss wurde deswegen nun das Konzept entwickelt, das eine deutlich stärkere Anrechnung von Ausgaben für militärisch nutzbare Infrastruktur möglich machen soll. Dies würde vor allem denjenigen Staaten helfen, die klassische Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent für nicht erreichbar oder erwünscht erachten. Zu ihnen gehören insbesondere Länder, die wie Italien, Spanien, Belgien und Luxemburg bis zuletzt nicht einmal das Zwei-Prozent-Ziel erfüllten.
USA: Geht nicht nur um Raketen
Der US-amerikanische Nato-Botschafter Matthew Whitaker hatte sich zuletzt offen für die von Rutte vorgeschlagene Lösung gezeigt. Er sagte vor dem Ministertreffen in der Türkei, es sei ganz klar, dass es um mehr als nur Raketen, Panzer und Haubitzen, sondern auch um Dinge wie militärische Mobilität, notwendige Infrastruktur und Cybersicherheit gehe.
Als mögliche Frist für die Erfüllung eines neuen Ziels für die Verteidigungsausgaben gilt das Jahr 2032. So hatte US-Außenminister Rubio bereits im April bei einem Nato-Treffen in Brüssel gesagt, niemand erwarte, dass man fünf Prozent in einem Jahr oder zwei erreichen könne. Auch für die USA wäre das Erreichen des neuen Ziels ein finanzieller Kraftakt.
Trump hatte bereits in seiner ersten Amtszeit immer wieder die aus seiner Sicht unzureichenden Verteidigungsausgaben der europäischen Alliierten kritisiert und diesen vorgeworfen, sich zu sehr auf den Schutz der USA zu verlassen. Mehrfach drohte er dabei sogar mit einem Nato-Austritt der USA.
Auch CSU-Chef Markus Söder hat sich für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf bis zu fünf Prozent der Wirtschaftsleistung ausgesprochen. „3,5 Prozent der harte Kern wird mindestens das sein, was wir investieren müssen, möglicherweise sogar mit Ergänzung auf bis zu fünf Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukts) hinausgehen. Das heißt, umgerechnet mindestens 150 Milliarden pro Jahr an zusätzlichen Entwicklungen“, sagte der bayerische Ministerpräsident nach einem Treffen mit Vertretern der Verteidigungsindustrie in München.
Auf Nachfrage ergänzte Söder, er gehe davon aus, dass die Nato bei 3,5 Prozent landen werde, da ja auch die USA keine fünf Prozent investierten. „Das finde ich, ist machbar, das ist schaffbar, das müssen wir auch tun, und zwar ohne Tricks, sondern mit Klarheit.“
In der SPD grummelt es
Aus der SPD kamen unterschiedliche Stimmen. Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz sagte der Mediengruppe Bayern, der Vorschlag von Rutte „geht in die richtige Richtung“. Der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic warnte Wadephul im „Stern“ vor vorschnellen Festlegungen. Er sagte: „Der Etat wird gemeinsam im Bündnis zu klären sein. Zudem möchte ich den Außenminister Wadephul an den Koalitionsvertrag erinnern – dort sind die außenpolitischen Fragen umfangreich geklärt.“
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner lehnte eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung ab. Dass Deutschland mehr tun müsse, um die Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit sicherzustellen, sei zwar unstrittig. „Solche milliardenschweren Aufrüstungsdimensionen wie das Donald Trump einfordert, sind allerdings jenseits von Gut und Böse“, sagte Stegner dem „Handelsblatt“.
AfD: Trump macht Freudensprünge
Der haushaltspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Peter Boehringer, kritisierte Wadephul. „Das ist im Prinzip praktisch nicht finanzierbar. Ich glaube, selbst Donald Trump wird einen Freudensprung machen, weil die 5 Prozent hat er natürlich nur als Verhandlungsmasse in den Raum gestellt“, sagte er Welt TV. Man rede hier von 220 Milliarden Euro pro Jahr.
Der Linken-Fraktionsvorsitzende Sören Pellmann teilte mit: „Es ist ein verheerender Einstieg von Außenminister Wadephul, die bereits exorbitanten Militärausgaben noch weiter erhöhen zu wollen.“