Waldfenster eröffnen neue Einblicke

Revierförster Paul Bek lädt in Zusammenarbeit mit Waldpädagoge Kilian Knötzele dazu ein, die unterschiedlichen Habitate entlang des Radwegs in Kirchberg an der Murr genauer in Augenschein zu nehmen.

Waldfenster eröffnen neue Einblicke

Wie verändert sich ein Wald, wenn viele Bäume gefällt werden? Mit den Waldfenstern will Förster Paul Bek die Radler auf dem Weg zwischen Burgstall und Kirchberg an der Murr dazu animieren, sich mit den positiven Seiten der Aktion auseinanderzusetzen. Foto: A. Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

KIRCHBERG AN DER MURR. Sehr beliebt ist der (Rad-)Weg zwischen Burgstall und Kirchberg an der Murr. Ursprünglich als Weinberg angelegt, sind streckenweise die alten Trockenmauern noch gut erkennbar. Bis hin zur Kläranlage Burgstall ziehen sich Hänge, deren Bewirtschaftung jedoch aufgrund von Reblaus und der Pilzkrankheit Peronospora gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgegeben wurde. Die Natur hat sich die Fläche zurückerobert, zumindest bis Mitte April.

Aufgrund von Verkehrssicherungsmaßnahmen waren unlängst radikale Baumfällarbeiten im Gemeinde- und Privatwald notwendig geworden, denn „Menschen dürfen nicht gefährdet werden“, betont Revierförster Paul Bek (wir berichteten). Um den immensen Eingriff in die Natur zu erklären, wurden Waldfenster aufgestellt.

Der Wald ist für viele ein

hochemotionales Thema, wie

Paul Bek festgestellt hat.

Da in den privaten Parzellen das geschlagene Holz abtransportiert wurde, fällt nun wesentlich mehr Licht ein, was sich positiv auf die Trockenmauern auswirkt. Mehr Licht bedeutet mehr Wärme, ein „super Habitat für viele Reptilienarten“, wie der Förster hervorhebt. Um die durchgeführten Maßnahmen ebenso wie auch das unterschiedliche Vorgehen auf den verschiedenen Waldabschnitten zu erläutern, wurden zwei Waldfenster entlang des Wegs aufgestellt. Kilian Knötzele, beim Forstamt zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Waldpädagogik, hat die dazugehörigen Schilder entworfen.

So wird zu Beginn der Wegstrecke in Kirchberg beim ersten Waldfenster erläutert: „Die Bäume, die eine Gefahr für die Besucher darstellen, müssen weg. Aber dort, wo Licht und Wärme nun den Boden und die Trockenmauern durchdringen, profitieren seltene Arten wie Zauneidechse, Schlingnatter, Wildbienen und Laufkäfer.“ Ein gutes Stück weiter Richtung Burgstall beschreibt das zweite Waldfenster: „In einem Waldrefugium wird der Wald sich selbst überlassen. Wenn wie hier Bäume für Ihre Sicherheit gefällt werden, müssen diese nach der Fällung im Wald bleiben. (...) Für die Artenvielfalt ist das Totholz ein Friedhof voller Leben.“ „Es ist wichtig, Entscheidungen transparent zu machen“, erklärt Paul Bek das Aufstellen der Waldfenster. Ein Kollege aus Schorndorf nutze die Waldfenster schon länger, um den Leuten die getroffenen Maßnahmen zu erläutern. Bek sieht sich auch als Ansprechpartner für die Menschen, die dazu Fragen haben. Er möchte gern direkt mit ihnen ins Gespräch kommen und sieht daher die Öffentlichkeitsarbeit als sehr wichtig an, besonders da der Wald für viele ein „hochemotionales Thema“ sei.

Immer wieder waren in der Vergangenheit Bäume umgestürzt und auf den Weg gefallen, glücklicherweise hatte es dabei nie Verletzte gegeben. Immer wieder hatte der Kirchberger Bauhof ausrücken müssen, um den Weg freizuräumen. Fast nur Eschen seien nun im Rahmen dieser Sicherungsarbeiten gefällt worden, vereinzelt hätten zudem Buchen geschlagen werden müssen, auch zwei oder drei Eichen seien dabei gewesen.

Der Hieb sieht radikal aus und manch ein Anwohner, Spaziergänger oder Radfahrer hat sich sicher gefragt, ob das notwendig gewesen sei. „Man rechnet nicht damit, dass solche Gefahren vorhanden sind“, erklärt Bek, „die Bäume hätten ganz unvermittelt umfallen können.“ Denn man sieht ihnen von außen nicht an, wie marode das Wurzelwerk ist. Bek deutet auf eine mächtige Wurzel. Den habe der Harvester, eine Holzerntemaschine, nur angestupst, schon sei er umgestürzt. Am Rand des Wegs stapeln sich die Baumstämme, Schädigungen sind erkennbar, beispielsweise schwarze Flecken bei den Buchen, die wie angekohlt aussehen – ein Hinweis auf starke Trockenheit oder Wurzelverletzungen, etwa durch Stürme.

Doch warum sehen die Waldstücke so unterschiedlich aus? An manchen Stellen wurden sämtliche gefällten Bäume entfernt, an anderen Stellen sind keine Maßnahmen erkennbar, dann wiederum liegen die Bäume kreuz und quer am Hang verstreut. Das liegt an den Besitzverhältnissen. Kleine private Parzellen wechseln sich mit großen und kleineren Flächen Gemeindewald ab. „Grundsätzlich ist jeder für seinen Wald selbst verantwortlich“, erklärt Paul Bek. Doch diese besondere Lage zu bewirtschaften, ist nicht einfach, besonders für Privatleute, die die Kapazitäten gar nicht haben.

Die gemeinschaftliche Bewirtschaftung des Waldes hat für die Privatleute einige Vorteile.

Deshalb hatte er die über 60 Anlieger angeschrieben und angefragt, ob im Zuge der Maßnahmen im Gemeindewald auch die privaten Parzellen bearbeitet werden sollten. Die Bewirtschaftungsmaßnahmen wurden dann mit jedem Einzelnen genau abgesprochen. Deshalb auch die kleinen Pfosten am Wegrand – damit wurden die Parzellen abgesteckt und es wurde notiert, was gemacht werden sollte. Die gemeinschaftliche Bewirtschaftung hat für die Privatleute einige Vorteile. „80 Prozent der Aufarbeitungskosten werden gefördert“, sagt Paul Bek. Dadurch unterstützt das Land die Privatwaldbesitzer dabei, Forstarbeiten, die durch Klimaschäden notwendig sind, auszuführen. Auch die Gemeinde profitiert durch einen gemeinschaftlichen Antrag in einem gewissen Rahmen von der Förderung. Einige Besitzer hätten sich nicht gemeldet, auf ihren Grundstücken wurde daher von Forstseite her nichts gemacht.