Bundestagsabgeordnete sind immun gegen Strafverfolgung. In der Regel werden Ermittlungen wie im Fall Kuban aber genehmigt – mit einer prominenten Ausnahme.
Tilman Kuban war mehr als drei Jahre lang Vorsitzender der Jungen Union im Bund.
Von Eberhard Wein
Ob sie nun ermittelt oder nicht – die Staatsanwaltschaft Konstanz hüllt sich im Fall des CDU-Bundestagsabgeordneten Tilman Kuban in Schweigen. Man werde sich weiterhin nicht äußern, sagte der Sprecher der Ermittlungsbehörde, Andreas Mathy. Die Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr. Jede Äußerung könnte schließlich als Vorverurteilung verstanden werden.
Allerdings ist mittlerweile klar, dass die Staatsanwaltschaft schon am 9. Oktober ein entsprechendes Ermittlungsvorhaben beim Immunitätsausschuss des Bundestages angezeigt hat. Wird dort nicht innerhalb von zwei Werktagen reagiert, gelten die Ermittlungen als genehmigt und die Staatsanwaltschaft kann auch offiziell loslegen. Nach Informationen unserer Redaktion und der „Bild“ geht es um Vorwürfe, die im Zusammenhang mit der Trennung von seiner auf der Insel Reichenau wohnhaften Ehefrau stehen. Der ehemalige JU-Chef selbst bestreitet die Vorwürfe, seine Frau äußert sich nicht. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Für viele Delikte gilt ein vereinfachtes Verfahren
Eigentlich genießen Bundestagsabgeordnete wie auch die Abgeordneten von Landtagen grundsätzlich Immunität. Das soll sie nicht in erster Linie vor Strafverfolgung schützen, sondern die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments sicherstellen und Abgeordnete vor Druck oder Schikanen durch staatliche Stellen bewahren. Sie sollen ihr Mandat unabhängig und ohne Angst ausüben können. Lediglich eine Festnahme „auf frischer Tat“ ist deshalb vorübergehend zulässig.
Formal muss der Bundestag vor Ermittlungen erst die Immunität aufheben. Aufgrund einer Vereinbarung der Fraktionen, die zum Beginn der Legislaturperiode verlängert wurde, gelte für viele Bagatelldelikte allerdings ein vereinfachtes Verfahren, sagte der Ludwigsburger SPD-Abgeordnete Macit Karaahmetoğlu, der seit diesem Jahr dem Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vorsteht. Zum Fall Kuban äußerte sich Karaahmetoğlu gegenüber unserer Zeitung nicht. Allerdings bestätigte die CDU-Fraktion entsprechende Ermittlungen.
Vor allem die AfD ist oft betroffen
Ausdrücklich ausgenommen vom vereinfachten Verfahren sind Ermittlungen wegen Beleidigungen mit politischem Charakter. Auch die Anklageerhebung oder die Beantragung eines Strafbefehls muss vorher vom Bundestag genehmigt werden. In sieben Fällen musste das Parlament seit der jüngsten Bundestagswahl entsprechend tätig werden. Fünfmal betraf dies Angehörige der AfD-Fraktion, unter anderem Maximilian Krah und Stephan Brandner; in einem Fall ging es um die Mannheimer Linken-Vertreterin Gökay Akbolut. Sie soll VfB-Fans im ICE als „Drecksnazis“ beschimpft und mit einer Flasche beworfen haben.
Nur einmal versagte der Bundestag in den vergangenen Monaten die Erlaubnis zu Ermittlungen. Der ehemalige Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen behauptet, das Bündnis Sahra Wagenknecht sei „komplett von Russland und China gekauft“. Das BSW wehrte sich mit einer Verleumdungsanzeige. CDU, SPD, Grüne und Linke verweigerten der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Dresden allerdings die Genehmigung.