Türkei-Reise von Papst Leo XIV.

Warum das Konzil von Nizäa auch nach 1700 Jahren noch so wichtig ist

Anlass für die bevorstehende Papstreise in die Türkei vom 27. bis 30. November ist das Konzil von Nizäa im Jahr 325. Was macht diese Kirchenversammlung so bedeutsam, dass man sich ihrer noch nach 1700 Jahren erinnern muss?

Warum das Konzil von Nizäa auch nach 1700 Jahren noch so wichtig ist

Erstes Konzil von Nicäa: Kaiser Konstantin I. im Jahre 325 n. Chr. mit Teilnehmern des Konzils (byzantinisches Fresko in der Basilika St. Nikolaus in Myra).

Von KNA/Markus Brauer

Sie gelten als Treffen der ungeteilten Christenheit: die Ökumenischen Konzilien, deren Auftakt vor 1700 Jahren das Konzil von Nizäa bildete. Doch so einig, wie es heute scheint, war sich die Kirche damals keineswegs.

Synode und Konzil

Für die orthodoxen Kirchen, die sich trotz ihrer national und regional höchst unterschiedlichen Ausformungen als eine einzige orthodoxe („rechtgläubige“) Kirche verstehen, endet die Zeit der Ökumenischen Konzilien mit dem Zweiten Konzil von Nizäa im Jahr 787, dem letzten gemeinsamen Konzil vor der Spaltung von Ost- und Westkirche im Jahr 1054.

Dabei gehört die Frage, wodurch eine Synode der Alten Kirche zum Ökumenischen Konzil wird, nach den Worten des Kirchenhistorikers Klaus Schatz „zu den verwickeltsten“ überhaupt.

Die ehemalige Kirche Hagia Sophia oder Ayasofya in der türkischen Stadt Iznik, dem ehemaligen Nizäa. Foto: Imago/Imagebroker

Ökumenische Konzilien

Faktisch fanden alle sieben Ökumenischen Konzilien der Kirche des ersten Jahrtausends in Kleinasien statt, und zwar in und um Konstantinopel, der Hauptstadt des oströmischen Reiches. Die Westkirche mit ihrem Patriarchen, dem Bischof von Rom, war dort deutlich unterrepräsentiert.

Gleichwohl wurde in den diversen dogmatischen Streitigkeiten des 4. und 5. Jahrhunderts jenes Glaubensbekenntnis herausgearbeitet, das bis heute für die römisch-katholische (West-) wie auch für die orthodoxe (Ost-)Kirche Gültigkeit hat.

Diese beiden Kirchen stehen sich in dogmatischer Hinsicht bis heute in vielem näher als etwa Katholiken und Protestanten, die zwar ebenfalls das Glaubensbekenntnis als Basis haben, deren Kirchenbild sich aber sehr viel deutlicher unterscheidet.

Moskau blockiert Oster-Einigung

Beim allerersten der Ökumenischen Konzilien, vom römischen Kaiser Konstantin I. nach Nizäa – heute Iznik – einberufen, wurde im Jahr 325 n. Chr. das zentrale Glaubensbekenntnis der meisten christlichen Kirchen formuliert, das bis heute Gültigkeit hat. Auch wurde bei dieser Versammlung, die sich in diesem Jahr zum 1700. Mal jährt, der Termin des höchsten christlichen Festes definiert: Ostern.

Ostern ist ein bewegliches Fest, das am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert wird. Damit liegt der Termin immer zwischen dem 22. März und dem 25. April. Da allerdings viele Ostkirchen die Gregorianische Kalenderreform von 1582 nicht mitvollzogen haben, variiert der konkrete Ostertermin zwischen Ost und West.

Eine Vereinheitlichung wird derzeit wieder stark diskutiert, wobei sich mit der russisch-orthodoxen die weitaus bevölkerungsreichste nationale Ostkirche dagegen sperrt.

Wie vormoderne Konzilien abliefen

Viele der heute als ökumenisch kanonisierten Konzilien des ersten Jahrtausends (die von der römisch-katholischen, den orthodoxen und einigen evangelischen Kirchen anerkannt werden) könnten heutigen kirchenrechtlichen Standards nicht mehr genügen. Dazu gehören etwa die Einberufung, Leitung und/oder Bestätigung durch den Papst.

Auch die Einladung bestimmter oder repräsentativer Bischöfe war durchaus nicht gewährleistet. Das Konzil Konstantinopel I (381) etwa war sogar explizit regional angelegt, wurde jedoch später gesamtkirchlich rezipiert.

Dass tatsächlich faktisch alle Bischöfe der Weltkirche an einem Konzil teilnehmen und in Ruhe theologische Fragen erörtern könnten, kam erst mit den modernen Reisemöglichkeiten beim Ersten und Zweiten Vatikanischen Konzil (1869/70 und 1962-1965) in den Blick.

Historische Idealisierung

In all den Jahrhunderten zuvor bedeutete ein Konzil für teilnehmende Bischöfe zumeist, über eine sehr lange Zeit nicht in ihrer Diözese sein zu können – mithin gegebenenfalls sogar drohenden Leitungs- und Kontrollverlust. Umgekehrt fühlten sie sich beim Konzil selbst unter Zeitdruck, waren oft schlecht informiert und insofern in der Gefahr von Manipulierbarkeit.

Auch aus einem anderen Grund sieht Klaus Schatz die Konzilien der „ungeteilten Christenheit“ des ersten Jahrtausends als eine historische Idealisierung. Denn ihre Lehrstreitigkeiten wurden mit aller Härte geführt, die theologisch „Besiegten“ oft abgesetzt und sie und ihre Anhänger aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen. Da bekommt das Kriterium der „allgemeinen Rezeption“ schon einen Beigeschmack.

Kirchenspaltungen gab es schon früh

Auch in den ersten Jahrhunderten gab es bereits dauerhafte Kirchenspaltungen, etwa im Zuge des Konzils von Chalcedon (451) die der Altorientalischen oder Miaphysitischen Kirchen, darunter etwa die ägyptischen Kopten oder die armenische Staatskirche. Diese gehörten nicht zum römischen Reichsgebiet und waren daher erst gar nicht eingeladen.

Im Hochmittelalter bildete sich im Westen ein Typus von Konzilien aus, die vom Papst, nicht mehr vom Kaiser einberufen und geprägt wurden. Die Zählung dieser Papst- und Reformkonzilien als „ökumenisch“ dauert unterdessen fort - auch wenn die orthodoxen Kirchen nicht mehr daran teilnahmen und teilnehmen.

Eine Ausnahme bildeten die (letztlich erfolglosen) Versuche der „Unions-“, also Wiedervereinigungskonzilien von Lyon (1274) und Ferrara-Florenz (1438/39).

Panorthodoxes Konzil scheitert

Ein Sonderfall ist das allorthodoxe oder panorthodoxe Konzil. Zuletzt scheiterte im Jahr 2016 auf Kreta der Versuch dazu am Fernbleiben von mehreren Nationalkirchen, darunter die serbische und die russische. Das seit der Wende zum 20. Jahrhundert angestrebte und seit Jahrzehnten erwartete „Panorthodoxe Konzil“ ist – historisch falsch – als das erste „Konzil der Orthodoxie“ seit 787 bezeichnet worden.

Jedoch gab es im Mittelalter zahlreiche dogmatisch wichtige ostkirchliche Synoden, etwa die Photianischen (861; 879/80), die Synoden zum Hesychasmus (1340-1360) und weitere. Das Panorthodoxe Konzil von Jerusalem (1583) lehnte die Gregorianische Kalenderreform des Westens ab.

Autokephalien und Autonomien

Die heutige Struktur der (einen) orthodoxen Kirche mit ihren sogenannten Autokephalien und Autonomien, also teils sehr unterschiedlich ausgeprägten National- oder Regionalkirchen, ist mit den kirchlichen Verhältnissen der Spätantike oder des Mittelalters kaum noch zu vergleichen.

Daher dürfte es schwerlich möglich sein, das panorthodoxe (Rumpf-)Konzil von 2016 in eine wie auch immer geartete bestehende Zählung einzugliedern. Dennoch: In dieser Form und Geschlossenheit hat es noch keine derart hochrangige Versammlung der Weltorthodoxie gegeben.