Leopard für die Ukraine

Warum dauert es so lang mit den Panzern?

Geht es um den Kampfpanzer Leopard, drängt die Ukraine seit langem: Sie will 300 davon, und das schnell. Doch der Weg bis zu einer Lieferung bleibt lang – ausgerechnet in Deutschland, dem Herkunftsland des Leopard.

Warum dauert es so lang mit den Panzern?

Neueste Version: zwei Leopard 2 A7V des deutschen Heeres im Schießübungszentrum Bergen.

Von Christoph Reisinger

Strategisch ist Zeit gerade der zentrale Faktor im Ukraine-Krieg. Der Angreifer Russland braucht sie. Denn er berappelt sich momentan durch eine weitere Teilmobilmachung, durch den Umbau der militärischen Operationsführung, durch die Instandsetzung vieler Kampffahrzeuge. Die Ukraine will diese Zeit nutzen, will in die Offensive kommen, ehe die russische Armee zum nächsten Großangriff ausholen kann. Dafür möchte die Regierung ihre Panzerbataillone mit 300 westlichen Kampfpanzern verstärken. Und das schnell.

Ein Dreivierteljahr ist verstrichen

Doch auch wenn sich die Bundesregierung nach langer Bedenkzeit zu einer Lieferung von Leopard-Panzern entscheiden und die Lieferung dieses von der Waffenschmiede Krauss-Maffei Wegmann (KMW) hergestellten und lizenzierten Fahrzeugs durch andere Nutzerstaaten genehmigen sollte: Auf die Schnelle geht wenig.

Fast ein Dreivierteljahr hat die Regierung Scholz verstreichen lassen und nicht vorgesorgt für den Eventualfall einer Lieferung an die Ukraine. Erst am 19. Januar hat Neu-Verteidigungsminister Boris Pistorius zum Zählappell geblasen: Er lässt seither erheben, wie viele Leopard in Deutschland – im Heer und in der Industrie – überhaupt verfügbar sind.

Nicht für Einsätze gelagert

Aus der Industrie kam kürzlich die Meldung von Rheinmetall, über 88 Leopard 1 – die Bundeswehr nutzte diesen Typ bis 2003 – und 22 Leopard 2 aus Altbeständen zu verfügen. Die wenigsten davon wurden unter dem Aspekt des Materialerhalts für kommende Einsätze gelagert. Wertvoll an ihnen ist vor allem der auf dem Weltmarkt derzeit kaum verfügbare Panzerstahl. Bis aus diesem Verwertungsbestand eine kriegstaugliche Fahrzeugflotte wird, sei rund ein Jahr zu veranschlagen, hat Rheinmetall vorgerechnet. Denn die Panzer müssen dafür komplett zerlegt und neu aufgebaut und ausgestattet werden. Die ersten wären wohl frühestens in sechs Monaten an die Ukraine abzugeben.

Panzer entstehen in Manufaktur

Hersteller KMW wiederum ist mit Aufträgen ausgelastet. Schweißer, die sich auf Panzerstahl verstehen, sind rare Spezialisten – nach Jahrzehnten der Abrüstung erst recht. Das Personal lässt sich also nicht mal eben so verstärken. Mit der Abrüstung sind auch die Fertigungsstraßen verschwunden. Kampfpanzer oder Panzerhaubitzen entstehen in Deutschland nur noch in Manufaktur. Das deutsche Heer verfügt nominell über mehr als 300 Leopard 2 der neuesten Typen. Aber die Verfügbarkeit liegt bei weniger als der Hälfte, nicht zuletzt wegen einiger Nachrüstungsprogramme. Immerhin wären die einsatzfähigen Fahrzeuge sofort zur Hand.

Da die Bundeswehr 2023 die Nato-Speerspitze VJTF stellt, kann sie ihren Bestand aber nur wenig verringern. Vor allem die Bestände des Gefechtsübungszentrums des Heeres und der Panzertruppenschule für den Ausbildungsbetrieb deutscher Soldaten kommen in den Blick für ein Weiterreichen an die Ukraine. Viel mehr geht erst mal nicht.

Engpass im deutschen Heer

Monate beansprucht auch der Aufbau einer Leopard-Logistik in den ukrainischen Streitkräften. Das gilt für den Zugriff auf Ersatzteile. Das gilt noch mehr für die Ausbildung von Soldaten in der Wartung und Reparatur dieses deutschen Panzertyps. Die Kampftruppen wiederum müssen geschult werden im sinnvollen, mit Schützenpanzern, Artillerie, Aufklärungskräften kombinierten Einsatz. Schließlich entfalten die Leopard-Panzer nur so ihre hohe Schlagkraft.

Und doch eine starke Waffe

Daran, dass ein solcher kombinierter Einsatz westlicher Panzer wie des Leopard die Wucht der ukrainischen Landstreitkräfte deutlich erhöhen würde, zweifelt kaum ein Experte. Der Panzer allein bringt der Ukraine nur sehr begrenzt Vorteile auf dem Gefechtsfeld. Taktisch klug in gemischten Kampfverbänden eingesetzt und große Munitionsbestände und eine funktionierende Logistik vorausgesetzt, wäre er allerdings eine starke Waffe gegen Russlands Armee.