Kein Bundesland hat so wenige Autobahnkilometer wie Baden-Württemberg. Das liegt weder an bayerischen Verkehrsministern noch an den Grünen.
Ein fast tägliches Bild: Stau auf der A8 bei Stuttgart
Von Eberhard Wein
Ausgerechnet das Autoland Baden-Württemberg besitzt die wenigsten Autobahnen in Deutschland. 13 191 Kilometer misst das bundesweite Autobahnnetz. Lediglich 1054 Kilometer führen durch Baden-Württemberg. Verglichen mit den anderen westlichen Flächenländern weist der Südwesten damit bei der Netzdichte den mit Abstand niedrigsten Wert auf – sowohl auf Einwohnerzahl als auch auf Flächengröße bezogen. Dabei hätte es anders kommen können. Doch eine Vielzahl von Autobahnprojekten im Südwesten blieb auf der Strecke – ein kleiner Rückblick zum bundesweiten „Tag der Autobahn“, der am Samstag, 27. September, erstmals stattfindet.
Schwarzwaldautobahn: Bauern drohen mit Schrotflinte
Nicht die Nationalsozialisten, sondern schon die demokratischen Regierungen der Weimarer Republik initiierten die ersten Autobahnplanungen. Das erste Teilstück einer kreuzungsfreien und mehrspurigen Fernstraße wurde 1932 bei Köln eingeweiht – vom damaligen Kölner Oberbürgermeister und späteren Nachkriegs-Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU). Auch für das heutige Baden-Württemberg sahen erste Skizzen ein recht dichtes Autobahnnetz vor, darunter eine Schwarzwald-Autobahn von Freiburg nach Donaueschingen. In den 1960er Jahren wurde die Idee wieder aufgenommen, der Bedarfsplan des Bundes von 1975 sah unter dem Kürzel A86 eine Autobahn von der französischen Grenze bei Breisach über den Schwarzwald bis nach Tuttlingen und weiter nach Ulm vor. Doch die Streckenführung war nicht nur wegen der anspruchsvollen Topografie schon zu diesem Zeitpunkt hochumstritten. Nicht nur beim Atomkraftwerk in Whyl, auch hier zeigten sich die Südbadener rebellisch. Bauern im Jostal wollten ihre Höfe mit Schrotflinten verteidigen, berichtete die Wochenzeitung „Die Zeit“. Auch die Landespolitik hatte ein Einsehen. Jede Autobahntrasse sei eine kleinere oder größere Barbarei, erklärte der damalige SPD-Bundesminister Erhard Eppler nach einer Schwarzwald-Wanderung. Schließlich rückten auch CDU und FDP im Land von den Planungen ab. Im November 1975 erklärte Ministerpräsident Hans Filbinger, man werde lediglich die Bundesstraße 31 ausbauen. Von der Autobahn blieb nur ein winziges Teilstück, die heutige A864 bei Bad Dürrheim.
Durch den Nordschwarzwald: zu wenig Verkehr
Nicht besser war das Schicksal einer zweiten Schwarzwald-Autobahn. Sie sollte das Mittelgebirge bei Freudenstadt überqueren und von Straßburg bis nach Reutlingen verlaufen. Auch sie war im Spitzennetz der Weimarer Republik schon enthalten, wurde von den Nazis aber zunächst nicht weiter verfolgt. In der Wirtschaftswunderrepublik der 1960er Jahre lebten die Pläne als ausgebaute Bundesstraße wieder auf. 1975 wurde diese Verbindung dann als A84 geführt, allerdings schon ein Jahr später die Dringlichkeit etlicher Teilstücke reduziert. Ab 1980 kam dann das Aus. Selbst vierstreifige Ausbauten sind heute nicht mehr vorgesehen.
Neckar-Odenwald-Linie: Kampf gegen ein Mammutprojekt
Dass Planungen auf breiten Widerstand aus der Bevölkerung stoßen, war auch für die Planer im Raum Stuttgart eine neue Erfahrung – übrigens lange bevor die Grünen überhaupt gegründet wurden. 1959 war erstmals über eine Ostumfahrung der Landeshauptstadt gesprochen worden. Weil die Städte im Speckgürtel wie Waiblingen, Esslingen oder Plochingen rasch wuchsen, war die Möglichkeit einer stadtnahen Umfahrung aber schnell verbaut. Neue Bewegung in die Planung kam dann von außen. Das Land Hessen regte eine Verlängerung der A45 von Aschaffenburg durch den Odenwald an. Sie sollte in späteren Planungen westlich von Heilbronn die A6 und bei Mundelsheim die A81 queren und weiter bis nach Kirchheim/Teck führen. Bei den Planern erhielt das Projekt oberste Dringlichkeit, 1,3 Milliarden Mark waren für die 132,2 Kilometer lange Strecke veranschlagt. Doch Gruppen wie „Rettet das Remstal“ oder „Natur und Umwelt“ machten Front. 1979 erklärte Landesverkehrsminister Rudolf Eberle den Verzicht auf das Projekt. „In der Güterabwägung zwischen Umwelt- und Landschaftsschutz sowie verkehrstechnischer Ideale“ lasse sich ein „derartiges Mammutprojekt nicht mehr vertreten“. Über den Stuttgarter Nordostring als autobahnähnliche Verbindung wird hingegen immer noch gestritten.
A81: Linksausfahrt als Überbleibsel
Zwar gibt es die A81, den Bodensee-Highway, doch hätte diese Autobahn nach den ursprünglichen Planungen einen anderen Verlauf nehmen sollen. So war immer klar, dass die Autobahn von Würzburg über Heilbronn nach Stuttgart eine durchgehende Fortsetzung in Richtung Süden erhalten sollte, ohne zunächst in Richtung Sindelfingen und Stuttgarter Kreuz abzubiegen. Doch die geplante Streckenführung wurde von der Stadt Leonberg immer mehr bekämpft. Die vorgeschlagenen Trassen wurden abgelehnt, auch im Raum Ditzingen organisierten sich die Gemeinden zu einer Schutzgemeinschaft Strohgäu. 1985 verabschiedete sich die Landesregierung schließlich vom Bau des Verbindungsstücks. Als Kuriosum ist nur die Linksausfahrt bei Gärtringen geblieben, wo damals ein Autobahndreieck geplant war. Allerdings zeugt im Verlauf noch ein weiteres Kuriosum von gescheiterten Plänen. Ursprünglich sollte die A81 in Konstanz enden. Im Vorgriff wurde 1975 dort deshalb eine vierspurige Autobahnbrücke über den Rhein gebaut. Eine Bürgerabstimmung stoppte das Projekt. Die Autobahn kam nie. Selbst der laufende Ausbau der Bundesstraße über den Bodanrück dürfte noch Jahre andauern.
Bodensee-Autobahn: 47 Kilometer in 50 Jahren
Auswärtige dürfte es überraschen, dass die A8 bei Stuttgart die südlichste Autobahnlängsquerung des Bundeslandes ist. Denn auch die als A98 geplante Autobahn entlang von Hochrhein und Bodensee ließ sich in all den Jahrzehnten nicht realisieren. Lediglich 47 Kilometer bei Lörrach und Stockach wurden gebaut, zwei weitere Abschnitte bei Hauenstein und Tiengen wurden zumindest ausgebaut. Dabei sollte die Autobahn einst von Weil am Rhein bis nach Lindau führen, den Kanton Schaffhausen durchqueren und im Osten einen Anschluss nach München schaffen. Der Ulmer Professor Karlheinz Schächterle – in den 1960er und 1970er Jahren die Instanz für den Fernstraßenausbau – empfahl eine Realisierung bis zum Jahr 1972. Doch auch hier formierte sich Widerstand. Während die Planer möglichst nah an Rhein und See bauen wollten, um die bestehenden Straßen effektiv zu entlasten, befürworteten die Anwohner Bergtrassen und eine seeferne Führung. Der Bund für Umwelt und Naturschutz sortierte die A98 zu den „zwölf unsinnigsten Straßenbauprojekten in Deutschland“, die örtliche Industrie- und Handelskammer nannte die BUND-Position hingegen dusselig. Der Streit zieht sich teilweise bis heute. Sicher ist nur: Eine Autobahn wird es dort nicht geben. Längst ist man überein gekommen, dass eine Ertüchtigung der Bundesstraßen die bessere und billigere Methode ist.
Tag der Autobahn
AktionstagAm 27. September 2025 lädt die Autobahn GmbH des Bundes zum ersten bundesweiten Tag der Autobahn ein. Unter dem Motto „Die Autobahn stellt sich vor“ öffnen alle zehn Niederlassungen ihre Türen und geben spannende Einblicke in die Welt der Autobahninfrastruktur.
AlbaufstiegIn Baden-Württemberg beteiligt sich die Autobahnmeisterei Ulm-Dornstadt. Von 13 bis 17 Uhr gibt es eine Ausstellung von Maschinen, eine Hundestaffel-Show, eine Feuerwehr-Rettungsübung, ein Kinderprogramm und eine Fotoausstellung zur Geschichte des Albaufstiegs.