Autoindustrie

Warum die Mercedes-Werbung früher viel besser war

PR-Kampagnen von Mercedes waren immer etwas Besonderes – mutig selbstironisch, kreativ. Heute sieht das ganz anders aus. Eine Analyse.

Warum die Mercedes-Werbung früher viel besser war

Mercedes-Werbefilm aus einer anderen Zeit

Von Peter Stolterfoht

Es ist ein 45-Sekunden-Werbeklassiker, den Mercedes im Jahr 2010 produziert hat. Der Videoclip zeigt eine verschneite Landschaft und wie dort ein Mercedes-Formel-1-Weltmeister den anderen überholt. „Sonntagsfahrer“ nennt Mika Häkkinen in der E-Klasse beim Überholen Michael Schumacher, der am Steuer eines SL-Oldtimers sitzt. An Häkkinen zieht dann wiederum Franz Beckenbauer in der G-Klasse vorbei, der den Finnen dabei als „Rentner“ bezeichnet. Für eine ganz eigene Note sorgt außerdem der Schlager „Spuren im Schnee“ von Vico Torriani als Begleitmusik. Bevor es im Abspann heißt: „Entspannt durch den Winter. Mit dem permanenten Allradantrieb vom Erfinder des Automobils.“

Die Angst, einen Trend zu verpassen

Seitdem hat sich die Technik bei Mercedes enorm weiterentwickelt, die Qualität der Werbebotschaften ist dagegen zurückgegangen. Was auch im Zusammenhang mit der sich verschärfenden Autokrise steht und deshalb nicht allein den Stern-Konzern betrifft. Doch dort fällt die Veränderung besonders auf, weil in Stuttgart auf diesem Gebiet einst Maßstäbe gesetzt wurden.

Erklären lässt sich die Entwicklung mit den Rahmenbedingungen. Früher genossen die beauftragten Werbeagenturen viel größere Freiheiten und durften sich auf einem kreativen Spielplatz austoben. Heute sind dort immer mehr Verbotsschilder aufgebaut. Es herrschen andere Regeln.

Dabei sind die sozialen Medien zu einer Art Spaßbremse geworden. Weil jede Kampagne von der großen Angst vor einem Shitstorm begleitet wird. Eine solche sich im Netz ausbreitende Kritiklawine will die Autobranche gerade in Krisenzeiten unbedingt vermeiden. Nur keine Angriffsfläche bieten, nicht wie 2018 mit dem Mercedes-Slogan Marke Glückskeks-Weisheit: „Betrachte die Lage von allen Seiten, und du wirst offener werden.“ Stattdessen kamen von allen Seiten empörte Reaktionen. Weil das Zitat dem Dalai Lama zugeschrieben wird, meldete sich zunächst China erbost zu Wort. Dort wird das Heilige Oberhaupt Tibets als Staatsfeind betrachtet, weil durch ihn der Willen zur Unabhängigkeit verkörpert wird. Dass Mercedes daraufhin die Werbung zurückzog, kritisierten wiederum viele hierzulande als ein unmoralisches Einknicken vor China, damit die wichtigen Geschäftsbeziehung dorthin bloß keinen Schaden nehme.

Die Vorsicht spielt in der Werbung eine immer größere Rolle. Das macht sie aber auch oft nichtssagend und lässt sie dadurch schnell in Vergessenheit geraten. Im Gegensatz zum Mercedes-Clip „Sonntagsfahrer“, der alles hat, was gute Werbung ausmacht. Da wäre der Überraschungseffekt, in dem Weltstars ganz untypisch in Szene gesetzt werden. Dazu kommt die Selbstironie der Marke Mercedes, die das eigene spießige Image mit Begriffen wie „Sonntagsfahrer“ oder „Rentner“ aufgreift, die dabei auch noch der Wahrheit entsprechen. Häkkinen war damals als Formel-1-Fahrer bereits zurückgetreten, während Schumacher immer sonntags an den Start ging.

All das zusammen wirkt spielerisch, mutig und leicht. Und damit so ganz anders als die Mercedes-Werbekampagne zum neuen CLA, der von der Rapperin Ice Spice so gestaltet wird, als habe Mad Max versehentlich die Ausfahrt Barbie-Welt erwischt.

Die zur Kampagne gehörende Präsentation des CLA in Rom kommentiert Autoexperte Sascha Pallenberg in seinem Blog „MeTacheles“ so: „Bei der Vorstellung gab es leider neben einem verdammt guten Auto auch eine Party für kommende Dschungelcamp-Teilnehmer:innen. Namen wie Romeo Beckham, Camila Cabello oder Central C sorgen vielleicht für schicke Bilder auf Instagram, aber nicht dafür, dass die eigentliche Zielgruppe erreicht wird.“ Da könnte der Mann, der von 2017 bis 2020 bei der Daimler AG „Head of Digital Transformation“ war, Recht haben. Von den potenziellen Käufern kennen die meisten vermutlich nur den Vater von einer der aufgelisteten Personen.

Da sind alte Mercedes Werbefilme ganz andere Kaliber. Zum Beispiel der Clip mit der wartenden Frau. Je später es wird, desto angespannter wird deren Stimmung. Bis ihr Mann endlich nach Hause kommt und sagt: „Tut mir leid, ich hatte eine Panne.“ Worauf die Frau entgegnet: „Mit Deinem Mercedes?“ Auf das unsichere Lächeln des Mannes folgt eine schallende Ohrfeige und die Einblendung des Satzes: „Laut ADAC-Pannenstatistik hat ein Mercedes erst nach einer Million Kilometern eine Panne.“