Mobbing ist kein Schulhofproblem, es trifft auch Millionen Erwachsene. Oft im Job und manchmal im Freundeskreis, aber immer mit Folgen. Warum erwachsene Menschen mobben und was dahintersteckt.
Mobbing ist kein Jugendproblem. Über 19 Millionen Erwachsene in Deutschland waren laut neuer Studie betroffen. Warum gemobbt wird und wie man sich schützen kann.
Von Matthias Kemter
Mobbing unter Erwachsenen ist kein Randthema. Laut der Folgestudie des Bündnis gegen Cybermobbing waren 37 % der 18- bis 65-Jährigen bereits Opfer von klassischem Mobbing, 14 % von Cybermobbing. Beide Quoten sind seit 2021 deutlich gestiegen (Mobbing +4,2 %, Cybermobbing +2,5 %). 86 % der Cybermobbing-Opfer erleben parallel auch klassisches Mobbing. Frauen sind häufiger von Mobbing betroffen, Männer etwas häufiger von Cybermobbing.
Spaß, Langeweile, Neid & eskalierte Konflikte motivieren Erwachsenen
Erwachsene mobben selten „grundlos“. Grundlage für die Studie ist eine Onlinebefragung unter rund 2.000 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren. Häufig wurden dabei Gruppendruck und Nachahmung angegeben. „Andere machen es auch“ ist das meistgenannte Motiv. Hinzu kommen Spaß/Langeweile, Neid und eskalierte Konflikte. Aus Sicht der Opfer stehen „unerwünschtes Verhalten“, Persönlichkeitsmerkmale oder geäußerte Kritik oft am Anfang. Beim Cybermobbing treten Werte- und Meinungsunterschiede deutlich häufiger als Auslöser auf. Bemerkenswert: 82 % der Täter waren zuvor selbst Opfer.
Wo wird gemobbt?
Mobbing findet in fast allen Lebensbereichen statt. Im Privaten häufen sich Vorfälle im Freundeskreis, in Familien und Nachbarschaften ebenfalls. Am Arbeitsplatz kommen die Angriffe am häufigsten von Kolleginnen und Kollegen auf gleicher Ebene. Bei klassischem Mobbing sind Vorgesetzte in rund der Hälfte der Fälle beteiligt, bei Cybermobbing deutlich seltener. Konkurrenzkultur, starre Hierarchien sowie Zeit- und Leistungsdruck begünstigen das Klima.
Typisch sind Sticheln, Ausgrenzen, Herabwürdigen, falsche Leistungsbewertungen und das Verbreiten von Gerüchten. Online dominieren Beleidigungen, Lächerlichmachen, Druck/Bedrohungen sowie das Teilen peinlicher Fotos/Videos. Klassische Mobbingserien dauern oft lange (rund 45 % länger als ein Jahr), Cyberangriffe sind kürzer, dafür häufig aktueller.
Folgen für Betroffene
Die gesundheitlichen Auswirkungen sind massiv. Häufig sind Depressionen, Persönlichkeitsveränderungen, stark sinkendes Selbstvertrauen, dazu Magen-Darm-Beschwerden, Schmerzen, erhöhter Blutdruck. Sucht- und Suizidgefahr nehmen zu. Bis zu 24 % der Cybermobbing-Opfer stufen sich als suizidgefährdet ein. Die Lebensqualität fällt deutlich und die Kündigungsbereitschaft steigt.
Struktur und Haltung helfen
Wirksam ist eine Mischung aus Struktur und Haltung. Klar geregelte Meldewege, geschulte Anlaufstellen, verbindliche Leitlinien zum Umgang mit Konflikten, Führung, die Kritik zulässt, und der Abbau reiner Konkurrenzlogik. Betroffene sollten Vorfälle dokumentieren, Verbündete suchen, innerbetriebliche Stellen einbeziehen und professionelle Hilfe nutzen. Gesellschaftlich fordern die Befragten schärfere gesetzliche Grundlagen sowie niedrigschwellige, auch anonyme Beratungsangebote online und vor Ort.