Schwimmfähigkeit

Warum so viele Kinder in Deutschland nicht schwimmen können

Die Tragödie am Eibsee rückt ein altes Problem in den Fokus: Immer mehr Kinder in Deutschland können nicht schwimmen. Jeder fünfte Grundschüler ist Nichtschwimmer - mit steigender Tendenz. Woran das liegt und warum das Seepferdchen trügerische Sicherheit vermittelt.

Warum so viele Kinder in Deutschland nicht schwimmen können

Immer mehr Kinder in Deutschland sind Nichtschwimmer. Laut DLRG-Studie hat über die Hälfte kein Schwimmabzeichen. Was das über Schulen, Eltern und Politik aussagt.

Von Matthias Kemter

Immer mehr Kinder in Deutschland können nicht schwimmen. Eine repräsentative Umfrage der DLRG und des Meinungsforschungsinstituts forsa aus dem Jahr 2022 zeigt alarmierende Zahlen: Jedes fünfte Kind im Grundschulalter ist Nichtschwimmer, doppelt so viele wie noch 5 Jahre zuvor.

Warum viele Kinder nur scheinbar schwimmen können

Viele Eltern wiegen sich in falscher Sicherheit. Laut DLRG glauben viele, ihr Kind sei mit dem Seepferdchen ein sicherer Schwimmer. Ein Irrtum, warnt Christian Landsberg vom DLRG-Präsidium: „Sicher schwimmen kann nur, wer mindestens das Bronze-Abzeichen hat.“ Anhand der Angaben zu Schwimmabzeichen geht die DLRG davon aus, dass etwa 6 von 10 Kindern am Ende der Grundschule keine sicheren Schwimmer sind. 21 Prozent der Kinder, die von den Eltern als schwimmfähig eingeschätzt wurden, haben überhaupt kein Schwimmabzeichen.

Auch der Geldbeutel spielt eine Rolle. Fast jedes zweite Kind aus einkommensschwachen Haushalten kann nicht schwimmen. In Familien mit mehr als 4.000 Euro Nettoeinkommen sind es nur 12 Prozent. Die Umfrage zeigt: Schwimmenlernen wird zur Frage der sozialen Herkunft, vor allem, weil Schwimmkurse fehlen oder teuer sind, besonders außerhalb von Ballungszentren.

Die Infrastruktur verschlechtert sich ebenfalls: Nur 78 Prozent der Menschen in kleinen Orten haben laut DLRG-Umfrage noch ein gut erreichbares Schwimmbad. 2017 waren es noch 90 Prozent. Gerade auf dem Land ist Schwimmenlernen damit oft eine logistische Herausforderung oder schlicht nicht möglich.

Ein wesentlicher Grund für die Verschlechterung der Schwimmfähigkeit liegt in der Corona-Pandemie: Über längere Zeiträume fiel der Schwimmunterricht vollständig aus, viele Kurse wurden abgesagt oder nicht nachgeholt. Die DLRG spricht von einer verlorenen Generation an Nichtschwimmern mit Folgen, die sich nun zeigen.

Nur 13 Prozent der Kinder lernen laut Umfrage überhaupt in der Schule schwimmen. Stattdessen tragen vor allem Eltern, private Anbieter und Vereine die Verantwortung. Doch nicht jede Familie kann sich private Kurse leisten – und Vereine haben oft lange Wartelisten. Das zeigt: Die Schule als niedrigschwelliger Lernort wird zu wenig genutzt, obwohl sie alle Kinder erreicht.