Auf den CSDs sind immer wieder Menschen zu sehen, die eine Hundemaske tragen. Jay Burr, der gewählte „Mister Fetish Baden-Württemberg“, erklärt, was es damit auf sich hat.
Auf CSDs – wie hier in Esslingen – sind immer wieder Menschen mit Hundemasken zu sehen.
Von Annika Mayer
Sommer ist die Zeit des Christopher Street Days (CSD) in vielen großen Städten. Neben unzähligen Regenbogenflaggen und Drag Queens in opulenten Outfits sind häufig auch Menschen, die Hundemasken tragen, Teil der Paraden. Auch in Stuttgart sind regelmäßig die sogenannten „Puppies“ (deutsch: Welpen) beim CSD dabei. Was steckt dahinter?
Jay Burr ist bereits seit vielen Jahren Mitglied der Puppy-Community. Der 32-Jährige aus Pforzheim wurde dieses Jahr beim Maitreffen des Lederclubs Stuttgart zum „Mr Fetish Baden-Württemberg“ gewählt. Im Gespräch mit unserer Zeitung trägt er eine dunkle Hundemaske, mit neongelben Details. Jay Burr ist auch als Keno bekannt, dabei handelt es sich um seinen Puppy-Namen.
Was ist Pup Play?
Beim Pup Play handelt es sich um ein Rollenspiel; die Personen versetzen sich in die Rolle eines Hundes hinein. Es handele sich dabei um eine Weiterentwicklung des Dog Plays aus dem BDSM-Bereich, erklärt Burr. Im Gegensatz dazu sei Pup Play allerdings nicht zwingend sexuell. „Für viele geht es einfach nur darum, die Maske aufzusetzen, in eine andere Welt abzutauchen und das innere Kind rauszulassen. Einfach einen Cut zu machen zu dem, was man sonst versucht ein bisschen zurückzuhalten.“ Pup Play biete eine Flucht aus dem Alltag.
Puppy Keno habe viele Eigenschaften, die Jay Burr im Alltag sonst eher hinten anstelle. Er sei etwa unglaublich vertrauensvoll, verschmust und verspielt. „Keno ist so ein bisschen das Kind in mir“, sagt der 32-Jährige. Beim Pup Play sei es wichtig, in den sogenannten Headspace zu kommen: den Kopf ausschalten und in dieser Rolle aufgehen.
Kein Fetisch, sondern ein Kink
Es handele sich generell nicht um einen Fetisch, sondern um einen Kink, sagt Burr. Ein Fetisch sei in der Regel materialbezogen, ein Kink eine Vorliebe für ein gewisses Mindset oder eine Aktivität.
Was macht den Reiz am Pup Play aus? „Die Maske gibt einem einen kleinen Schutzschild, da verschwindet so ein wenig der Mensch dahinter“, sagt Jay Burr. „Das macht für viele beispielsweise das Reden einfacher, gerade wenn man ein bisschen Probleme mit dem Selbstbewusstsein hat.“ Aber auch das Miteinander spiele eine große Rolle. Für viele gehe es beim Pup Play darum, gemeinsam zu toben und Dinge miteinander zu erleben. „In manchen Konstellationen findet man seine zweite Familie. Es gibt einen ganz großen Zusammenhalt in der Community.“
Streuner, Rudel oder Puppy mit Herrchen
Wie der Kink ausgelebt wird, könne ganz unterschiedlich sein. Manche finden sich laut Jay Burr in Rudeln zusammen, in denen es auch Hierarchien gibt. Es gibt aber auch Streuner ohne Rudel. Puppies könnten außerdem ein Herrchen haben, ein Muss ist das laut Jay Burr allerdings nicht. In Deutschland unterscheide man zudem zwischen Schmutz- und Sauberwuffeln. Bei Letzterem handele sich um Personen, bei denen Pup Play nichts Sexuelles sei, sondern es vor allem darum gehe, Kontakte zu knüpfen. „Die Schmutzwuffel sind die, bei denen es tatsächlich auch mal sexuell zur Sache geht“, sagt der 32-Jährige. Dazu zählt er sich auch selbst.
Auf sexueller Ebene spiele Dominanz und Unterwerfung eine zentrale Rolle beim Pup Play. Für den „Mr Fetish Baden-Württemberg“ ist vor allem das Gefühl der Erniedrigung reizvoll, sagt er. „Ich finde dieses Abhängigkeitsgefühl in einer Spielsituation toll. Im Alltag versuche ich mich durchzusetzen und im Privaten diesen Cut machen zu können, sich fallen zu lassen, auf Kommandos zu hören und belohnt zu werden wenn ich brav bin, macht einen großen Reiz für mich aus.“
Burr: Indiskutabel, dass Fetisch auf den CSD gehört
Unter den Puppies sind viele schwule Männer, doch es seien Menschen aller Geschlechter und sexueller Orientierungen dabei, so Jay Burr. „Wir haben auch Trans-Personen und nicht-binäre Menschen in unserer Community und auch hetero Paare.“ Zur typischen Ausrüstung gehören neben Hundemasken unter anderem auch Halsbänder, Ketten und Knieschoner. Wer mehr im Fetisch-Bereich unterwegs sei, trage beispielsweise auch Leder oder Latex. „Man kann sich da eine komplett neue Persönlichkeit erschaffen.“ Es brauche aber nicht zwingend eine Ausrüstung oder eine Maske, um Puppy zu sein.
Immer wieder gibt es Stimmen, die kritisieren, dass Puppies bei CSDs vertreten sind. Das sei zu sexuell, heißt es dann häufig. Pup Play müsse absolut nicht sexuell sein, sagt Jay Burr. Für ihn sei es indiskutabel, dass Fetisch auf einen CSD gehört. „Die Fetisch-Männer waren zusammen mit Trans Personen und Drag Queens bei den Stone Wall Aufständen die, die in der ersten Reihe waren und das Ganze angeleiert haben.“ Die Aufstände im Jahr 1969 gegen die Polizei in der Gay bar „Stonewall Inn“ in New York dienten als Katalysator für die moderne LGBTQ-Bewegung. Jay Burr sagt: „Wir sind im Prinzip die Erben von den Anfängen.“