Börse und Geldanlage

Was die Zinswende für Anleger bedeutet

Die jüngsten Entscheidungen der Notenbanken haben heftige Ausschläge an den Aktienmärkten ausgelöst. Lohnen sich klassische Sparprodukte wieder?

Was die Zinswende für Anleger bedeutet

Die Achterbahnfahrt an den Börsen dürfte anhalten.

Von Barbara Schäder

Die Zinserhöhungen gleich mehrerer Notenbanken haben die Talfahrt an den Aktienmärkten beschleunigt. Trotz einer leichten Erholung am Freitag verlor der Deutsche Aktienindex (Dax) auf Wochensicht rund fünf Prozent.

Geht es noch weiter bergab?

Das ist durchaus möglich. Die Reduzierung der russischen Gaslieferungen in den vergangenen Tagen macht deutlich, dass der Ukraine-Krieg für ganz Europa weiterhin erhebliche wirtschaftliche Risiken birgt. In den USA wiederum wächst die Gefahr, dass die kräftigen Zinserhöhungen der Notenbank – am Mittwoch vollzog sie den größten Zinsschritt seit 1994 – die Konjunktur abwürgen. Die Europäische Zentralbank (EZB) könne behutsamer vorgehen, weil die Wirtschaft im Euroraum noch nicht so heißgelaufen sei wie in den USA, meint Holger Schmieding, der Chefvolkswirt der Privatbank Berenberg. Aber eine schwere Rezession in den USA würde auch Europa in Mitleidenschaft ziehen.

Sollten Anleger verkaufen?

Eine schnelle Erholung der Kurse ist derzeit unwahrscheinlich. Trotzdem empfiehlt es sich, die Durststrecke auszusitzen: „Gerade in inflationären Zeiten bleiben Aktien ein aussichtsreiches Anlageinstrument zum Vermögenserhalt“, erklärt Ulrich Kater, der Chefvolkswirt der Dekabank. „Dies ist in langfristiger Perspektive zu sehen: Aktienkurse erholen sich, wenn sich die wirtschaftlichen Aussichten wieder verbessern und gleichen dabei die zwischenzeitliche Inflation mit aus.“

Welche Aktien bieten Inflationsschutz?

Gegen den Trend gestiegen sind seit Jahresbeginn die Aktienkurse von Öl- und Gaskonzernen wie Exxon, EOG Resources oder BP – schließlich verdienen diese Unternehmen prächtig an den hohen Energiepreisen. Ob diese weiter steigen, ist allerdings unsicher. Schließlich würde eine Rezession auch die Nachfrage nach Rohstoffen dämpfen. „Wer jetzt noch in den Energiesektor einsteigen will, sollte auf die Dividendenrendite achten und nicht auf weitere Kursgewinne spekulieren“, meint der Chefanlagestratege der DZ Bank, Christian Kahler.

Angesichts der wachsenden Rezessionsgefahr sollten Anleger verstärkt auf Unternehmen setzen, deren Geschäft auch in Krisenzeiten einigermaßen stabil bleibt, empfiehlt Kahler. Dazu werden klassischerweise Energieversorger und Telekommunikationsunternehmen gerechnet, Hersteller von Nahrungsmitteln oder Medikamenten.

Welche Fonds sind zu empfehlen?

Die Auswahl von Einzelaktien aus vergleichsweise krisensicheren Branchen kann helfen, Verluste zu begrenzen. Sich komplett auf einige wenige Sektoren zu konzentrieren, wäre aber riskant, wie das Beispiel der Energiebranche zeigt. Wer bereits Fonds oder ETFs besitzt, die einen großen Korb an Aktien aus verschiedenen Branchen und Ländern abdecken, muss deshalb nichts ändern.

Für aktiv gemanagte Fonds spricht, dass ihre Manager in Verlustphasen wie der jetzigen gegensteuern können. Im Gegensatz dazu machen passive Indexfonds (ETFs) die Talfahrt an den Börsen ungebremst mit, weil sie einfach die Wertentwicklung von Aktienindizes wie dem Dax oder dem MSCI World abbilden.

Die Statistik zeigt jedoch: Langfristig gelingt es kaum einem Fondsmanager, den Markt zu schlagen. Und wenn, wird dieser Vorteil durch die im Vergleich zu ETFs höheren Gebühren aufgefressen. „Empirische Evidenz zeigt über lange Zeiträume ein besseres Abschneiden von passiven Fonds gegenüber aktiven Fonds, nach Kosten“, erklärt Markus Nöth, Finanzprofessor an der Universität Hamburg.

Sind Anleihen eine Alternative?

Mit den Leitzinserhöhungen steigt auch die Marktverzinsung von Anleihen, also Schuldtiteln von Staaten und Unternehmen. Mit aktuell 1,7 Prozent reicht die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen allerdings bei Weitem nicht aus, um den Kaufkraftverlust durch die Inflation zu kompensieren.

Höhere Renditen werfen die Anleihen hochverschuldeter Staaten wie Italien ab: Sie liegen für Papiere mit zehn Jahren Laufzeit derzeit bei 3,6 Prozent. Damit verteuert sich aber auch der Schuldendienst für das ohnehin schon klamme Land. Wer italienische oder griechische Staatsanleihen kauft, muss also darauf vertrauen, dass bei drohender Zahlungsunfähigkeit erneut die EZB oder die Europartner einspringen würden. Auch für Unternehmensanleihen gilt, dass höhere Renditen mit einem erhöhten Risiko eines Zahlungsausfalls verbunden sind.

Bei US-Staatsanleihen ist dieses Risiko extrem gering – und sie bringen derzeit immerhin 3,2 Prozent Rendite. Hier besteht für Anleger aus der Eurozone allerdings ein Wechselkursrisiko.

Grundsätzlich bieten Anleihen gegenüber anderen Zinsprodukten – wie beispielsweise Bankeinlagen – den Vorteil, dass Anleger sie jederzeit an der Börse verkaufen können. Steigende Zinsen gehen bei Anleihen allerdings mit sinkenden Kursen einher, so dass bei einem Verkauf derzeit Verluste drohen. Sie lassen sich vermeiden, wenn man die Anleihe bis zum Laufzeitende hält.

Steigen die Kontozinsen ?

Auf dem Tagesgeldkonto ist weiter nicht viel zu holen, wie der jüngste Vergleich der Stiftung Warentest zeigt. Den höchsten Zinssatz bietet mit 0,25 Prozent demnach die norwegische Bank Norwegian, die mit einer deutschsprachigen Website auch hierzulande um Kunden wirbt. Zinssätze von einem Prozent und mehr sind dagegen bei Festgeldkonten und Sparbriefen mit mindestens einem Jahr Laufzeit drin, vor allem bei ausländischen Instituten.

Bei dem Warentest-Vergleich werden ausschließlich Banken aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und Großbritannien berücksichtigt, deren Herkunftsländer von den größten Ratingagenturen mit Spitzennoten bedacht werden. Nur deren Einlagensicherungen seien hinreichend stabil, argumentiert die Stiftung. Wie wichtig eine funktionierende Einlagensicherung ist, hat sich in der jüngeren Vergangenheit mehrfach gezeigt: Kunden der Bremer Greensill Bank mussten nach deren Pleite ebenso entschädigt werden wie Sparer, die ihr Geld bei der Europatochter der russischen Sberbank angelegt hatten.

Wie sieht es bei deutschen Banken aus?

Laut Zahlen der FMH Finanzberatung lag der durchschnittliche Zinssatz für Festgeld mit zwölf Monaten Laufzeit über 35 überwiegend deutsche Banken hinweg zuletzt bei 0,16 Prozent. Das ist wenig, aber immerhin doppelt so viel wie zu Jahresbeginn.