Was ein Winter ohne Schnee bedeutet

Von Winterwunderland fehlt jede Spur – Was für die einen den Arbeitsalltag entspannt, schadet Liftbetreibern und Tierwelt

Der meteorologische Frühlingsbeginn war gestern, dabei hat sich der Winter bisher kaum blicken lassen. Die Skilifte stehen still, das Streusalz sammelt sich an und die Räumfahrzeuge warten vergeblich auf ihren Einsatz. Was bedeutet der Winter ohne die weißen Flocken für die Menschen, die im Alltag mit Schnee zu tun haben?

Was ein Winter ohne Schnee bedeutet

Lange wird der Schneemann, den ein Leser in der Robert-Kaess-Siedlung gefunden hat, wohl nicht durchhalten. Foto: R. Kuschnertschuk

Von Kristin Doberer

BACKNANG/GROSSERLACH. Schneeballschlachten, Iglus und Schneemänner? Fehlanzeige in diesem Winter, zumindest in den hiesigen Höhenlagen. Die wenigen Schneeflocken, die Ende Februar doch noch fielen, schmolzen schon beim Kontakt mit dem Boden. Statt Winterwunderland gab es bisher grauen Himmel und braunen Boden.

In vielen Gegenden Deutschlands sind vor allem die Betreiber von Skiliften vom fehlenden Schnee betroffen. Auch Marco Wieland, der den letzten Skilift der Region in Großerlach betreibt, hat den Lift in dieser Skisaison nicht einmal in Betrieb genommen. „Diesen Winter wird das wohl auch nichts mehr.“ Wieland ist selbstständiger Forstwirt, die Freizeitanlage mit Lift und kleiner Skihütte betreibt er nebenher. „Verluste habe ich also wegen des fehlenden Schnees gar keine. Auch letztes Jahr war der Skilift nur an zwei Tagen geöffnet“, sagt Wieland.

Räum- und Streufahrzeuge stehen still, Tiere reagieren verwirrt

Er konzentriere sich weniger auf den Winterbetrieb und mehr auf den Ausbau der Bikerstrecke für den Sommer, die 2020 fertig werden soll. Während der Lift im schneelosen Winter stillsteht, kommt er nämlich im Sommer regelmäßig zum Einsatz: Er befördert Mountainbiker und Skater etwa 70 Meter den Hang hinauf. Doch obwohl der Skilift nicht in Betrieb ist, können auch die Arbeiten an der Bikerstrecke nicht vorangehen. „Dafür ist es dann wieder viel zu nass“, sagt Wieland. Aufgrund der Wetterlage habe er diesen Winter also viel Freizeit.

Auch für die Mitarbeiter des Bauhofs der Stadt Backnang verlief der Winter bisher ereignislos. „Wir sind nur zweimal mit den Streufahrzeugen rausgefahren“, sagt Roland Stampfl, Leiter des Bauhofs. „Streusalz haben wir bisher fast gar nicht gebraucht.“ Das sei aber kein Problem. Das Salz befindet sich in einer Lagerhalle, in der es gut bis zum nächsten Winter aufbewahrt werden kann. Nur vereinzelt haben sie das Salz per Hand auf riskanten Treppen, zum Beispiel am Bahnhof, ausgebracht.

Stampfl und seine Mitarbeiter sind unter anderem für den Winterdienst im gesamten Stadtgebiet mit seinen Ortsteilen zuständig. Dafür haben sie drei eigene Räum- und Streufahrzeuge zur Verfügung und weitere fünf von einem Dienstleister geliehen. „Wir haben hier natürlich Ausgaben, selbst wenn die Fahrzeuge nur stehen.“ Denn nur zweimal mussten sie tatsächlich Salz streuen, ansonsten kamen die Fahrzeuge höchstens bei vereinzelten Kontrollfahrten zum Einsatz.

Doch die Anzahl der Fahrzeuge in den kommenden Wintern zu reduzieren, kommt nicht infrage, da im Ernstfall jedes einzelne Fahrzeug gebraucht wird. Trotz des milden Wetters muss der jeweilige Einsatzleiter jeden Morgen ab etwa drei Uhr kontrollieren, wie die Verhältnisse auf den Straßen sind und eventuelle Kontrollfahrten übernehmen. „Wenn es nachts auch nur minus 1 Grad Celsius hat und es am Vortag feucht war, kann es im Schatten oder an Brücken schon glatt werden.“ Außerdem hätten die Arbeiter des Bauhofs auch ohne Schnee genug zu tun: Bäume schneiden und die Straßen sauberhalten zum Beispiel. „Aber so ist es dieses Jahr schon sehr entspannt“, sagt Stampfl. Er kann sich noch gut an ein Jahr erinnern, in dem er über die Weihnachtsfeiertage beinahe ununterbrochen im Einsatz war. „Aber das gehört zu meinem Job dazu.“

Während dieser Winter für die Mitarbeiter des Bauhofs stressfreier abläuft, bringen die ungewöhnlichen Temperaturen die Tierwelt durcheinander. So sind laut Nabu-Hummelexpertin Sarah Adelmann bereits jetzt Hummelköniginnen unterwegs. „Bleibt es im Herbst und Winter mild, gehen die Königinnen teilweise nicht in den Winterschlaf“, erklärt Adelmann. „Sie machen nur eine kurze Pause oder starten schon im Herbst mit dem Eierlegen. Wenn die Kälte doch noch kommt, stirbt das ganze Volk ohne Nachkommen“, erklärt Adelmann. Auch heimische Fledermäuse würden bei solchen Temperaturen nicht in den Winterschlaf fallen und dadurch überlebenswichtige Energievorräte aufbrauchen.

Drittwärmster Winter seit fast 60 Jahren

Dass es in diesem Winter kaum geschneit hat, ist für Experten nicht verwunderlich. Mit einer Durchschnittstemperatur von fünf Grad Celsius in den Wintermonaten liegt die Temperatur etwa vier Grad über dem langjährigen Mittelwert und ist damit der drittwärmste Winter seit 1951. „Das ist schon etwas Besonderes“, sagt Fassenzeller vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Am 16. Februar sei die Temperatur sogar über 20 Grad Celsius gestiegen. „Normalerweise haben wir zumindest ein paar Tage eine Schneedecke, diesen Winter nicht einmal.“ Dieser Winter sei deshalb so warm, weil die Tiefdruckgebiete weit nördlich blieben, so Fassenzeller. Dadurch käme besonders viel Warmluft nach Deutschland, was sich durch milde Temperaturen, aber auch viel Regen ausdrücke. Ob die Winter in den nächsten Jahren wieder mehr Schnee und Frost mitbringen, kann er schwer einschätzen. „Im Vergleich zu den Jahren 1961 bis 1995 gibt es schon einen Trend, dass die durchschnittliche Temperatur immer höher wird. Deshalb kann es aber trotzdem sehr kalte Winter mit viel Schnee geben.“

Was ein Winter ohne Schnee bedeutet

Streusalz haben die Mitarbeiter des Bauhofs der Stadt Backnang in diesem Jahr kaum verbraucht. Archivbild: E. Layher