Was Hufeisenwerfen mit Sandeln zu tun hat

In Ebni kommen die Könner der süddeutschen Szene zusammen, um die baden-württembergischen Meister auszumachen

Wer sich dem Dorfkern von Ebni nähert, hört es immer deutlicher klingeln. Auf der Anlage der Reit- und Countryfreunde angekommen, erhält man auch ein Bild dazu: Konzentrierte Frauen und Männer, die versuchen, ihr 1,2 Kilogramm schweres Hufeisen an einer Eisenstange zu platzieren. 51 Hufeisenwerfer kämpfen um den baden-württembergischen Meistertitel in der deutschen und amerikanischen Disziplin.

Was Hufeisenwerfen mit Sandeln zu tun hat

Locker aus dem Handgelenk schickt Jürgen Ellwanger (linkes Foto) sein Hufeisen auf den Weg, später heißt es für ihn und Markus Wiedmer (rechts) zu sandeln, also zu sehen, wo die Eisen genau liegen und wer dann die Nase vorn hat. Sibylle Wiedmer (links) nimmt die Ergebnisse auf und Gerhard Steck (hinten links) ist als Schiedsrichter Ansprechpartner bei Unklarheiten. Fotos: A. Becher

Von Christine Schick

KAISERSBACH. Auf dem Gelände der Reit- und Countryfreunde Ebni tummelt sich die Crème de la crème der süddeutschen Hufeisenwerferszene. Unter den Gästen sind deutsche Meister genauso wie Europameister, jahrzehntelange Wegbegleiter, Pioniere und Fans des ungewöhnlichen Sports. Zum Kampf um den Landestitel sind Vereine aus Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und der Schweiz angereist. Die meisten treten in beiden Disziplinen an – german und american.

George Semegi von den Mooseisen Eichenried trägt einen schicken Cowboy-Strohhut und rote Turnschuhe, nimmt sein Ziel in den Blick und wirft seine sechs Hufeisen flüssig und souverän hintereinander weg. Zweimal platziert er einen Ringer mit der Höchstpunktzahl drei, bei dem sich sein Eisen um die Stange gelegt hat, zweimal einen Punkt, bei dem es maximal eine Hufeisenlänge entfernt im Sand liegen bleibt. Seltener kommt es vor, dass sich das Eisen an der Stange aufstellt, was zwei Punkte gibt.

Insgesamt haben die Frauen und Männer bei der deutschen Disziplin 36 Würfe über neun Meter. Angesichts des Wetters gehen manche mit Hut oder auch mal barfuß an den Start, andere wiederum tragen Handschuhe, um ihr 1,2 Kilo schweres Eisen entsprechend im Griff zu haben.

„Die meisten denken, dass wir mit Pferdehufeisen werfen“, sagt Reni Wagner von den Reit- und Countryfreunden Ebni. „Aber unsere Sporteisen sind größer. Wir müssen sie uns in den USA besorgen, weil sie nur dort hergestellt werden“, erzählt sie. Das verweist auf den Erfinder des Sports. „Er ist in den USA entstanden. Ganz zu Beginn waren es wohl noch Maiskolben, die bei der Ernte gezielt in Körbe geworfen wurden, später sind daraus Hufeisen geworden.“ Der Schwaikheimer Willy Räse ist sozusagen der Vater des Hufeisenwerfens im Rems-Murr-Kreis, hat es 1987 aus Amerika mitgebracht. „Ich hab damals Musik in den USA gemacht, zufällig mal mitgespielt und vier Eisen mit nach Hause genommen“, erzählt der Chef der Country- und Westernfreunde Schwaikheim. Der Import, erste Spiele, Turniere und Vereinsgründung trugen Früchte – heute gilt Schwaikheim als Hufeisenwerfer-Hochburg. Genauso in Ebni etablierte sich der ungewöhnliche Sport, in den Hochzeiten noch mit ausgedehnten Westernfestivals.

Wie wird man und frau zum meisterlichen Hufeisenwerfer? „Es ist eine bestimmte Technik, Geschicklichkeit spielt eine wichtige Rolle und im richtigen Moment loszulassen“, sagt Reni Wagner. Sie und ihr Mann Siggi treten als Gastgeber genauso bei den Wettkämpfen an – und mischen auf den vorderen Plätzen mit, wie sich später herausstellt.

Der Startschuss für die Disziplin american ist gefallen, und Jürgen Ellwanger von den Reit- und Countryfreunden Ebni tritt gegen Markus Wiedmer vom Hufeisen-Klub St. Gallen an. Es wird im K.o-System gespielt, acht Runden entscheiden über das Weiterkommen. Die Distanz für die Männer ist mit 11,27 Metern größer als bei den Frauen mit 8,27 Metern. Ellwanger und Wiedmer lassen ihre silbernen und blauen Hufeisen zur Stange fliegen. Die graben sich tief in den Sand ein, sodass sie ein bisschen buddeln müssen, um entscheiden zu können, wer es näher an die Stange geschafft hat. Reni Wagner nickt. „Jetzt wird gesandelt, wie wir sagen“, erklärt sie und lacht. „Im Zweifelsfall kommt auch mal der Zollstock zum Einsatz.“

Jeder hat so seinen Stil: Während dem einen ein rutschfester Stand wichtig ist, geht der andere längere Zeit in sich, um sich ganz aufs Zielen und Werfen zu konzentrieren. „Hufeisenwerfen ist schon eine Kopfsache“, sagt Markus Wiedmer. Wenn etwas nicht in Ordnung sei, merke man das auch entsprechend an der Form. Er sieht oft schon im Flug, wie die Eisen landen, ob es ein guter oder mäßiger Wurf wird. Die meisten halten ihr Sportgerät an der inneren Rundung und schicken es so auf den Weg, dass es sich einmal in der Luft dreht.

Die meisten werfen das Hufeisen so, dass es sich einmal in der Luft dreht

Hans Peter Eisenmann, einer der Pioniere von Ebni, heute bei den Hufeisenfreunden Rems-Murr, stellt fest, dass sich die Szene auch ein Stück weit professionalisiert hat. „Beim Gründungsturnier vor vielleicht zwanzig Jahren hab ich mit 51 Punkten gewonnen, damit würde ich heute nicht mehr weit kommen“, sagt er. Als er bei einem Jedermannsturnier in Schwaikheim sagte, „da schmeißen wir mal mit“ und auf Anhieb den dritten Platz machte, leitete dies eine lange Freundschaft zum Hufeisenwerfen ein – ein gar nicht so untypischer Werdegang übrigens. Maximilian Riepl, Vorsitzender von Pro Country, dem deutschen Country- und Westerndachverband, hat sich im vergangenen Jahr die Sache im Ursprungsland angeschaut – bei der Weltmeisterschaft im US-Bundesstaat Utah: „Da ist das Niveau um ein vielfaches höher als in Deutschland.“ Die WM mit 1200 Startern lief über zwölf Tage und zwar auf Lehmbahnen in der Halle. „Da bleibt das Hufeisen genau dort liegen, wo es runterkommt, man muss sehr präzise werfen.“ Beeindruckt hat ihn vor allem die Gastfreundschaft vor Ort.

Die 51 Profis haben für die Landesmeisterschaft einen Tag und müssen auch mit einem Gewitter und heftigen Regenschauer zurechtkommen. Am Rande wird über Nachwuchsprobleme gesprochen und wie man möglicherweise den älteren Wettkämpfern etwas entgegenkommt. Für Willy Räse scheint dabei eine geringere Wurfdistanz viel sinniger als ein leichteres Hufeisen.

Immer mal wieder ist Zeit für ein Schwätzchen. „Es ist einfach schön, sich zu sehen. Man kennt sich, es ist wie in einer großen Familie“, sagt Reni Wagner. Zwischendurch macht sie auch Nachbarn und Bekannte auf das Jedermannsturnier am Folgetag aufmerksam. Wäre ja nicht schlecht, wenn der eine oder andere Jugendliche Blut leckt und als junger Turniergänger nachrückt.

Was Hufeisenwerfen mit Sandeln zu tun hat