Was kommt auf die Streichliste?

Die ernüchternde Steuerschätzung könnte die große Koalition dazu zwingen, ihre Finanzplanung erheblich einzuschränken

Von Thorsten Knuf

Trotz des Dämpfers bei den Steuereinnahmen legt Finanzminister Olaf Scholz demonstrative Gelassenheit an den Tag. Man werde sich zusammenraufen.

Berlin Donnerstagnachmittag im Finanzministerium in Berlin: Der Hausherr stellt in seiner nüchtern-hanseatischen Art die neueste Steuerschätzung für die Zeit bis 2023 vor. Es geht nicht nur um die Entwicklung der Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden, sondern im Kern auch darum, was die große Koalition in den verbleibenden Jahren ihres Mandats überhaupt noch anpacken kann. Rund um den Globus hat die Konjunktur an Schwung verloren, was natürlich nicht ohne Folge für die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft und damit für die Staatseinnahmen bleibt.

„Die fetten Jahre sind vorbei“, hatte Olaf Scholz (SPD) schon Anfang des Jahres gesagt und damit deutlich gemacht, dass die Politik künftig nicht mehr alle Konflikte mit Geld wird zukleistern können. Die Groko wird fortan entscheiden müssen, was ihr wirklich wichtig ist und was nicht. Am Donnerstag sagt Scholz mit Blick auf die Steuerprognose: „Es bleibt ein Wachstum, wenn auch ein geringeres Wachstum.“ Bund und Länder könnten auch in den kommenden Jahren mit „ordentlichen Steuereinnahmen“ rechnen. Neben der gebremsten Konjunktur machten sich auch diverse steuerpolitische Beschlüsse bemerkbar, die den Staat Geld kosteten.

Die Einnahmen wachsen also weiter, aber eben weniger schnell als erwartet. Bei der vorangegangenen Steuerschätzung im Herbst hatten die Experten noch deutlich optimistischer in die Zukunft geblickt. Nun rechnen sie damit, dass allein der Bund im kommenden Jahr knapp 13 Milliarden Euro weniger einnehmen wird als bislang veranschlagt, in den Jahren darauf soll die Lücke jeweils zwischen 15 und 17 Milliarden Euro liegen. Für den Gesamtstaat erwarten die Fachleute bis 2023 sogar eine Lücke von fast 124,3 Milliarden Euro.

Um die Dimensionen deutlich zu machen: Allein im laufenden Jahr wird der Bund voraussichtlich rund 324 Milliarden Euro Steuern einnehmen, im kommenden Jahr rund 329 Milliarden und danach bereits 340 Milliarden Euro. „Wir haben nach wie vor eine expansive Haushaltspolitik“, sagt Scholz. Das stütze auch die Konjunktur und sei gut für den sozialen Zusammenhalt des Landes. Im laufenden Jahr seien keine Einsparungen notwendig: „So viel Luft haben wir uns gelassen.“

Die halbjährliche Steuerschätzung ist die Grundlage für die Haushaltspläne des Staates. Zuständig ist der Arbeitskreis Steuerschätzung, dem auch Experten der Bundesbank, vom Statistischen Bundesamt und aus der Wissenschaft angehören. In den vergangenen Tagen tagten die Fachleute auf Einladung des schleswig-holsteinischen Finanzministeriums in Kiel. Üblicherweise fällt dann dem Bundesfinanzminister die Aufgabe zu, die Ergebnisse zu präsentieren.

Die große Frage ist nun, was politisch aus der engen Haushaltslage folgt. An der „schwarzen Null“, also einer Finanzpolitik ohne neue Schulden, hält Scholz fest. Der Minister ist der Ansicht, dass die Regierung gemeinsam schauen müsse, wie sich die Einnahmelücken in den kommenden Jahren schließen lassen. Alles in allem sei die Aufgabe „überschaubar“.

Das heißt freilich nicht, dass der SPD-Politiker Scholz auf die neue Grundrente verzichten möchte, die seine Partei und ihr Sozialminister Hubertus Heil planen. Ein Konzept dazu dürfte Heil in Kürze präsentieren. Scholz unterstützt das Projekt und sagt, dass er dazu in ständigem Kontakt mit dem Sozialminister sei. Deutlich zurückhaltender ist der Finanzminister, wenn es um Forderungen nach einer steuerlichen Entlastung von Unternehmen geht. Entsprechende Wünsche werden immer wieder aus der Wirtschaft sowie aus der Union und der FDP geäußert. Dahinter steht die Hoffnung, dass Steuersenkungen der Konjunktur neuen Schwung geben könnten.