Weissacher Rathaus in Narrenhand

Unterweissacher Carnevals Club entmachtet Bürgermeister  –  Narrentaufe zweier Mitglieder

Weissacher Rathaus in Narrenhand

Enrico Leuthold und Marcel Fiechtner taufen das neue Mitglied Tom Gerlich.Foto: A. Becher

Von Wolfgang Gleich

WEISSACH IM TAL. In Weissach im Tal regieren im Rathaus die Narren! Zumindest bis Aschermittwoch, nachdem der Unterweissacher Carnevals Club (UCC) am Samstagnachmittag das Rathaus gestürmt und in Besitz genommen hatte. Verteidigt wurde es von Bürgermeister Ian Schölzel wortgewandt und mit gezielten Bonbonwürfen. Letztendlich blieb ihm aber keine andere Wahl, als sich in sein Schicksal zu fügen und den Rathausschlüssel zu übergeben.

Für ihren Sturm hatten sich die Weissacher Narren Verstärkung aus Althütte, Auenwald, Backnang, Schwaikheim, Sindelfingen und Spiegelberg kommen lassen. Kein Wunder also, dass die Angreifer auf dem Platz vor dem Rathaus dicht an dicht standen: Hästräger, Tanzmädchen in ihren neckischen blau-weißen und rot-weißen Kostümen, dazwischen kleine Hexen, Piraten, Prinzessinnen und Passanten, die von den fetzigen Rhythmen der „Blue Brass Band“ aus Sindelfingen angelockt worden waren. Mit dem Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust“ überquerten UCC-Vorsitzende Heike Strohmaier und ihr Mitstreiter Horst Zwickel die Brücke über den Brüdenbach und nahmen gegenüber dem Rathausfenster, aus dem der Bürgermeister herausschaute, auf ihren mitgebrachten roten Wanderstühlen Platz, eine Anlehnung an den vom Weissacher „Klimaschutz“ an der Bushaltestelle am Lindenplatz aufgestellten Mitfahrstuhl.

Heike Strohmaier und Horst Zwickel schlugen vor, ihn zu einem Partner-Vermittlungsstuhl zu erweitern, bei dem auch Heiratswillige oder Übriggebliebene abgesetzt und abgeholt werden könnten, alles im Sinne der Einsparung von Abgasen, wie übrigens auch der Elektro-Bürgerbus für Senioren. Es stünden über dreißig Personen als ehrenamtliche Fahrer zur Verfügung, mehr als Fahrgäste, erklärte Schölzel. Darüber hinaus, versprach er den Narren, auch für die älteren Mitbürger und Menschen mit Handicap aktiv zu werden. „Wir werden alle Bushaltestellen so umbauen, dass es keine Ein- und Ausstiegprobleme wegen dem Höhenunterschied zwischen Omnibus und Haltestelle mehr gibt.“ Kein Geld sei allerdings für die Sanierung der holprigen Straßen und Wege vorhanden, damit die Haltestellen erreichbar sind. Auf Schölzels Klage, dafür müssten Millionen investiert werden, schlug Zwickel vor, die Gemeindestraßen Daimler als Versuchsstrecke für Rüttelfestigkeit anzubieten. An der Backnanger Straße werde gerade ein neues Baugebiet erschlossen, so Schölzel. „Wir müssen nur noch eine kleine Stützmauer erstellen, damit der Hang sich nicht bewegt.“ Strohmaier regte an, diese Mauer der Deutschen Bahn als Ausweichfläche für die Umsetzung von Eidechsen und anderem im Rahmen von Stuttgart 21 zu verpachten. Nicht unkommentiert blieb auch der Tälestreff, als im Zuge der Sicherheitsvorkehrungen wegen des Besuchs von EU-Kommissar Günther Oettinger, wusste Zwickel zu berichten, die Bauhofmitarbeiter begannen, die Kanaldeckel zu verschweißen und auf dem Getränkekühlwagen des UCC sogar ein Scharfschütze lag, um den Gast zu schützen. „Wer will denn bei uns im Täle dem guten Mann etwas antun? Sein Schwänglisch reicht doch schon zur Vertreibung sämtlicher Übeltäter aus“, meinte dazu Strohmaier.

„Los Gardemädchen, macht euch auf den Weg und holt mir den Schultes!“ befahl sie schließlich. Allzu schlecht erging es dem Entmachteten aber nicht; er war mittendrin im Geschehen als Tim Gelfert und Tom Gerlich als neue Mitglieder in die Gemeinschaft der Batzenschmeißer aufgenommen wurden. Als künftige Hästräger wurden sie in eine Zinkbadewanne gelegt, mit Brunnenwasser abgeduscht und mit Lehm übergossen, ehe sie über ein offenes Feuer springen mussten – eine Reminiszenz an die einst in Weissach verbreitete Herstellung von Lehmziegeln.